
Die vielen Seiten der Corona-Krise: Gastro und Handel droht die Katastrophe

Plus Beim Konjunkturgespräch der IHK wird deutlich, warum der Schrecken kürzer anhalten könnte als bei der Finanzmarktkrise – dem Handel drohe dennoch die Katastrophe.

Die Corona-Pandemie bringt nicht nur Verlierer hervor. Wie Jan Stefan Roell, der Präsident der Ulmer Industrie- und Handelskammer (IHK), bei dem online abgehaltenen Konjunkturgespräch sagte, hätten grob geschätzt 20 bis 25 Prozent der Unternehmen der Region durch das Grassieren des neuartigen Virus höhere Umsätze als sonst. Als profitierende Branchen gelten etwa Firmen, die die Digitalisierung vorantreiben oder Unternehmen aus dem großen Gesundheitssektor.
Die Industrie profitiert von China
Dennoch sind die Corona-Gewinner eine Minderheit: 60 Prozent der Unternehmen der Region würden leiden, seien teils in einer dramatischen Situation und hätten die Sorge, die Krise nicht zu überstehen. Insbesondere Dienstleistungen, Gastronomie und der Einzelhandel seien die Hauptleidtragenden.
Gastredner Professor Stefan Kooths, Leiter des Forschungsbereichs Konjunktur und Wachstum am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, machte allerdings Hoffnung: Es sei zu erwarten, dass sich die Firmen schneller als von der jüngsten Wirtschaftskrise erholen würden, die 2008 ihren Anfang nahm. Denn die derzeitige Krise sei von einem äußeren Schock – dem Virus – ausgelöst worden. Die vergangene Weltwirtschaftskrise sei im Gegensatz durch innere Fehlentwicklungen ausgelöst worden. Insbesondere die Industrie profitiere von Aufträgen aus Asien. China, ein großer Absatzmarkt für Deutschland, habe sich von der Pandemie weitgehend erholt.
Eine Normalisierung der Situation sei für Mitte des Jahres zu erwarten. Für Firmen und den Einzelhandel seien nach dem historischen Einbruch enorme Zuwächse zu erwarten – sofern sie überhaupt die Krise überstehen. Konsumnahe Branchen könnten nach der Krise von enormen Beträgen profitieren, die sich auf bundesdeutschen Konten befänden. Durch ausgefallene Urlaube, stornierte Konzertkarten oder abgeblasene Restaurantbesuche hätten sich dort 200 Milliarden Euro zusätzlich angesammelt.
Lockdown ist eine Katastrophe für Teile des Handels und der Gastronomie rund um Ulm
200 Milliarden, die anderswo fehlen. Vor diesem Hintergrund schlug im Vorfeld Friedrich Kolesch, der Vizepräsident der IHK Ulm, Alarm: „Für viele Betriebe zählt jeder Tag. Denn nach dem herausfordernden Jahr 2020 ist das Eigenkapital vielfach aufgebraucht. Die Lage spitzt sich mit jedem Tag, den die Unternehmen geschlossen haben müssen, zu, obwohl diese hinreichend Hygienekonzepte entwickelt und umgesetzt haben und unter den Mitarbeitern praktisch keine Erkrankungen vorgekommen sind.“ Die Verlängerung des Lockdowns sei eine Katastrophe für Teile des Handels und der Gastronomie.
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IHK fordert eine echte Entschädigung für die Betriebe
Die aktuell vom Lockdown betroffenen Betriebe erbringen nach Meinung der IHK ein Sonderopfer in der Pandemie. „Wenn diese Branchen zum Schutz der Bevölkerung komplett schließen müssen, fordern wir im Gegenzug eine echte Entschädigung für die betroffenen Unternehmen“, so Kolesch. Diese muss nach Meinung der IHK sämtliche anfallenden Kosten sowie den Wertverlust der Ware, die zunehmend unverkäuflich werde, umfassen. Der nur teilweise Ausgleich von Fixkosten reiche auf Dauer selbst bei jahrelang gut geführten Unternehmen nicht zum Überleben. Zudem kritisiert die IHK, dass die Hilfszahlungen und Entschädigungen für den November und Dezember 2020 nur schleppend in Gang gekommenen seien.

Für IHK-Präsident Jan Stefan Roell (66) war das Konjunkturgespräch das letzte, das er als Chef der Zwick-Roell-Gruppe moderierte. Nach knapp 30 Jahren an der Unternehmensspitze wechselt Roell Mitte des Jahres als Vorsitzender in den Aufsichtsrat der Firma.
Sein Nachfolger wird Klaus Cierocki (54), der bisher den Unternehmensbereich Engine Systems beim Automobilzulieferer Schaeffler leitete und zu Jahresbeginn in den Vorstand des Ulmer Maschinenbauers eintrat.
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