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Foto: Ralf Lienert
Foto: Ralf Lienert

Auch in Ulm soll es künftig "Stolpersteine" zum Gedenken an Opfer des NS-Regimes geben. Unser Bild zeigt ein Beispiel aus Kempten.

Ulm
17.02.2014

Stolpersteine halten die Erinnerung lebendig

Von Marcus Golling

Messingschilder sollen auf frühere Wohnorte von NS-Opfern in Ulm hinweisen. Dafür braucht es freiwillige Helfer.

Der Nationalsozialismus brachte auch in Ulm vielen Unschuldigen Vertreibung, Deportation oder Tod: Juden, Zeugen Jehovas, Roma, Deserteure, politisch Verfolgte, Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischen Krankheiten. Nach Schätzungen von Silvester Lechner, dem früheren Leiter des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg (DZOK), dürften es mehrere hundert sein. Ihrer soll bald auf besondere Weise gedacht werden: An mehreren Plätzen in der Stadt sollen „Stolpersteine“ verlegt werden – wie sie bereits in mehr als 500 Orten in Deutschland und anderen europäischen Ländern an die zehntausende Opfer des NS-Regimes erinnern.

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Die Stolpersteine sind eine Aktion des Künstlers Gunter Demnig. Anlässlich des 50. Jahrestags der Deportation von 1000 Roma und Sinti aus Köln entwickelte er 1990 die Idee, kleine Steine mit Gedenktafeln aus Messing in das Pflaster oder den Asphalt vor den jeweils letzten frei gewählten Wohnhäusern der Opfer einzulassen. Dem Beispiel sind inzwischen viele Städte und Gemeinden gefolgt: So gibt es unter anderem in Stuttgart oder Kempten Stolpersteine.

Auch in Ulm wurde diese Form der Erinnerung bereits diskutiert, vor acht Jahren aber vertagt: Lechner zufolge habe man zunächst eine historische Studie zu den Lebensumständen vor allem der jüdischen Opfer abwarten wollen. Diese liegt seit 2009 in Form von Ingo Bergmanns Gedenkbuch „Und erinnere dich immer an mich“ vor, seit kurzem auch in englischer Sprache. Deswegen startet nun ein neuer Anlauf, getragen und unterstützt von Institutionen wie dem DZOK, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und dem Stadtarchiv. Die Vorbereitungen dafür laufen seit nunmehr zwei Jahren.

Um die Stolpersteine auch nach Ulm zu bringen, werden Freiwillige gesucht – und keineswegs nur, um die genannten Einrichtungen zu entlasten, wie die aktuelle DZOK-Leiterin Nicola Wenge erklärt: Es sei entscheidend, dass die Initiative von der Bürgerschaft selbst getragen werde, um sie auch in der Bevölkerung zu verankern. Am kommenden Mittwoch, 19. Februar, findet im DZOK, ein erstes Treffen statt, bei dem jeder vorbeikommen kann, der sich für das Erinnerungsprojekt interessiert und sich dafür engagieren will.

Zu tun gebe es genug – die Beschaffung der 120 Euro, die ein Stolperstein kostet, ist NS-Forscher Lechner zufolge das geringste Problem. Umfangreicher und ebenso wichtig sein die Hintergrundarbeit: Informationen zu den Opfern und ihren Wohnhäusern müssen recherchiert, Faltblätter geschrieben, Hausbesitzer überzeugt sowie Verwandte oder Vertreter von Opfergruppen kontaktiert werden. Nach dem Start sollen regelmäßige Arbeitstreffen stattfinden. „Wenn man es vernünftig macht, ist es ein richtig großes Projekt“, sagt Historikerin Wenge.

Dieses endet derzeit allerdings noch an der Stadtgrenze Ulms, auch wenn laut Andrea Schiele von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Kontakte nach Neu-Ulm existieren. „Es besteht bei uns eine prinzipielle Offenheit über die Donau hinweg.“ Starten werden die Stolpersteine aber zunächst nur in Ulm – Freiwillige von der bayerischen Donauseite seien aber ebenso willkommen.

Erstes Treffen am Mittwoch, 19. Februar, um 20 Uhr im DZOK, Büchsengasse 13.

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