Wenn Cosma Müller über Aerobic spricht, dann leuchten ihre Augen. Und wer ihr zuhört, der würde nicht denken, dass sie erst 20 Jahre alt ist. Ganz im Gegenteil: Die junge Frau wirkt abgeklärt, authentisch, locker – irgendwie cool. „Ich bin diszipliniert und zielstrebig, mache meinen Sport aber mit Liebe und Leidenschaft, ich zwinge mich zu nichts.“ Vielleicht ist es genau diese Einstellung, die Cosma Müller so erfolgreich macht. Kürzlich hat sie zum dritten Mal die deutsche Meisterschaft gewonnen. Dabei geht es ihr gar nicht vorrangig um Medaillen oder Titel.
Cosma Müller studiert Psychologie
Eine Sache wird im Gespräch mit Cosma Müller direkt klar: Das, was sie anpackt, hat Hand und Fuß. Sie ist diszipliniert, aber nicht verbissen. Anders würde es vermutlich auch nicht funktionieren. Denn Aerobicturnen auf Profiniveau und ein Psychologiestudium gehen nicht unbedingt Hand in Hand.
Der Sport verlangt ihr viel ab. Fünf Trainingstage pro Woche über jeweils drei Stunden, das macht 15 Stunden reine Trainingszeit. Diese setzt sich aus Kraft-, Choreografie- und Stabilitätseinheiten zusammen. Die 20-Jährige beschreibt ihre Sportart als eine Mischung aus Turnen, Tanz und Gymnastik. Auf einer speziellen Matte, die ein wenig federt, führt Cosma Müller eine Kür aus. Diese dauert 80 Sekunden. Es werden verschiedene Elemente kombiniert. Dazu zählen Spagatsprünge, Ratwenden und FlicFlacs. Hinzu kommen spezielle Elemente, wie Sprünge, die im Liegestütz enden. „Das geht auf die Gelenke und die Muskeln“, betont sie. Oft werde unterschätzt, wie viel Ausdauer für das Aerobicturnen nötig sei: „Man denkt, das sind doch nur eine Minute und 20 Sekunden. Aber die Zeit hat es total in sich.“ Cosma tritt auch im Team an. Dabei geht es vor allem um Koordination, Synchronisation und Kraft. Balanceelemente müssen unter höchster Anstrengung sorgfältig ausgeführt werden.
Mit zwölf Jahren kam Cosma Müller zum SSV Ulm 1846
Angefangen hat sie mit dem Aerobicturnen nicht in Deutschland, sondern in Frankreich. Der Grund: Die Familie musste berufsbedingt umziehen. Da war Cosma gerade sechs Jahre alt. In einer Sport-Spaß-Gruppe, wie sie es selbst bezeichnet, ging alles los. „Da hat man ein bisschen geturnt und ich war damals schon ein bisschen aufmüpfig, extrovertiert und hab mein Ding durchgezogen“, erinnert sie sich mit einem Lächeln: „Dann wurde ich in eine Leistungsgruppe gesteckt.“ Sechs Jahre später ging es zurück nach Friedrichshafen, die Leidenschaft für das Aerobicturnen blieb. Seit 2017, also seit sie zwölf Jahre alt ist, startet sie für den SSV Ulm 1846.
Cosma Müller hat bisher drei deutsche Meisterschaften gewonnen, den letzten Titel vor wenigen Wochen beim Turnfest in Leipzig. Der emotionalste Sieg: die Meisterschaft 2024. „Das war ziemlich hart, die Vorbereitung war schlimm, sie ging gesundheitlich echt an die Grenzen. Es war sehr unsicher, ob ich den Wettkampf überhaupt bestreiten kann. Dass ich dann den Titel geholt habe, war unglaublich.“ Die 20-Jährige erlitt im letzten Training vor dem Wettkampf einen Zusammenbruch. Es ging ihr körperlich und mental nicht gut.
Die Wochen vor den Meisterschaften seien immer intensiv und körperlich sehr anstrengend, erklärt Cosma Müller. Wichtig ist ein verlässlicher und konstanter Rückhalt. Den hat sie in ihren Eltern und Geschwistern, die in Friedrichshafen leben. „Ich bin ein großer Familienmensch.“, betont Cosma Müller.
Trotz der drei Titel hat sich ihr Blick auf den Sport nicht verändert. Es werde nie langweilig, erklärt Cosma. Die deutsche Meisterschaft sieht sie als einen Zwischenschritt auf dem Weg in das internationale Geschäft. Im März hat sie bereits ihren ersten Sieg in einem internationalen Wettkampf bei den Erwachsenen gefeiert. Und zwar in Frankreich, also dort, wo die sportliche Karriere ihren Lauf nahm. Cosmas Ziel: Jedes Jahr aufs Neue deutsche Meisterin werden, bei den Welt- und Europameisterschaften erfolgreich abschneiden – und die World-Games gewinnen – das ist das größte Event im Aerobicturnen, eine Art Pendant zu den Olympischen Spielen. Bei den World-Games werden Wettkämpfe in Sportarten ausgetragen, die nicht zum Olympischen Programm gehören. 2029 finden sie in Deutschland statt. Dass Aerobicturnen nicht olympisch ist, dafür fehlt Cosma Müller jedes Verständnis: „Wir stellen ständig Anträge, aber die werden immer abgelehnt.“
Davon lässt sie sich aber mitnichten unterkriegen. Denn Erfolg definiert sie eben nicht vorrangig über Medaillen und Titel: „Erfolg ist für mich, wenn Menschen auf Meisterschaften oder über Social Media auf mich zukommen und mir mitteilen, dass sie meine Leistung toll fanden und dass ich etwas rübergebracht habe.“
Vielleicht ist es genau das, was Cosma Müller so gut in ihrem Sport macht: Fleiß gepaart mit Leichtigkeit. Aber auch sie ist nicht frei von Druck. Am meisten hat Cosma Müller mit dem Druck zu kämpfen, den sie sich selbst macht: „Ich bin sehr streng mit mir und erwarte viel.“ Eigentlich gute Trainingseinheiten sind in ihrer Wahrnehmung dann auch schnell mal schlecht. Aber in diesbezüglich habe sie sich schon weiterentwickelt, sagt sie. Weiterentwickeln müsste sich aus Cosmas Sicht auch die öffentliche Wahrnehmung des Aerobicturnens: „Man assoziiert das immer noch oft mit dem Aerobic aus den 80er-Jahren. Jane Fonda, das ist so der Klassiker. Viele sehen nicht, was dahinter steckt.“
Cosma Müller will später als Mentalcoach arbeiten
Cosma Müller hat auch für die Zeit nach ihrer aktiven Karriere klare Pläne. Sie möchte als Mentalcoach arbeiten und Teams oder Individualsportler begleiten. Deswegen studiert sie Psychologie.
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