Der Kapitän ist mal wieder vorangegangen. Wie bei den Aufstiegsfeierlichkeiten vor fast genau einem Jahr verfasste Johannes Reichert einen emotionalen Beitrag in den sozialen Netzwerken. Nach dem vorzeitigen Abstieg des SSV Ulm 1846 Fußball aus der 2. Bundesliga schrieb er an die Fans der Spatzen gerichtet: „Es tut mir leid. Wir haben alles gegeben, aber wir haben es nicht geschafft. Das ist hart und tut einfach nur weh. Danke, dass ihr immer an uns geglaubt und bis zum Schluss bedingungslos unterstützt habt. Dass wir euch nicht mit dem Klassenerhalt belohnen konnten, bricht mir mein Herz. Ihr hättet es mehr als verdient gehabt.“
Der 33-Jährige durchlebte am Samstagabend nach dem 1:6 im Hamburger Volkspark ein Wechselbad der Gefühle wie wohl kaum ein anderer Spieler in seiner Mannschaft. Denn Reichert steht offen dazu, dass sein Herz – nicht das des Profisportlers, sondern das, des Fußballfans – neben seinem Heimatverein für den HSV schlägt. Der hatte nach sieben Jahren Abstinenz mit dem klaren Erfolg gegen den SSV die Rückkehr in die Bundesliga geschafft. Der Spatzen-Kapitän, der nach seiner Oberschenkelverletzung für einen Kurzeinsatz auf den Rasen zurückkehrte, schrieb dazu: „Glückwunsch an den HSV zum Aufstieg. [...] Endlich (und hoffentlich für immer) wieder 1. Liga. Ihr habt es euch verdient.“
Von den Sportplätzen der Oberliga bis in die größten Arenen Deutschlands
Auf der anderen Seite gingen ihm aber auch die Bilder der vergangenen Jahre durch den Kopf. Der Weg von den Sportplätzen der Oberliga bis in die schönsten und größten Arenen Deutschlands. Beim Bezahlsender Sky sagte er: „Ich habe in Ulm bei den Bambini angefangen, ich habe heute glaube ich mein 447. Spiel für diesen Verein gemacht und ich habe den Höhepunkt meiner Karriere mit diesem Jahr erwischt – mit meinem Heimatverein in der 2. Bundesliga zu spielen. Der Abstieg wird für unseren Verein kein Beinbruch sein. Der SSV Ulm 1846 wird niemals untergehen – dafür werde ich schon sorgen.“
Der Aufsteiger hatte sich das Leben in den vergangenen Wochen selbst schwergemacht. Zwei Eigentore und zwei verschossene Elfmeter mitten in der heißesten Phase des Abstiegskampfes verzeiht auch der gnädigste Fußballgott nicht. Trainer Robert Lechleiter, der wie die gesamte Mannschaft mit der vollsten Überzeugung nach Hamburg gefahren war, beim Spitzenreiter nicht chancenlos zu sein, machte seiner Mannschaft trotzdem keinen Vorwurf. Der Druck sei schließlich enorm gewesen. Der 44-Jährige zitierte als Gesamtfazit der vergangenen beiden Spiele Fußball-Weltmeister Andreas Brehme und sagte: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“
Das sagt SSV-Geschäftsführer Markus Thiele zum Abstieg der Spatzen
Auch SSV-Geschäftsführer Markus Thiele war die Enttäuschung anzusehen. Er meinte: „Von der Saison-Leistung her hätten wir auch Zehnter werden können. So absurd das klingt. Wir waren in den bisher gespielten 33 Partien fast nie deutlich schlechter. Dennoch steigen wir ab, weil wir uns zu selten belohnt haben. Das ist bitter. Aber: Bei uns geht die Welt jetzt nicht unter. Hier wird solide gearbeitet und gewirtschaftet und wir sind vorbereitet. Wir gehen erhobenen Hauptes. Und wir kommen wieder.“
Die Chance zum versöhnlichen Abschluss bietet sich am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) im letzten Zweitliga-Spiel gegen Preußen Münster. Während die Gastgeber in dieser Partie nun frei aufspielen können, geht es für den Mitaufsteiger noch um alles. Münster braucht im Donaustadion einen Sieg, um das Fernduell um den Relegationsplatz mit Braunschweig und Fürth für sich zu entscheiden.
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