
Einwohnerzahl in Ingolstadt 2020 gesunken

Plus 2020 verzeichnet die Stadt Ingolstadt erstmals seit den 1970ern einen Bevölkerungsrückgang. Dafür gibt es gleich mehrere mögliche Ursachen.

Ingolstadt und Umgebung gelten als Boom-Region. Und wo die Wirtschaft floriert, zieht es Menschen hin, die Arbeit suchen. Seit 2011 (Stichtag 31. Dezember) ist die Stadt Ingolstadt um fast 12.000 Einwohner gewachsen, von 126.500 auf 138.230. Das bedeutet ein durchschnittliches jährliches Wachstum innerhalb der vergangene neun Jahre von fast 1400 Einwohnern oder etwa 1,1 Prozent. Der Höhepunkt wurde aber nicht erst kürzlich erreicht, sondern schon 2019 mit 138.716 Menschen. 2020 ist die Zahl der Einwohner in Ingolstadt laut Melderegister zum ersten Mal seit Mitte der 1970er Jahre wieder zurückgegangen. Das hat mehrere Gründe.
Wie sich die Bevölkerung zahlenmäßig entwickelt, hängt von verschiedenen Bewegungen ab: von Zu- und Wegzügen sowie von Geburten und Sterbefällen. Bis 2018 wuchs Ingolstadt vor allem deshalb, weil deutlich mehr Menschen zuzogen als weg. 2019 wurde dieser sogenannte „Wanderungssaldo“ bereits geringer. 2020 war er dann negativ. Konkret heißt das, dass in diesem Jahr knapp 700 Menschen mehr aus Ingolstadt fortzogen als in die Stadt. Hinzu kam, dass gleichzeitig der Überschuss an Geburten gegenüber den Sterbefällen zurückging auf nur mehr 204. Zum Vergleich: 2018 lag der Überschuss bei 374. Die Geburten lagen zwar in den letzten drei Jahren immer bei rund 1600, doch stiegen die Todesfälle auf 1374 von 1270 in 2018.
Bevölkerungsentwicklung in Ingolstadt anders als geplant
Wie die Stadt Ingolstadt mitteilt, verlief das Bevölkerungswachstum damit ganz anders, als man es seit mehreren Jahrzehnten gewohnt war. Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf ordnet die Entwicklung folgendermaßen ein: „Der Rückgang der Einwohnerzahlen 2020 ist eine Momentaufnahme. Ingolstadt ist in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark gewachsen und soll nach allen langfristigen Prognosen auch unverändert weiter wachsen. Dies bedeutet weiterhin für die Stadt viel Arbeit, um parallel die Infrastruktur auszubauen. Insofern schafft der Rückgang der Bevölkerungszahl im vergangenen Jahr allenfalls eine kurze Verschnaufpause, insgesamt aber laufen die Bemühungen in allen Bereichen – Kita, Schulen, Baugebiete, Wohnungsbau – unvermindert fort.“
Als Ursachen für den Bevölkerungsrückgang, insbesondere für den Wegzug, führt die Stadt Ingolstadt verschiedenes an: Eine Ursache sei die Dieselkrise und die Antriebstransformation in der Automobilindustrie. Audi müsse in den nächsten Jahren Personal abbauen. Den Anfang habe man bei den Zeitarbeitsbeschäftigten externer Firmen gemacht, heißt es vonseiten der Stadt. Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sieht die Stadt Ingolstadt als Grund für die Bevölkerungsentwicklung, da Zuwanderung in erster Linie auf dem Bedarf an Arbeitskräften beruhe. Eine weitere Ursache für den Bevölkerungsrückgang sei die sinkende Anzahl an Asylbewerbern um fast 30 Prozent (2019: 1236 Personen, 2020: 871). Noch eine denkbare Ursache seien die verzögerten oder unterbliebenen An- und Abmeldungen bei den Einwohnermeldeämtern.
Nicht nur in Ingolstadt, sondern auch in anderen kleineren Großstädten in Bayern wie Regensburg, Würzburg und Erlangen brach das Bevölkerungswachstum 2020 ein. Blickt man in die Region, ist festzustellen, dass auch im Landkreis Eichstätt das seit Jahrzehnten übliche Bevölkerungswachstum fast zum Erliegen kam. Nur in den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen – hier gab es sogar eine leichte Zunahme des Bevölkerungswachstums – und Pfaffenhofen (leichte Abnahme) kam es nicht zu gravierenden Veränderungen 2019/2020 gegenüber dem vorherigen Zeitraum 2018/2019.
Entwicklung der Bevölkerung beeinflusst auch Wohnungsmarkt in Ingolstadt
Das Bayerische Landesamt für Statistik hat kürzlich die jährlich neu berechnete „Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für Bayern bis 2039“ veröffentlicht. Ingolstadt würde demnach von bis 2039 auf 145.200 Personen anwachsen. Letztes Jahr rechnete das Bayerische Landesamt für Statistik noch mit einem Wachstum auf 147.000 Einwohner bis 2038. Interne Berechnungen der Stadtverwaltung gingen bislang auch von möglichen Szenarien eines stärkeren Bevölkerungswachstums aus, heißt es in einer Mitteilung der Stadt Ingolstadt. Inwiefern sich diese Vorausberechnungen im Rahmen der Folgewirkungen von Corona-Pandemie, Restrukturierung der Automobilindustrie und nachlassender Zuwanderung nach Deutschland für Ingolstadt bewahrheiten werden, wird sich zeigen. Sicherlich sollte man die jetzige Situation mit mehreren Sonderentwicklungen und Krisen nicht als Normalfall der zukünftigen Entwicklung sehen, betont die Stadt Ingolstadt. In den letzten 75 Jahren habe es in Ingolstadt immer wieder auch Jahre schwächerer oder rückläufiger Entwicklung gegeben. Wenn man einen etwas längeren Zeitraum betrachtet, seien die Entwicklung der Stadt hinsichtlich Einwohner- und Beschäftigtenzahlen aber doch immer wieder nach oben gegangen.
Die Bevölkerungsentwicklung hat auch einen Einfluss auf den Wohnungsmarkt in Ingolstadt. Wie der Immobilienverband Südbayern Ende des vergangenen Jahres mitteilte, stelle Ingolstadt eine Ausnahme vom allgemeinen Trend dar, dass Wohnen nach wie vor immer teurer wird. Die Stadt verzeichnet dem Verband zufolge deutliche Mietrückgänge. Im Frühjahr 2020 lagen diese bei teils mehr als acht Prozent im Halbjahresvergleich, um dann im Herbst noch einmal um bis zu 3,5 Prozent abzusinken. Beim Immobilienverband führt man das auch auf die vielen Neubauten in der Stadt zurück. Der Hauptgrund sei aber der Einstellungsstopp beim Automobilkonzern Audi.
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