Am Anfang eines solchen Textes kann niemand anderes stehen als Christian Lindner. Der mittlerweile gescheiterte FDP-Vorsitzende hat als 18-jähriger Jungunternehmer vollmundig behauptet, Probleme seien nur dornige Chancen. Ist es demnach ein Problem, wenn ein Kabarettist in einem allerhöchstens halbvollen Ulmer Zelt auftritt? Nicht für jemanden wie Timo Wopp. Der ergreift die „dornige Chance“ souverän – und arbeitet sich im Laufe des Abends virtuos unter anderem an solchen Wirtschafts-Phrasen ab, die eben jemand wie Lindner im Laufe seiner Polit-Karriere in unschöner Häufigkeit in die Welt geblasen hat.
Wer Timo Wopp nicht erlebt hat, hat etwas verpasst
„Nur“ 120 Zahlende im Zelt? Man habe ja nicht Hinz und Kunz im Publikum haben wollen, sondern nur die „Besten der Besten zwischen Ulm, Neu-Ulm und Langenau“, verkündet Timo Wopp und legt in der Folge einen verbalen Galopp-Abend hin, der all jenen, die sich nicht durchringen konnten, seine Show zu besuchen, in den Ohren klingeln müsste: Die haben tatsächlich was verpasst. Timo Wopp, der auch zuweilen die ZDF-Satire-Institution „Die Anstalt“ bereichert, ist ein unfassbar guter Alleinunterhalter. Er spricht ununterbrochen ohne Punkt und Komma, als würde seine Gage nach der Menge der benutzten Wörter bemessen. Da kann zügiges Mitdenken definitiv nicht schaden. Wer zu lange braucht, sich einen Gag zu merken, wird schon mit zwei neuen beworfen. Wopp tut das mit einer bezwingenden Freundlichkeit, ja spürbaren Freude, die ungleich mehr Spaß macht, als das verkniffene Gehabe mancher seiner Berufskollegen.

Wenn Timo Wopp sein Publikum mit all den neumodischen englischen Wirtschaftsbegriffen beballert, ohne die all diese Motivationstrainer, Berater und Bescheidwisser beiderlei Geschlechts keinen geraden Satz rausbringen würden, dann weiß er, wovon er spricht: Er ist gelernter Kaufmann mit Diplom, hat als Unternehmensberater gearbeitet und tatsächlich schon sehr viele Vorträge vor Wirtschaftsvertretern gehalten. In seinem neuen Programm „Ja sorry!“ tritt er als Unternehmensberater des Grauens auf, der selbst die „Performance“ seiner beiden Kinder misst, denn um zu einer glücklichen Ein-Kind-Familie zu werden, müsse man sich ja von einem trennen. Die Kindheit – ein Start-up ins Leben. Und so spricht er denn im ersten Teil wie die fleischgewordene FDP – nur eben ungleich lustiger, wenn er etwa erklärt, wie die Zubereitung eines Müslis dem Weltfrieden dient. Wopp watscht all die Berater ab, die angehende Führungskräfte in „Leadership“ trimmen wollen, ohne selbst etwas erreicht zu haben. Oder, anders gesagt: „Die in der Allee des Lebens jeden Baum mitgenommen haben.“ Sehr schön ist auch seine Definition von Neoliberalismus: Wenn du deine Selle verkaufen kannst, ohne eine zu haben.
Wenn einer so schnell spricht wie Wopp, stellt sich die Frage, ob er überhaupt atmet: Nein, versichert er, nur Verlierer atmen, Gewinner atmen nicht. Er outet sich als Freund der politischen Korrektheit, wobei das bei einem handfesten Streit im Prenzlauer Berg zu Verständigungsproblemen führen kann, wenn sich zwei Kontrahenten im Straßenverkehr mit Begriffen traktieren wie: „Du W-Wort“, „Du H-Wort-Sohn, „Du M-Wort!“ – „M-Wort? Was heißt das?“. Da muss der andere passen, denn das könne er nicht sagen. Wäre ja unkorrekt.
Der Mann jongliert so schnell wie er spricht
Aber Wimo Wopp kann nicht nur mit Worten um sich werfen, sondern auch mit Bällern. Tatsächlich trat er jahrelang in Varieté-Bühnen als professioneller Jongleur auf. Nun baut er diese Fertigkeiten in sein Kabarett-Programm ein, indem er eine Wirtschafts-Rede hält und dabei minutenlang in ziemlich irren Posen gleichzeitig drei Bälle in der Luft hält. Das kann er unglaublich gut. Nächstes Mal sollte das Zelt voll sein, denn Timo Wopp hat es verdient, als outstanding High-Performer im Entertainment Business.

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