
Die Lage in Kleidungsgeschäften spitzt sich in Neuburg zu

Plus Kaum Anlässe und ein zähes Mitnahmegeschäft: Die Textil-Branche ist besonders vom Lockdown gebeutelt. Auch in Läden im Raum Neuburg stapelt sich die Ware – und jetzt wird auch noch die Frühjahrsmode geliefert.
Das, was derzeit im Geschäft von Claudia Stadlmayr hängt, hat sie vor vielen Monaten bestellt. Voller Hoffnung, dass die Pandemie bis dahin unter Kontrolle ist, orderte Stadlmayr Ware für die kalte Jahreszeit. Das Weihnachtsgeschäft steht an, danach der Winterschlussverkauf, so die Planung. Doch es kam anders. Seit Mitte Dezember hat das Modehaus Bullinger in Neuburg geschlossen. Hosen, Pullover oder Jacken hat es seitdem so gut wie nicht verkauft. „Wir machen derzeit keine Umsätze“, sagt Geschäftsführerin Stadlmayr. Und das nächste Problem ist absehbar: Die Frühjahrsmode, ebenfalls vor Monaten bestellt, muss Stadlmayr demnächst abnehmen und bezahlen. Sie und andere Textilhändler im Raum Neuburg sind in einer schwierigen Situation. Christa Sutor hat ihren Laden „C & F Moden“ in der Neuburger Färberstraße bereits coronabedingt zusperren müssen. Auch andere Anbieter haben zu kämpfen.
Auch das Modehaus Bullinger in Neuburg hat es derzeit schwer, Ware an den Mann oder die Frau zu bringen
Natürlich kann man auch bei Bullinger derzeit Ware bestellen und abholen. Doch die Modebranche hat ein Problem: Menschen möchten die Sachen anprobieren, bevor sie sie kaufen. Ist das nur mit eventuellem Rückgabe-Aufwand möglich, ist das eine Hemmschwelle. „Es ist aktuell nicht leicht, etwas an den Mann oder die Frau zu bringen“, sagt Stadlmayr, die Wünsche ihrer Kunden per Mail entgegennimmt. Die Hoffnung der Geschäftsfrau: Vielleicht kann sie ihr Modehaus so schnell wieder öffnen, dass sie zumindest noch etwas Winterware losbekommt. Ansonsten bleibt sie auf den Sachen sitzen.
Die bestellten Frühjahrs-Kollektionen sitzen ihr bereits im Nacken. Die abzulehnen, ist mit hohen Stornogebühren verbunden. Die möchte Stadlmayr nicht zahlen. Also hat sie mit Herstellern und Lieferanten vereinbart, dass diese die Ware vorübergehend noch bei sich behalten. Das Problem, dass die Händlerin die Lieferungen bezahlen muss, bleibt. Normalerweise nimmt man dafür die Einnahmen der Wintersaison her. Doch die fehlen.

Stattdessen muss man bei Bullinger die nicht verkaufte Wintermode einlagern. „Zum Glück haben wir die Flächen dafür“, sagt Stadlmayr, die betont: „Wir werden nichts wegschmeißen.“ Basic-Artikel, wie etwa einfache Pullover, könne man ebenso gut im kommenden Winter verkaufen. Anders sehe es mit hochmodischer Kleidung aus, die aktuelle Trends verkörpern. „Die können wir nur noch mit Abschlägen verkaufen.“ Schon jetzt muss sich Stadlmayr Gedanken um Bestellungen für die nächste Wintersaison machen. „Das ist sehr schwer zu planen.“ Trotz aller Probleme will die Geschäftsfrau nicht schimpfen. „Die Gesundheit geht vor“, sagt sie.
"Drücken und Stapeln" ist das Motto bei Juliane Gebert im Bekleidungshaus Fischer in Rennertshofen
So denkt auch Juliane Gebert, Inhaberin des Bekleidungshauses Fischer in Rennertshofen. „Hauptsache, wir bleiben alle gesund“, ist ihr Wunsch. Mit Blick auf ihr Geschäft hat Gebert jedoch mit diversen Herausforderungen zu kämpfen. Erst fehlten Anlässe wie Feiern, Kommunionen und Beerdigungen, dann fiel das Weihnachtsgeschäft aus. Auch der Winterschlussverkauf, der nun eigentlich anstehen würde, ist erst verspätet möglich. Die Folge: „Meine Lager sind voll“, sagt Gebert. „Drücken und Stapeln“, sei derzeit das Motto. Zumal die nächste Ware im Anmarsch ist. Ende Januar kommen die ersten Lieferungen der Frühjahrskollektionen. Bezahlen muss sie diese aus ihrem eigenen Geldbeutel – Rücklagen aus dem Wintergeschäft gibt es keine.
Auch das Abholgeschäft laufe zäh. Ihre Kunden seien die persönliche Beratung gewöhnt, das Anprobieren vor Ort, das Abstecken zum Ändern. Fällt das weg, werde es ganz schwierig, etwas zu verkaufen, sagt Gebert. Sie hofft darauf, Mitte Februar wieder öffnen zu dürfen und zumindest ein paar Wintersachen mit Rabatten noch verkaufen zu können. Wird der Lockdown um weitere zwei Wochen verlängert, sei das Saisongeschäft endgültig gelaufen. „Ende Februar kauft keiner mehr Winterware, außer man schenkt sie quasi her.“
Blickt die Händlerin in die Zukunft, hat sie vor allem eine Sorge: Bislang war es ihren Kunden wichtig, Mode vor Ort anzuprobieren, anzufassen und sich beraten zu lassen. „Ich hoffe, das bleibt so.“ Doch angesichts der aktuellen Situation würden sich Kunden mehr und mehr mit dem Online-Handel befassen. Geberts Befürchtung: Kunden könnten sich in der Krise daran gewöhnen, Kleidung im Internet zu kaufen, und den lokalen Einzelhandel aus den Augen verlieren.
Für Carmela Neff vom Italian Fashion Store in Neuburg und die ganze Branche sei es wichtig, dass ab 15. Februar wieder geöffnet wird
Als „sehr schwer“ bezeichnet Carmela Neff, Inhaberin des Italian Fashion Store in Neuburg, ihre Situation. Sie versuche, über das Abholgeschäft etwas Umsatz zu generieren. „Das geht ein bisschen, aber ist natürlich nicht vergleichbar mit zuvor“, sagt sie. Für ihre Branche sei es extrem wichtig, ab 15. Februar wieder zu öffnen. Nur dann könne man noch etwas Winterware verkaufen. „Wir können diese Ware nicht einfach nächsten Winter anbieten. Unsere Kunden kennen die Kollektionen.“ Auch sei es wichtig, Einnahmen zu generieren, um damit die bestellte Frühjahrsmode zu bezahlen.
Besonders hart trifft es Händler einer speziellen Textilbranche: Trachten. Anlässe dafür gibt es quasi keine mehr, dementsprechend mau ist das Geschäft. „Wir machen derzeit null Komma null Umsatz, es schaut wirklich schlecht aus“, sagt Elfi Bergmair, Inhaberin des gleichnamigen Trachtengeschäftes in der Neuburger Innenstadt. Finanzhilfen des Staates seien aktuell bei ihr noch nicht angekommen. Ob und wann etwas kommt, sei ungewiss.
„Keine Ahnung, wie lange das so weitergehen kann“, sagt Elfi Bergmair über ihre eigene Zukunft. Ihr bleibe derzeit nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass sie ihr Geschäft wieder öffnen kann. Dann will sie entscheiden, wie es weitergeht.
Neuburgs Oberbürgermeister schickt Hilferuf des Neuburger Einzelhandels an Ministerpräsident Markus Söder
In seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister Neuburgs und Vorsitzender des Stadtmarketings wandte sich Bernhard Gmehling in einem Schreiben vergangene Woche an Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder. Mit dem „Hilferuf des Neuburger Einzelhandels“ wies Gmehling gleichzeitig auf die „Wettbewerbsverzerrung durch Corona-Maßnahmen“ hin.

Die allermeisten Bürger hätten wie er großes Verständnis für die Maßnahmen. Gleichwohl erreichten aus verschiedenen Branchen, insbesondere aus Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel immer wieder Hilferufe die Rathäuser, so auch in Neuburg. Ganz besonders deprimierend erachte Gmehling die Wettbewerbsverzerrung, die im Bereich des Einzelhandels herrscht. „Während Online-Versandriesen, deren Namen hinlänglich bekannt sind, Milliarden-Gewinne einfahren, erreichen mich aus der Innenstadt gerade in den letzten Tagen vermehrt Nachrichten, dass Einzelhandelsgeschäfte für immer schließen“, schreibt der OB. Aus seiner Sicht sei eine Verödung der Zentren, gerade für Städte der Größenordnung Neuburgs die Folge. Der andauernde Lockdown treffe gerade Einzelhändler besonders hart. Immer wieder würden ihn auch Nachrichten erreichen, dass die staatlichen Wirtschaftshilfen nur sehr zögerlich oder überhaupt nicht bei den Unternehmen ankommen.
Neuburgs OB bittet Ministerpräsident Söder um eine Strategie zum vorsichtigen Ausstieg aus dem Lockdown
„Aus all diesen Gründen bitte ich Dich sehr herzlich, zumindest eine Strategie für den vorsichtigen Ausstieg aus dem Lockdown zu entwickeln und den Einzelhändlern zumindest einen gewissen Zeithorizont aufzuzeigen, in dem sie dosiert wieder öffnen können“, schreibt Gmehling weiter. Neuburgs Einzelhändler hätten bewiesen, dass sie sehr wohl in der Lage seien, einen Geschäftsbetrieb auf die Beine zu stellen, der alle Hygiene- und Abstandsmaßnahmen beachtet. Andererseits wäre es für den Einzelhandel auch unglaublich wichtig zu wissen, ob nun so etwas wie ein Winterschlussverkauf noch im Februar möglich sein wird, oder ob er sich darauf einstellen müsse, lediglich Frühjahrs- oder gar Sommermode in den Geschäften bereitzuhalten.
„Die wirklich gravierende Wettbewerbsverzerrung zwischen Onlinehandel und stationärem Einzelhandel ist so auf Dauer nicht hinzunehmen. Aus meiner Sicht müsste die Politik dann – sofern eine Öffnung unter Pandemie-Gesichtspunkten überhaupt nicht möglich erscheint – die Online-Riesen mit zusätzlichen Steuern, Abgaben oder Umlagen beaufschlagen, damit es nicht gar so einseitig wird“, lässt der OB Söder weiter wissen.
Gmehling sei bewusst, dass die Situation nach wie vor gefährlich ist, „dass wir aufgrund der viel zu geringen Mengen an Impfstoff in einem permanenten Erklärungsnotstand gegenüber der Öffentlichkeit stehen und die Krise noch lange nicht überwunden haben“. Gleichwohl bitte er sehr herzlich, die vorgenannten Überlegungen in alle künftigen politischen Entscheidungen rasch mit einzubinden, um dem urbanen bürgerlichen Leben in und nach der Krise noch eine Chance zu geben.
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