Warum bemerkt niemand Horror hinter Gittern?
Gefängnisleiter Schiefelbein spricht über die begrenzten Möglichkeiten des Wachpersonals in Vollzugsanstalten.
Auf exakt 18,03 Quadratmetern erlebte ein 61-Jähriger die Hölle auf Erden: Haftraum 127 der Ulmer Vollzugsanstalt am Frauengraben wurde,wie berichtet, im November vergangenen Jahres zum Tatort unvorstellbarer Gewalt. Ein 19-jähriger Mithäftling misshandelte den Mann vier Tage am Stück derart bestialisch mit einer Gabel, sodass er fast an den Folgen eines Darmrisses gestorben wäre.
Dies war nicht der erste Fall exzessiver Gewalt im Knast am Frauengraben: Im Februar dieses Jahres wurden bei einem Prozess vor dem Landgericht bereits grausame Rituale öffentlich: Neuankömmlingen des Jugend-Untersuchungsgefängnisses wurde in der Dusche aufgelauert, sie wurden geschlagen, beinahe vergewaltigt und gezwungen, einen Cocktail aus Urin, Kot und Zigarettenasche zu trinken. Initiator und Hauptakteur der Vorfälle, die sich bereits im Oktober und November 2013 zutrugen, war ein 19-jähriger Häftling. Der Anwalt des Hauptangeklagten sprach damals von einem Versagen in der Justizvollzugsanstalt. Mehr dazu hier. Vorwürfe, die Ulrich Schiefelbein, der Leiter der Justizvollzugsanstalt Ulm, damals wie heute nicht gelten lassen will. Schiefelbein zeigt sich auf Nachfrage unserer Zeitung bestürzt von der Massivität der Gewalt. Doch diese lasse sich leider nicht komplett verhindern. Zumal auch in Ulm derartige Vorfälle selten seien: „Vier Jahre liegen dazwischen“, sagt Schiefelbein. Vier Jahre, in denen nichts passiert sei. In der Tat ist Gewalt in deutschen Gefängnissen Alltag: Jeder vierte Häftling wird hinter Gittern im Laufe eines Monats Opfer von körperlichen Übergriffen. Das geht aus einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen aus dem Jahr 2012 hervor. Die befragten Gefangenen berichteten von sexuellen Übergriffen, von Schlägen im Sportraum, von Vergewaltigungen in der Gemeinschaftsdusche. Als besonders gefährliche Orte entpuppten sich laut Studie die Gemeinschaftszellen sowie unübersichtliche Flure, Duschen und Freistundenhöfe mit dunklen Ecken. Fast die Hälfte der Opfer gab an, keine Anzeige erstattet zu haben.
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