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Foto: Alexander Kaya (Archivfoto)
Foto: Alexander Kaya (Archivfoto)

Ein Blick in eine Zelle in der Ulmer Justizvollzugsanstalt am Frauengraben. Das Gefängnis ist seit Längerem chronisch überbelegt – wie alle Anstalten in Baden-Württemberg.

Ulm
12.09.2018

Nach Misshandlungs-Urteil: Ulmer Gefängnis ist ständig überbelegt

Von Sebastian Mayr, Michael Peter Bluhm

Für den 19-Jährigen, der andere Männer brutal misshandelt hat, war in Ulm keine Einzelzelle frei. Der Anstaltsleiter spricht von einer Ausnahme.

Es ist nur eins der bitteren Details aus dem Prozess gegen einen 19 Jahre alten Mann, der Mithäftlinge im Ulmer Gefängnis über Monate quälte und seinen Zellengenossen mit einer Gabel fast zu Tode folterte. „Sicherlich wäre für den Angeklagten eine Einzelhaft geeignet gewesen. Aber wir waren zu diesem Zeitpunkt überbelegt“, sagte ein Justizwachtmeister als Zeuge beim Prozess am Ulmer Landgericht aus. Der Mann hatte an dem Wochenende, an dem der 19-Jährige sein Opfer misshandelte und beinahe tödlich verletzte, Dienst.

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Am Montag ist der Prozess gegen den jungen Mann zu Ende gegangen. Das Urteil: acht Jahre Haft. Dass der Mann gewalttätig war, war bekannt. Man hatte ihn deswegen aus einem Jugendgefängnis nach Ulm verlegt. Eigentlich, bestätigt Anstaltsleiter Ulrich Schiefelbein im Gespräch mit unserer Redaktion, hätte der junge Mann in einer Einzelzelle untergebracht werden sollen – so wie es auch grundsätzlich vorgesehen ist. Doch die war eben nicht frei. Der 19-Jährige bekam den letzten freien Platz im Knast – und wurde bewusst mit seinem späteren Opfer, einem 61-Jährigen, in eine Zelle gelegt. Der Ältere sollte mäßigend auf den Jüngeren einwirken. Vor Gericht sprach der Justizwachtmeister von einem „väterlichen Einfluss“, auf den man gehofft habe. „Eine Fehleinschätzung“, wie Schiefelbein gesteht.

13 Häftlinge mehr als maximal erlaubt sind

Dass ein Mann, der in Einzelhaft untergebracht werden müsste, seine Zelle am Ende doch mit einem anderen teilt, sei eine Ausnahme, sagt Schiefelbein – auch wenn das Ulmer Gefängnis durchgehend überbelegt ist. Eigentlich sollen alle Gefangenen in Baden-Württemberg einzeln untergebracht werden. Ausnahmen gibt es aus gesundheitlichen Gründen. Wie im Fall des 61-jährigen Opfers: Bei dem alkoholkranken Mann fürchtete man Suizidgefahr. Die andere Ausnahme besteht, wenn Gefängnisse zu voll sind.

Die Tat liegt mehr als ein halbes Jahr zurück, doch das Problem besteht noch immer. Die Gefangenenzahl in Baden-Württemberg steigt seit einiger Zeit, der Platz in den Anstalten genügt nicht. Als der 19-Jährige den 61-Jährigen misshandelte und weitere Gefangene quälte, waren 112 Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt am Frauengraben untergebracht. Die maximale Belegungsgrenze liegt eigentlich bei 99 Männern. „In einigen Zellen mussten Matratzenlager aufgeschlagen werden, um die Leute unterzubringen“, berichtete der Justizwachtmeister vor Gericht.

Zusätzliche Betten in Ulmer Gefängniszellen

Auch jetzt ist die Ulmer JVA voller als sie sein dürfte. In manchen Zweimannzellen wurde zusätzlich zum üblichen Stockbett ein einzelnes Bett aufgestellt, zudem wurden Freizeiträume zu Zellen umfunktioniert, berichtet Leiter Ulrich Schiefelbein. „Man kann bloß hoffen, dass die Gefangenenzahlen bald stagnieren“, sagt er. Denn Abhilfe sei vorerst nicht in Aussicht. Zwar wird in Rottweil eine neue JVA gebaut. Doch nach Informationen des Schwarzwälder Boten wird diese frühestens im Jahr 2025 eröffnet.

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Die Personalprobleme in Ulm halten sich Schiefelbein zufolge in Grenzen: In der Anstalt am Frauengraben arbeiten auf jedem Stockwerk zwei Bedienstete, in anderen Gefängnissen sei es nur einer. „Ob dort 40 oder 44 Häftlinge untergebracht sind, macht keinen großen Unterschied“, sagt der Leiter.

In welcher Anstalt der 19-Jährige nach dem jüngsten Urteil untergebracht wird, ist unklar. Das solle zum Schutz des Mannes geheim bleiben, teilt ein Sprecher der Staatsanwalt auf Anfrage mit. Ulm wird es nicht sein. „Das können Sie nicht verantworten“, sagt Ulrich Schiefelbein. Denn wenn sich die Taten des Mannes herumsprächen, könne das eine Gefahr für ihn darstellen. Die lässt sich aber auch anderswo nicht ausschließen. „Es gibt einen Buschfunk“, bestätigt Schiefelbein. Auch in anderen Gefängnissen könnten die brutalen Übergriffe aus Ulm bekannt werden. Wie der 19-Jährige in Zukunft untergebracht wird, werde in der entsprechenden Anstalt entschieden, sagt der Ulmer Leiter. „Man wird da Maßnahmen ergreifen“, sagt er unbestimmt.

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