Vergessene Orte gibt es einige in der Region. Sie erzählen Geschichten von untergegangenen Industrieanlagen, vergangenem Reichtum und manchmal sind es auch eiserne oder steinerne Spuren globaler Konflikte, die im Abseits vor sich hin rotten. Wir stellen in loser Folge ein paar dieser seltsamen Relikte vor, für die sich der englische Begriff „Lost Places“ eingebürgert hat, der korrekterweise „Abandoned Places“ heißen müsste. Heute: Das ehemalige Bewährungsheim in Ulm.
Wie geht’s denn der Ruine an der Illerstraße? Steht sie noch? Ist sie inzwischen gar wieder lebendig geworden? Auf Bewährung, wie es gemäß der vormaligen Nutzung naheliegend wäre, als auf dem Areal ein Bewährungsheim für straffällig gewordene Jugendliche ansässig war? Es war so um das Jahr 1996, als dieses schließen musste, wie es heißt, nicht etwa wegen einer gesunkenen Kriminalitätsrate. Leider hatte das Ende einen finanziellen Hintergrund.
Im Laufe der Jahre verkam das Gebäude in der Nähe des Donautals in Ulm zur Ruine
Die Bewohner zogen aus, das Gebäude blieb. Eine öde Landmarke im Niemandsland an der B311, das Industriegebiet Donautal ganz in der Nähe. Über die Jahre ließ es sich verfolgen, wie aus dem verlassenen Zweckbau des Jahrgangs 1960 allmählich eine ganz und gar nicht pittoreske Ruine wurde. Aber im Laufe der Jahrzehnte hatte man sich daran gewöhnt. Eingewoben, eingewachsen in eine grüne Kulisse wurde die Angelegenheit denn auch immer erträglicher.
Gescheiterte Gebäude verströmen ja immer auch einen gewissen Reiz des Morbiden, die meisten beinhalten ferner die Geschichte eines langsamen Scheiterns. In diesem Falle war das Scheitern jedoch ein besonders treuer und langjähriger Begleiter. Nicht allein, dass aus einem ersten frühen Plan – dem Umbau zu einem Alten- und Pflegeheim – nichts geworden war. Die schlechte Kalkulation riss gleich noch die investierende Baufirma in den Abgrund. Das Haus aber – es blieb stehen.
Eine Zeitlang lebten in dem Haus an der Illerstraße Drogenabhängige
2004 stießen Gebäude und 6000-Quadratmeter-Grundstück auf das wohlwollende Interesse eines Ulmer Bauunternehmens. Leider erlosch dies rasch, kaum dass dieses den Komplex ersteigert hatte. Neue Zwischennutzer fanden sich trotzdem, arme Schlucker, die hier unerlaubt Unterschlupf fanden unter katastrophalen Verhältnissen. Zwischenzeitlich fungierte das Ex-Bewährungsheim auch als „Drogenhöhle“ und „Fixerhaus“, ausgerechnet. Die Stadt war „not amused“ und sah sich veranlasst, eine Einzäunung des Grundstücks und das Zumauern der Erdgeschossfenster einzufordern. Schöner wurde die Immobilie dadurch nicht, nur verbotener. Als unsere Redaktion vor vier Jahren die bislang letzte Inspektion vornahm, lagen im Innern noch Schlafsäcke herum. Verändert hat sich seither nicht viel. Gut, ein Gerüst ist dazu gekommen und ein Haufen aus Bruchziegeln.
Aber der Rohbau ist immer noch ein Rohbau und damit weiterhin authentischer Zeuge eines fortwährenden Scheiterns. Dabei hatte 2021 der damalige Eigentümer noch ganz anders geklungen. Die Stadtverwaltung gab damals kund, er habe versichert, definitiv mit den Bauarbeiten beginnen zu wollen. Bitte, was sind schon vier Jahre im Hinblick auf ein Jahrhundert-Projekt.
Nach den neuesten Plänen sollen demnächst Monteure im früheren Bewährungsheim wohnen
Das alte Hauptgebäude war damals schon abgeräumt, ein östlicher, nach einer Grundstücksteilung tatsächlich sanierter Bau bereits in Nutzung. Leute, die keine großen Ansprüche an Idylle stellen, können sich darin eine Ferienwohnung mieten. Eher aber werden Monteure, die in der Gegend zu tun haben, dort eine günstige Bleibe finden.
Sage also niemand, hier herrsche der absolute Stillstand. Zwischenzeitlich hat außerdem die Ruine einmal mehr einen neuen Liebhaber gefunden. Es würden tatsächlich Arbeiten stattfinden, nur sehe man davon nichts, wird einem auf Nachfrage von der Baufirma bedeutet, deren Display am Zaun prangt. Den neuen Eigentümer, an den man verkauft habe, dürfe man nicht nennen. Monteurwohnungen wolle der einrichten, lässt sich durchs Telefon noch entlocken.
Eine Stadtsprecherin erklärt, die jüngste Verzögerung sei durch ein Fledermausvorkommen im Haus ausgelöst worden. Jetzt sei alles geklärt, es könne losgehen. Wirklich.

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