Forschende der Universität Ulm haben ein organisches Material mit außergewöhnlichen Eigenschaften entwickelt: Das Polymer könne wertvolle Edelmetalle wie Gold oder Palladium aus Lösungen zurückgewinnen, giftige Halbmetalle abscheiden und darüber hinaus Batterien umweltfreundlicher machen.
Ungewöhnlich sei der hohe Schwefelgehalt und die schwammartige Struktur dieses Thioorthoester-Polymers. Das entwickelte Material wurde zum Patent angemeldet, vor allem aufgrund seiner herausragenden Eigenschaften als selektives Bindemittel für Metalle wie Palladium und Antimon. Auch die Anwendung als metallfreie, organische Kathode in Lithiumbatterien ist Teil der Patentanmeldung.
Ulm: Innovative Forscher um Max von Delius entwickeln umweltfreundliches Polymer zur Metallextraktion.
Die Besonderheit des weißen, flockigen Materials, das die Forschungsgruppe um Professor Max von Delius vom Institut für Organische Chemie der Universität Ulm entwickelt hat, ist ein hoher Schwefelanteil von rund 50 Prozent und eine stark zerklüftete Oberfläche. „Unser Material basiert auf einer bislang in der Polymerchemie nicht genutzten Reaktionsklasse – der sogenannten Thioorthoester-Chemie“, erklärt von Delius. „Dabei kommen Moleküle zum Einsatz, die wie ein Dreibein aus einem Kohlenstoff- und drei Schwefelatomen aufgebaut sind. Diese Zusammensetzung verleiht dem Material von Natur aus einen extrem hohen Schwefelgehalt und führt zu einer starken Vernetzung innerhalb des Polymers. Diese sorgt für eine hohe Stabilität, Wasserunlöslichkeit und eine extrem fragmentierte Oberflächenstruktur.“ Während der hohe Schwefelgehalt ein Ziel der Forschenden war, entstand die mit einem Naturschwamm vergleichbare poröse Beschaffenheit eher zufällig und entpuppte sich als positiver Nebeneffekt. „Diese große Kontaktfläche bewirkt, dass die Schwefelatome Metall-Ionen besonders effektiv binden können“, sagt von Delius. Eine mögliche Anwendung ist das gezielte Abscheiden sogenannter Münzmetalle wie Palladium, Gold und Silber aus Lösungen. Bei Palladium, das in der pharmazeutischen Industrie weit verbreitet ist und ähnlich teuer wie Gold ist, erreicht das Material bessere Ergebnisse als die sonst dafür genutzten sogenannte Scavenger. Das sind Metallfänger-Substanzen, die Pharmafirmen einsetzen, um Palladiumreste aus Arzneirohstoffen zu entfernen. Analysen zur Metallbindung, die ein Team von Professorin Kerstin Leopold am Institut für Analytische und Bioanalytische Chemie gemacht hat, ergaben für das Thioorthoester-Polymer eine maximale Palladium-Bindungskapazität von 41,2 Milligramm pro Gramm. Das sei doppelt so viel wie die eines kommerziellen Scavengers.
Neues Material könnte Schlacken in der Müllverbrennungsanlage reinigen
Das Polymer eigne sich auch für Umweltanwendungen; etwa um Problemstoffe wie das giftige Halbmetall Antimon aus Schlacken in Müllverbrennungsanlagen zu entfernen. In Tests habe das Material bis zu 2,23 Milligramm Antimon pro Gramm Polymer aufgenommen – und das mehrfach. Bis zu 83 Prozent der gebundenen Stoffe hätten sich wieder aus dem Material lösen lassen, bei nur geringem Leistungsverlust nach mehreren Einsätzen.
Auch als Bestandteil moderner Energiespeicher zeige das neue Polymer „vielversprechende Eigenschaften“f, so die Uni Ulm. Die Forschenden testeten das Material demnach als metallfreie Kathode in Lithium-Ionen-Batterien. „Wir haben über 1000 Lade- und Entladezyklen eine stabile Kapazität von rund 100 mAh pro Gramm beobachtet. Und im Gegensatz zu klassischen Kathodenmaterialien enthalte das neue Polymer keine kritischen Metalle und belaste die Umwelt deutlich weniger“, berichtet von Delius.
Ulm: Universität forscht an neuem Polymer zur Gewinnung von Edelmetallen und umweltfreundlichen Batterien.
Derzeit bereitet das Forschungsteam Gespräche mit Industriepartnern vor, um das Verfahren in verschiedenen Bereichen – von der chemischen Produktaufbereitung über die Wasserreinigung bis hin zur Energiespeicherung – in Richtung Marktreife weiterzuentwickeln, kündigt die Uni Ulm an. (AZ)
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