
Silvester Lechner ist 75: Sein Engagement nimmt nicht ab

Auch mit 75 Jahren ist Silvester Lechner, früherer Leiter des DZOK in Ulm, seinen Lebensthemen verbunden. Was ihn antreibt.
Zehn Jahre ist es her, dass Silvester Lechner sich von seiner Position als erster Leiter des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg (DZOK) in den Ruhestand verabschiedete. In der Öffentlichkeit ist er seitdem weniger präsent – doch in seinen Lebensthemen weiter engagiert: ein Rückblick zum 75. Geburtstag, den der in Oberbayern geborene promovierte Historiker in dieser Woche feierte.
Vom „Kuchen meines Daseins“ spricht der in Thalfingen lebende Vater von zwei erwachsenen Kindern. Ein Stück dieses Kuchens gehört seinem Garten, denn die Liebe zur Natur und auch zu den Bergen gibt dem Wissenschaftler viel, der Träger des German Jewish History Awards der Obermayer-Foundation und des Bundesverdienstkreuzes ist. Lächelnd zeigt Lechner die Weintrauben und die Birnen, die in der Sonne reifen.
Ulm: Ex-Chef Silvester Lechner bleibt dem Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg (DZOK) verbunden
Dem DZOK ist Lechner weiterhin verbunden, und mit der Arbeit seiner Nachfolgerin Nicola Wenge ist er sehr einverstanden, wie er sagt. Den Löwenanteil seines Engagements, das er auch jetzt im Alter von 75 Jahren nicht reduzieren wird, macht die weitere Beschäftigung mit seinen Lebensthemen aus – der Kontakt mit den Nachfahren früherer jüdischer Ulmer Familien, von denen Mitglieder den Holocaust überlebten.
Da ist ein Schwerpunkt die Forschung für die „Stolperstein“-Setzungen für Opfer des NS-Regimes. Lechner steht in Kontakt mit dem Künstler Gunter Demnig, der die Steine zur Erinnerung an Opfer des NS-Regimes verlegt – über 70000 inzwischen bundesweit. „Neue und tiefere Recherchen sind da wichtig“, sagt Lechner. „Es kann nicht sein, dass man die Opfer auf ihre Lebensdaten reduziert.“ Familiengeschichten und Zusammenhänge zu recherchieren sei ihm ein Ziel, bei dem ihm gerade seine intensiven Kontakte in die USA helfen.
Engagement für Erinnerung an den Holocaust
Karin Franklin, in New York lebende Stiftungsrätin der Stiftung Erinnerung Ulm ist Lechner hierbei eine wichtige Kontaktperson. „Die Generation jüdischer Holocaust-Überlebender, die in der NS-Zeit Kinder waren und Deutschland mit dem Begriff Heimat verbinden, hat viele Erinnerungen und weiß, dass Deutschland nicht nur aus jenen bestand, die den Nationalsozialismus wollten“, sagt Lechner. „Der zweiten und dritten Generation ist das aber schwer zu vermitteln, sie haben Pauschalurteile und Stereotypen, in deren Mittelpunkt der Nationalsozialismus steht.“ Es werde so bleiben, sagt Lechner: „Wenn Schüler ins Ausland gehen, werden sie als Erstes mit der NS-Zeit konfrontiert. Deutschland hat Verantwortung.“
Und weil Lechner, der seine berufliche Laufbahn an der Ulmer Vh als Leiter des Fachbereichs Politik, Gesellschaft und Geschichte begann, ein großes Herz für Verfolgte und Menschen hat, die ihre Heimat verloren, engagiert er sich seit drei Jahren als persönlicher Betreuer für zwei Flüchtlinge aus Syrien. „Der persönliche Kontakt ist mir wichtig. Ich will nicht nur geschichtlich tätig sein, sondern auch in der Gegenwart etwas machen.“
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