
Stress und Frust: So geht es dem Buchhandel in der Corona-Pandemie

Plus Wie lief das Jahr 2020 für das Geschäft mit den Büchern? Buchhändler aus aus Ulm, Neu-Ulm und Weißehorn blicken mit gemischten Gefühlen zurück.
Der momentane Lockdown wegen der hohen Corona-Infektionszahlen führt zu erheblichen Problemen in vielen Branchen. Betroffen ist, in gewissem Maße, auch der Buchhandel, der es in den vergangenen Jahren schon nicht einfach hatte.
Zumindest etwas Positives wurde deutschlandweit festgestellt: Die Menschen schmökern nun wieder etwas mehr in den Büchern und Bänden, taten es jetzt speziell auch in der Weihnachtszeit. Der Mangel an sonstigen Freizeitangeboten vor allem im Kulturbereich hat das Seine dazu beigetragen. Und so sehen Buchhändler aus der Region dem neuen Jahr zwar nicht mit Zuversicht, aber mit einer gewissen Hoffnung entgegen, sofern der Lockdown in absehbarer Zeit aufgehoben wird.
Buchhändler glauben nicht an ein baldiges Lockdown-Ende
An dessen Ende zum bisher vorgesehenen 10. Januar glaubt in der Branche offensichtlich niemand, auch Rasmus Schöll vom Ulmer Buchladen Aegis nicht: „Der Lockdown wird sicher länger dauern. Die Krise wird mit dem bisschen Impfstoff, der jetzt zu Beginn gespritzt wird, nicht gegessen sein. Vielleicht kehren dann im Herbst wieder normale Zeiten ein.“ Waltraud Gruss vom Neu-Ulmer Buchgeschäft „Schmiedel & Gruss“ kann sich auch nicht vorstellen, dass sie zum von der Regierung noch ins Auge gefassten Termin ihren Laden wieder öffnen kann: „Wenn es am 10. Januar weiterginge, könnte ich letztlich zufrieden sein, aber so wird es nicht kommen. Zwei oder drei Monate könnte ich hier schon durchhalten. Wenn es mit dem Lockdown aber länger geht, wird es sehr schwer.“ Wenig Hoffnung auf ein Ende des Lockdowns zum 10. Januar hat auch die Besitzerin der Schlegel’schen Buchhandlung Weißenhorn, Eli Schlegel: „Wir müssen damit rechnen, dass der Lockdown den ganzen Januar über gelten wird. Geht er länger, wird es schwierig.“
Die Ulmer Buchhandlung Aegis scheiterte mit einem Eilantrag vor Gericht
Bisher sind die Buchgeschäfte noch ganz gut über die Runden gekommen, auch wenn Rasmus Schöll sagt: „Es ist eine schwierige Situation für alle. Es ging von 100 auf null. Vor dem Lockdown lief das Geschäft ganz gut. Als dann klar war, dass wir am Montag und Dienstag die letzten Tage offen haben dürfen, bevor am Mittwoch, 16. Dezember, der Lockdown in Kraft tritt, gab es einen regelrechten Ansturm“, sagt der Aegis-Chef. „Für uns war das anstrengend. Wir mussten mehr für Ordnung bei den Kunden sorgen als Bücher verkaufen. Letztlich haben wir kein Riesenminus eingefahren.“ Dennoch sagt Schöll: „Wir können noch eine Weile durchhalten.“
Das Aegis-Team sah allerdings im Lockdown ein Problem darin, dass es keine Abholstation für die Kunden einrichten durfte, weshalb Schöll über seine Anwälte einen Eilantrag an das Oberverwaltungsgericht Stuttgart gegen die Corona-Verordnung von Baden-Württemberg stellte, den der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim aber ablehnte. Für Schöll eine „falsche Entscheidung“. Er sagt: „Einen Kaffee ‚to go‘ darf man holen, aber kein Buch. Unsere Erfahrung vom Frühjahr hatte gezeigt, dass sich da keine langen Schlangen bilden. Jetzt gibt es bei der Post lange Schlangen.“ Der Buchhändler sieht insgesamt Versäumnisse der Politik beim Umgang mit der Pandemie: „Man konnte im Sommer davon ausgehen, dass es im Winter einen weiteren Lockdown geben wird. Vieles, also auch explizit die Frage der Abholung hätte da geregelt werden können.“
Im Lockdown bieten Buchhandlungen in und um Neu-Ulm Lieferservices an
Nicht nur Schöll sieht auch ein Problem mit der Auslieferung von bestellten Büchern. „Wir haben teilweise mit drei Autos Bücher ausgefahren“, berichtet Eli Schlegel. „Wir haben zwar Umsatz gemacht, hatten aber auch hohe Kosten. Vor dem Lockdown war unser Verkauf sehr gut gewesen.“ Ergänzend sagt sie: „Mein Laden ist jetzt ja total geschlossen. Man darf alles Mögliche, auch Essen, vor die Tür stellen, aber keine Bücher. Ich bin froh, dass ich überhaupt Bücher verkaufen kann. Was ich darüber hinaus im Laden habe, wie Geschenkartikel oder Weihnachtsdekoration, musste ich nun für 2021 verpacken. Wenn es dann nicht schon unmodern geworden ist.“
Wie Eli Schlegel war auch die Neu-Ulmerin Waltraud Gruss, die mit der Buchhandel-Konkurrenz in der Glacis-Galerie nebenan kein Problem hat („Ich habe sehr viele Stammkunden“), mit dem Geschäft vor dem Lockdown zufrieden: „Es lief super.“ Aber auch sie meint, dass es nicht das Gleiche sei, ob Kunden Bücher online bestellen oder ob sie in den Laden kommen und sich inspirieren lassen. Sie kann nicht verstehen, dass Buchhandlungen nicht geöffnet sein dürfen: „Warum? Zumindest in kleinen Buchhandlungen ist die Infektionsgefahr sehr gering. Es dürfen nur wenig Leute rein. Die anderen stehen draußen und warten. Jetzt müssen wir Bücher ausliefern, der Fahrer muss bezahlt werden. Es wurde sogar an Heiligabend noch geliefert“, sagt Gruss. „Ich besitze den Laden jetzt seit 34 Jahren, aber eine solche Situation habe ich noch nie erlebt. Dazu kommt, dass Supermärkte Bücher anbieten können.“
Die Neu-Ulmer Buchhandlung "Schmiedel & Gruss" baut auf Hoffnung
Zuvor auch noch nicht erlebt hatte Gruss, was kurz vor dem Lockdown geschah: „Da war ein Fernsehteam aus Frankreich bei mir und ich wurde gefragt, wie es läuft und wie ich mit der Situation klarkomme. Das wurde in Frankreich noch am gleichen Abend ausgestrahlt.“ Für Gruss ist trotz der Probleme wichtig, die Lage „nicht nur negativ“ zu sehen: „Sonst macht das Geschäft keinen Spaß. Obama-Bücher zum Beispiel kann ich auch noch 2021 verkaufen.“
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