Melancholisch-schöne 80er-Jahre: "Auerhaus" am Theater Ulm
Plus Am Theater Ulm spiegelt „Auerhaus“ sehr fein und warmherzig die Jugend einer vergangenen Zeit
Auerhahn, Auerochse , Auerhaus. Weil die meisten Bewohner von Faurndau bei Göppingen in den frühen 80ern wenig Englisch konnten, nannten sie ein Haus mitten im Dorf „ Auerhaus “. Häufiger klang aus diesem Haus nämlich der Song „Our house“ von Madness, und die jungen Bewohner einer WG selbst nannten ihr Zuhause nach dem Song „our house“. Eine WG ohne Erwachsene, das war damals in der ersten Hälfte der 80er auf dem Land eine außergewöhnliche Sache. Außergewöhnlich ist auch eine Entscheidung des Theaters Ulm , „ Auerhaus “ im Podium – inszeniert und fürs Theater adaptiert von Valentin Stroh – von der Riege der (mindestens) Ü30-Schauspieler des Ensembles aufführen zu lassen. Ein Abiturienten-Melodram mit dieser Besetzung – kann das funktionieren? Ja, sogar sehr gut. Die zauberschöne Zartheit zwischen den Worten, das ist eine Fähigkeit, die gerade jene sechs Schauspieler Stephan Clemens , Gunther Nickles , Marie Luisa Kerkhoff , Tini Prüfert, Christel Mayr und Nils Willers „können“.
Bov Bjergs "Auerhaus" in der Inszenierung des Ulmer Theaters
Vielleicht wirkt die Inszenierung gerade deshalb so atmosphärisch, weil „ Auerhaus “ – entstanden nach dem gleichnamigen Roman von Rolf Böttcher alias Bov Bjerg – das Gefühl und die Worte einer vergangenen Zeit feinsinnig spiegelt: Vier Abiturienten, die in das leere Haus von Frieders verstorbenem Großvater ziehen und sich freier fühlen als die anderen Kollegstufenschüler, sie leben in jener Welt, in der für junge Männer die Tauglichkeitsuntersuchung der Bundeswehr , die Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung und die Flucht nach Berlin , um sich all dem zu entziehen, wichtige Themen waren. Einer Zeit, in der man im Dorf noch wusste, dass der Apotheker NS-Täter war und hinter vorgehaltener Hand darüber sprach. Das Stück erhebt sich jedoch nicht über die Provinz, wertet sie nicht ab. Es ist wie es ist, das Leben.
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