
Mit ihren Plagiaten überschreiten die "Spaziergänger" Grenzen

Plus Die Corona-Demonstranten machen sich ein Ausstellungsplakat zu eigen und vereinnahmen neben dem Museum Ulm ausgerechnet auch Otl Aicher für ihre Botschaften.
Es ist zwar deutlich ruhiger geworden als zu den Hochphasen der Freitagsspaziergänge, als mehrere 1000 Menschen in Ulm und Neu-Ulm gegen die Corona-Impfung und das Maskentragen auf die Straße gingen. Doch noch immer spazieren die Demonstranten – jeden Freitagabend. Mit der Nutzung eines fremden Motivs, des Werbeplakats für die Ausstellung "Protest! gestalten" im Museum Ulm, überschreiten sie mehrere Grenzen.
Querdenker-Werbung schädigt Image des Museums Ullm
Das ist zum einen das Urheberrecht. Ein klar geregeltes Gesetz, das eigentlich jedem, auch den Organisatoren der Demos, bekannt sein dürfte und das mit dem dreisten Kopieren des Plakats samt Ausstellungstitel zweifelsohne überschritten ist. Dagegen können die Betroffenen immerhin juristisch vorgehen, was mit einer Unterlassungsverpflichtung im ersten Schritt schon geschehen ist. Zum anderen bringen sie mit der gekaperten Werbung auch das Museum Ulm in Verruf. Denn viele Passantinnen und Passanten erkennen das Motiv mit der noch oben gereckten Faust und dem Kreuz als Museumswerbung, mit der die Einrichtung schließlich großflächig für ihre Ausstellung wirbt. Ein Imageschaden, der sich leider nicht so leicht reparieren lässt.
Dazu kommt: Die Ausstellung beschäftigt sich ausgerechnet mit den Werken Otl Aichers – ein Mann, der sich über eine solche Vereinnahmung wohl zutiefst geärgert hätte. Otl Aicher war nicht nur einer der prägendsten Gestalter des 20. Jahrhunderts – er war zeitlebens ein politischer Mensch, der protestierte, wenn sich Dinge in die falsche Richtung entwickeln, und dem zuallererst Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wichtig waren. Im Teenageralter verweigerte er den Eintritt in die Hitlerjugend. 1946, unter dem Eindruck der erst zu Ende gegangenen Nazi-Zeit, gründete er mit seiner Frau Inge Aicher-Scholl, der Schwester von Hans und Sophie Scholl, die Ulmer Volkshochschule. Gerade demokratische Grundwerte sollten dort vermittelt werden. Auch die vom Ehepaar Aicher mitbegründete HfG entstand aus diesen Beweggründen.
Allein aus Eigeninteresse sollten die Demo-Organisatoren dafür sorgen, dass die plagiierten Plakate bald verschwinden. Immerhin sind beim Amtsgericht Ulm derzeit noch zwei Verfahren im Zusammenhang mit den "Spaziergängen" anhängig.
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Vielleicht wäre Otl Aicher auch auf eine Anti-Corona Maßnahmen-Demo gegangen !