
„KaThePerGeLyTa“ stürmt die Bühne

Das Duo „Münch & Sauer“ bietet eine „schöne Aussicht“ in der Theaterwerkstatt. Im Januar gibt es ein Wiedersehen
Einfach zu verstehen ist die Welt momentan nicht. Mit TTIP, Flüchtlingskrisen und Wirtschaftsdebakeln kann man auch wirklich den Überblick verlieren. Gut, wenn man von ausgesuchten Kabarettisten an der Hand genommen und mit dem scharfen Schwert des Wortes ein bisschen Ordnung ins Chaos gebracht wird. Hanna Münch und Heike Sauer beleuchten all diese heiklen Themen, sorgen dabei für reichlich Lacher und platzieren in zwei Stunden Programmzeit so manche Pointe, die schmerzt.
„Wenn Sie sich Comedy erwarten, haben wir ein Problem“, warnt Heike Sauer am Anfang noch, „wie machen wir es, dass alles neu und auch gefällig ist?“. „KaThePerGeLyTa“ ist die Antwort: Kabarett, Theater, Performance, Gesang, Lyrik und Tanz. Heiter starten die beiden Kabarettistinnen mit ihrem „No-Hit-Wonder“, das in 180 Sekunden 24 internationale Schlagerhits durchhechelt – „innerhalb eines Jahres zwei Likes auf Youtube“. Der Song über den fremdgesteuerten Konsumenten, der „T-Shirts made in Bangladesh“ kauft und TTIP für ein neues Lottosystem hält, sitzt. Ohne Plattitüden und Plattheiten wird hier ein heikles Thema betrachtet; zugleich erfüllen Münch & Sauer erstklassige Kabarettwünsche – indem sie den Blickwinkel des Betrachters neu justieren und mit einem nie endenden Funkenregen an Einfällen, Wortspielen und Kostümcharaden zwischen herzhaftem Lachen und Nachdenklichkeit balancieren. Exquisit die „Rausch“-Episode, mehr experimentelles Theater als Kabarett: Hier erlebt man die Kabarettistinnen als echte Sinnsucherinnen, eindrücklich wird die Frage beleuchtet, warum man im „Dauerrauschen“ der schönen neuen Medienwelt „die eigene Stimme nicht mehr hört“.
Der Mensch, vereinsamt zwischen Smartphone und Smart-Toaster, der nur noch mit seinen Geräten kommuniziert: „Die sind immer für mich da!“ Logisch, dass sich der Nummer eine Lesung aus Spam-E-Mails anschließen muss – trotz der bedrückenden Dummheit dieser Mailinhalte lacht man Tränen.
Starke Szenen gelingen dem Duo, wenn sie Kontraste aufeinanderprallen lassen – wenn also der Zuschauer mitformulieren muss.
Höhepunkt: die Nachrichtenszene, in welcher Hanna Münch in betont neutralem Tonfall über ertrunkene Flüchtlinge berichtet und dazwischen Heike Sauer ein Liebesgedicht Goethes zitiert: „Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer vom Meere strahlt.“ Wie hart prallen da Wirklichkeit und Wohlstandslethargie aufeinander: Man freut sich richtig, wenn die Kabarettistinnen „Umarmungen für Umme“ anbieten – wovon das Publikum reichlich Gebrauch machte. Nach ihrem ersten Programm haben Münch & Sauer mit „Schöne Aussicht“ erheblich an Biss und Souveränität gewonnen. Dieser neue Abend hat es in sich.
30. Januar 2016 in der Theaterwerkstatt, 20 Uhr.
Die Diskussion ist geschlossen.