
Wie ein Neu-Ulmer Goldschmied in den Kreis der ganz Großen gelangte

Plus Goldschmied Wolf-Peter Schwarz hat Alfonso Anzivino als seinen Nachfolger ausgewählt. Nun ist der 46-Jährige gefragt wie nie – und steht vor schweren Entscheidungen.
Alfonso Anzivino strahlt übers ganze Gesicht. Der Goldschmied ist gerade von der Inhorgenta zurück, der größten Uhren- und Schmuckmesse der EU und der zweitgrößten Europas. Dort hat sich für den in Pforzheim aufgewachsenen und in Neu-Ulm tätigen Spross einer italienischen Familie ein Traum erfüllt, den er bis vor einigen Monaten nicht einmal zu träumen gewagt hatte: Anzivino durfte sich in München in der exklusiven "Fine Jewelry"-Halle präsentieren – "meisterliche Goldschmiedekunst" und "opulentes Design" lobten die Messeveranstalter.
Als Newcomer unter den ganz Großen der Schmuckwelt – "utopisch" sei ihm das vorgekommen. Er habe schon länger damit geliebäugelt, als Aussteller auf die Inhorgenta zu kommen. Im Gespräch mit Juwelieren habe man ihm den "Lifestyle"-Bereich vorgeschlagen. Der Nachfolger des früheren Ehinger-Schwarz-Chefs Wolf-Peter Schwarz bewarb sich – und wurde für die exklusivste der Hallen eingeladen. Die Fachwelt fragte: "Wer ist das überhaupt?" Ein Schmuckdesigner, der bislang nur in Italien auf Messen war und nun erstmals in Deutschland ausstellt? "Dabei war es meine erste Ausstellung überhaupt", sagt der 47-Jährige lachend.
Und diese Messe war für ihn ein voller Erfolg – Aufträge und Kontakte mit Juwelieren, die seine Produkte verkaufen wollen, brachte ihm der Auftritt. Aber auch schwere Entscheidungen: Das glanzvollste Stück seiner "Vivaldi"-Kollektion, ein Unikat, in dem der 46-Jährige die vier Jahreszeiten zu einem Zyklus vereint, wollen gleich zwei Personen haben. Unikate aber haben es an sich, dass sie einmalig sind. Mainstream passe für ihn ohnehin nicht, gibt der Goldschmied zu. Er schaffe Stücke, die man entweder liebt – oder mit denen man gar nichts anfangen kann. Weil sie opulent sind, detailverliebt, alles andere als kühl.
Neu-Ulmer Goldschmied gibt den Ulmerinnen ihren Schmuck wieder
Ihn überraschte, sagt Alfonso Anzivino, dass alle seine vier vorgestellten Schmucklinien auf hervorragende Resonanz stießen: die Jahreszeiten-Kollektion "Vivaldi", die als Hommage ans Meer in schimmernden Blau- und Türkistönen gearbeitete Linie "Mare", die fast schon provozierende "Leonardo"-Linie und die Neuauflage und Neuinterpretation klassischen Ulmer Schmucks. Ulmer Schmuck wurde vom Juwelier Robert Merath entwickelt, als nach dem Tod des Königs Albert von England im Jahr 1861 schwarzer Trauerschmuck von England her in Mode kam.
Die Ulmer, gerade im Taumel des Beschlusses, den höchsten Kirchturm der Welt fertig zu bauen, entwickelten eine eigene Art dieses schwarzen Schmucks, der ursprünglich aus Gagat hergestellt wurde und später aus Onyx: Mit goldenen Blättchen und Kugeln entstand eine eigene Marke – wobei im Grunde der schwarze Schmuck zu seinen Wurzeln zurückkehrte, denn bereits in der Bronzezeit wurde in der Region gern Gagat für Schmuckperlen verwendet. Bei dem Material handelt es sich um fossiles Holz am Übergang zwischen Braun- und Steinkohle. Alfonso Anzivino interpretiert den klassischen Ulmer Schmuck, den die Frauen der Fischerfamilien traditionell beim Fischerstechen tragen, neu: mit rhodiniertem Silber statt dem sonst verwendeten Gold, oder mit goldumfassten geschliffenen Onyxsteinen. Oder aber doch auch ganz klassisch: Ein Newcomer mit italienischen Wurzeln gibt den Ulmerinnen ihren Schmuck wieder.
Alfonso Anzivino ist bereit für die nächste Inhorgenta eingeladen
Die Zukunft? Alfonso Anzivino ist bereit für die nächste Inhorgenta eingeladen. Dass jetzt die Arbeit richtig beginnt, wenn er oben bleiben will, ist ihm klar. Eine eigene Punze hat er inzwischen – einen Schlagstempel, der unter anderem im Goldschmiedehandwerk verwendet wird. Anzivino schmunzelt dabei. "Wenn in tausend Jahren Archäologen Schmuck von mir ausgraben, hilft ihnen das vielleicht, ihn zuzuordnen. Der Schmuck wird mich überleben!"
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