
Ein Jahr Gleis 44 in Ulm: Kulturzentrum ist in der Spur

Seit einem Jahr gibt es das junge Kulturzentrum im Ulmer Dichterviertel. Für die Macher waren die ersten Monate anstrengend – und erfolgreich.
Ein bisschen wundert sich Samuel Rettig sogar selbst, was er und seine Mitstreiter geschafft haben: Seit einem Jahr gibt es nur das Kulturzentrum Gleis 44 an der Schillerstraße – und aus einer Spinnerei ist längst eine Konstante im Ulmer Kultur- und Nachtleben geworden. „Wir selbst und die ganze Region hatten nicht erwartet, dass wir so ein großes Ding aufziehen“, sagt der 21-Jährige.
Drei Jahre lang dürfen Rettig und seine Kollegen Paul Kost und Raffael Schmidt das Gebäude im Dichterviertel mietfrei nutzen, bevor es einer Neubebauung weichen muss. Sie hatten sich 2018 gegen 18 weitere Bewerber durchgesetzt. Ihr Konzept: Sie wollten vor allem für wirklich junge Menschen eine Anlaufstelle schaffen. Und nach einem Drittel der Zeit fällt die Bilanz positiv aus. „Das erste Jahr war superanstrengend, superaufregend und superspaßig“, sagt Rettig.
Nachtschwärmer schätzen vor allem die Elektro-Partys im Gleis 44
In den zwölf Monaten seit der Eröffnung ist im Gleis 44 viel passiert. Bei Nachtschwärmern sind vor allem die Techno-Clubabende beliebt, aber in der Schillerstraße gehören auch ganz andere Töne zum Programm. „Die Klassikkonzerte waren immer ausverkauft, einmal mussten wir sogar 50 Leute wegschicken“, erinnert sich Rettig. Auch vieles andere fand im Gleis 44 und davor im Biergarten sein Publikum: Vorträge, Workshops, sogar ein Ballett zu Weihnachten. Nur wenige Ideen hätten nicht gezündet – schade findet Rettig vor allem, dass die Jazzkonzerte im Club nur wenig besucht wurden.
Das Gleis 44 besteht aus vielen Menschen, wie Rettig betont: „Wir sind ein riesiges Kollektiv.“ Zu den mittlerweile sechs hauptamtlichen Mitarbeitern kämen rund 50, die ebenfalls mithelfen, in der Gastronomie, bei Baumaßnahmen, am DJ-Pult. Im September beginnen sogar zwei aus dem Helferteam eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann in dem Kulturzentrum. „Das ist super für sie und super für uns“, freut sich der Geschäftsführer.
Die Gruppe "Ulm macht Welle" fand sich in dem Kulturzentrum an der Schillerstraße
Weiterhin ein gutes Miteinander bestehe auch mit den Kreativen und Initiativen, die das Gebäude ebenfalls nutzen: Es habe ein paar Änderungen gegeben, so sei Künstler Mark Klawikowski in ein größeres Atelier gezogen, während der Verein Menschlichkeit Ulm sein Büro im Gleis eingerichtet hat. Ein bisschen stolz ist Rettig, dass sich die Gruppe „Ulm macht Welle“, die sich für eine stehende Welle einsetzt, im Kulturzentrum gefunden hat. Und er ist froh, dass inzwischen viele Kooperationen mit anderen Ulmer Institutionen bestehen, unter anderem mit der Jungen Ulmer Bühne (JUB) sowie diversen Uni- und Hochschul-Gruppen.
Das größte Problem der Anfangszeit haben die Gleis-Macher nach eigenen Aussagen in den Griff bekommen: die Lautstärke. Man habe am Gebäude und an der Anlage einiges gemacht, damit möglichst wenig Lärm nach draußen dringt, sagt Rettig, und mit den Nachbarn sei man ständig im Dialog.
Es gibt also genügend Gründe, den ersten Geburtstag zu feiern: Am Samstag, 31. August, gibt es von 17 Uhr bis zur Sperrstunde überall auf dem Gelände Programm, von Kammermusik über Live-Malerei bis hin zu DJ-Auftritten des gesamten „Kollektivs Schillerstraße“ im Club.
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