Spiegel-Bestsellerautor Wladimir Kaminer kommt wieder nach Ulm, nach einer längeren Pause. Er habe die Stadt tatsächlich vermisst, sagt der in Moskau geborene und in Brandenburg lebende Autor. Am 6. April um 19 Uhr ist er im Roxy zu erleben. „Mahlzeit! – Geschichten von Europas Tischen“ heißt sein Programm. Sein gleichnamiges Buch erschien im vergangenen August nach einer kulinarischen Reise für einen TV-Sender.
Sind Menschen beim gemeinsamen Essen toleranter?
Von Island bis Bulgarien hat Wladimir Kaminer mit anderen Menschen gegessen, in Deutschland vom Grünkohl-mit-Pinkel-Fest im Norden bis nach Bayern. Wobei manche Kalorien auch in flüssiger Form genossen wurden – als Schnaps zum Grünkohl, als Riesling oder als bayerisches Weißbier, das Wladimir Kaminer als das beste Weißbier der Welt lobt. Aber ums Essen und Trinken ging es ihm nur sekundär: Er wollte herausfinden, ob es wirklich so ist, dass einander fremde Menschen beim Essen und Trinken toleranter sind, schneller miteinander ins Gespräch kommen und kommunikativer sind als wenn sie sich ohne ein gemeinsames Essen träfen. Was dabei – regionspezifisch – auf den Tisch kam, war nicht so wichtig, wichtig waren aber Geschichte und Geschichten der Regionen, die er bereiste.
„Ich wollte mich zu etwas zum Essen einladen lassen, das ich nicht kenne, was aber die Menschen vor Ort besonders toll finden.“ Das nämlich helfe, die Welt mit den Augen der anderen zu sehen – und schafft damit eine Brücke zwischen den Menschen. Und genau darum ging es ihm: „Das Essen habe ich in meinem Buch behandelt als letzten Zusammenhalt der Gesellschaft.“ In einer Gemeinschaft mit Menschen zu essen, die er früher nicht kannte – das möge er besonders, erklärt der Autor. Weswegen er, der zwar selbst auch gern kocht und mit Rezepten experimentiert, sich lieber einladen lässt als am Herd zu stehen und in Töpfen zu rühren.
Miteinander Essen verbindet
„Essen ist etwas, das alle Menschen gemeinsam haben.“ So unterschiedlich Menschen auch sonst sein mögen – Nahrung zuzubereiten und miteinander zu genießen, das verbinde. Deshalb besuchte er auf seiner Kulinarik-Tour besonders gern auch Feste auf dem Land. In Spanien und Italien, wo man spät isst und die Gespräche so lebhaft sind, dass er manchmal fast den Eindruck hatte, die Menschen würden streiten (obwohl es nicht so war), hat er Mahlzeiten mit anderen geteilt, in Serbien über so manches gestaunt, in Moldau lokalen Wein probiert und immer wieder festgestellt, dass man auf dem Land meist authentischer und hochwertiger isst als in der Stadt.
„Wie schmeckt ein Land?“, hatte er sich gefragt. Wobei ihm Osteuropa als besonderes spannendes und interessantes Gebiet erscheint, um die verbindende Kraft von Essen und Trinken kennenzulernen. Zum Essen in Gesellschaft gehört oft Alkohol. Dass aber auch im Osten die Zeit der Schnäpse vorbei ist, war eine der Überraschungen, die er unterwegs erlebte. „In Serbien war es besonders krass. Ich wurde von einer Riesling-Verkostung zur nächsten geschickt.“ Dort baue man jetzt viel von dieser Rebsorte an und empfinde den Anbau gepflegter Weine als verbindendes Zeichen der Zugehörigkeit zu Europa.
Zwischen Ost und West führe er, der in Moskau Dramaturgie studiert hat, und der in deutscher Sprache schreibt, ein ambivalentes Leben, sagt der 57-Jährige: Im Osten gelte er als Experte für den Westen – und umgekehrt. Und erzählt, dass er im Fernsehen gerade erst zum Thema Birke – einem Baum, der in Russland eine ähnliche mythologische Bedeutung hat wie in Deutschland die Eiche – befragt worden war. „Es gibt auch Birkenschnaps“, sagt er. „Aber den würde ich nicht empfehlen.“ Eine Empfehlung jedoch gibt er aus seinen Erfahrungen heraus: „Wir sollten alle öfter essen gehen!“ Eben weil Essen in Gemeinschaft eine Brücke zwischen den unterschiedlichsten Menschen ist.
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