66 Tage arbeiten Frauen ohne Lohn. Das zumindest wäre der Fall, wenn man die Statistik der Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen in Tage umrechnen würde. Denn Frauen verdienen im bundesweiten Durchschnitt 18 Prozent weniger als männliche Arbeitnehmer. Auf alle Arbeitstage pro Jahr umgerechnet wären das eben besagte 66 Tage. Um auf diese Differenz am Equal Pay Day (er markiert den 67. Tag im Jahr, ab dem Frauen Lohn bekommen würden) hinzuweisen, gab es in Ingolstadt neben einer Kundgebung auch eine Diskussionsrunde im Stadttheater. Auf der Bühne stand Reyhan Sahin, besser bekannt als Lady Bitch Ray, die Moderation des Abends übernahm Antigone Akgün. Schon nach wenigen Minuten stellten die beiden Frauen unter Beweis, warum man im Rahmen des Fem* Festivals für diesen Talk keine bessere Besetzung hätte finden können.

Denn wie sonst sollte man diesem eigentlich tieftraurigen Thema besser begegnen als mit Humor, ordentlich Biss und gleichzeitig einem in die Knie zwingenden Intellekt? Die beiden Künstlerinnen umtänzeln nicht nur die Lohnlücke, sondern widmen sich gleich ganz generell dem Bild der Frau. Wie schwer man es als Frau bis heute bei Gehaltsverhandlungen habe, warum immer noch ein enormer Druck durch Körperideale erzeugt wird und dass Frauen eigentlich nie eine Pause zugestanden wird.
Reyhan Sahin und Antigone Akgün beleuchten zum Fem* Festival die Pay Gap
Akgün scheut sich nicht, die „Gretchenfrage“ zu stellen: Wie fordert man als Frau mehr Geld für die eigene Arbeit und bekommt den Job trotzdem? Denn: „Da gibt es dann ja immer jemanden, der es für weniger macht.“ Die kann natürlich nicht beantwortet werden, schließlich sollen Frauen immer noch hübsch, adrett, nicht zu laut und höflich sein, wie Lady Bitch Ray aus eigener Erfahrung weiß. Darum will sie heute mal nicht arbeiten, sich bedienen lassen, und fragt daher auch ganz ungeniert, ob ihr der Tee an diesem Abend von einem hoffentlich für diese Tätigkeit unentlohnten Mann gebracht wird. Man lacht über die Persiflage und kann wohl doch nicht leugnen, dass man sich wünscht, es wäre einmal so.
Das Publikum, das sich zu diesem Talk in der Werkstatt eingefunden hat, ist überwiegend jung, weiblich dominiert, nickt dementsprechend zustimmen, sitzen hier doch viele Frauen, die sich in den kommenden Jahrzehnten mit genau dieser Pay Gap konfrontiert sehen werden. Viele von ihnen standen noch wenige Stunden zuvor in der Ingolstädter Innenstadt, um ein sichtbares Zeichen gegen die ungleiche Bezahlung zu setzen. Und wenn sie dann gearbeitet, demonstriert und sich weitergebildet haben, vielleicht ist dann sogar noch eine von diesen viel zu seltenen Pausen möglich, die sich die „Lady“ so sehnlichst für alle Frauen wünscht.
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