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Doku „4471 – Ingolstadt im Dritten Reich“: Lebendige Geschichte

Ingolstadt

Doku „4471 – Ingolstadt im Dritten Reich“: Lebendige Geschichte

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    Florian Schiekofer im Interview mit Paul Schönhuber, Jahrgang 1938, der sich noch gut an die Bombenangriffe auf Ingolstadt erinnert und zudem Aufzeichnungen über diese Zeit von seiner Mutter hatte.
    Florian Schiekofer im Interview mit Paul Schönhuber, Jahrgang 1938, der sich noch gut an die Bombenangriffe auf Ingolstadt erinnert und zudem Aufzeichnungen über diese Zeit von seiner Mutter hatte. Foto: Florian Schiekofer

    Wer diese Filme sieht, der ist vieles: berührt, ergriffen, sprachlos. Manche Menschen kommen nach der Vorführung zu Florian Schiekofer und danken ihm für dieses zeitgeschichtliche Werk. Einige verlassen die Vorführung, weil ihnen die eindringlichen Szenen so sehr ans Herz gehen. Aber das Feedback, das Florian Schiekofer erhält, ist bisher durchweg positiv. Für den Filmemacher von der AV Mediagroup in Ingolstadt ist der Mehrteiler „4471 – Ingolstadt im Dritten Reich“ auch selbst eine Herzensangelegenheit. Bereits im ersten Corona-Lockdown reifte in Florian Schiekofer die Idee zur Aufarbeitung der Ingolstädter Geschichte im Dritten Reich. Es folgten zweieinhalb Jahre Arbeit.

    Florian Schiekofer nahm sich bereits zuvor der Ingolstädter Stadtgeschichte an

    Der 36-jährige Ingolstädter hat Erfahrung im Dreh von geschichtsrelevanten Themen. Bereits 2015 lieferte er den viel beachteten Doku-Kurzfilm „Mein Ingolstadt“ über die Stadtgeschichte. 2020 dann wurde der mehrmals ausgezeichnete Dreiteiler „Im Maschinenraum des Krieges“ veröffentlicht, in dem Schiekofer die Rolle der Garnisonsstadt Ingolstadt im Ersten Weltkrieg erzählt.

    Da schien es nur eine Frage der Zeit, wann sich der Regisseur wieder eines wichtigen geschichtlichen Themas seiner Heimat annehmen würde. „Im ersten Lockdown habe ich viele Bücher gelesen und Kontakt mit Hans Fegert aufgenommen.“ Der Heimatkundler und Buchautor ist akribischer Bewahrer der Ingolstädter Geschichte. Seine Interview-Aufzeichnungen mit Zeitzeugen vor allem der Bombenangriffe auf Ingolstadt von Januar bis April 1945 sollten in Schiekofers Serie eine Schlüsselfunktion einnehmen. Über 11 Stunden an Tonaufnahmen mit Zeitzeugen hatte Hans Fegert gesammelt. Ein regelrechter Schatz für den Filmemacher. Neben dem Heimatkundler fand Florian Schiekofer vor allem im Historischen Verein Ingolstadt und im Stadtarchiv Verbündete für sein Projekt.

    Was folgte waren viele Tage in den Archiven und zahlreiche Gespräche. So lernte Schiekofer weitere Zeitzeugen kennen, wie zum Beispiel Charlotte Ann Hermann-Janis. Die Amerikanerin kam extra auf ihrem Europatrip einige Tage nach Ingolstadt und erzählte Florian Schiekofer von ihrer Familie, die damals in der Donaustraße gelebt hatte. Julius Hermann verstarb im August 1941 nach einem Luftangriff in Brüssel. Sophie Hermann wurde gemeinsam mit ihrer Tochter Gerda im Juli 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Nur die Geschwister Kurt (Charlotte Janis‘ Vater) und Käte überlebten. Ihnen gelang 1938 die Flucht über Kuba in die USA. Charlotte Janis kam dort 1942 zur Welt.

    Schiekofer hatte einen 60-minütigen Film geplant – nun sind es 140 Minuten Laufzeit

    Ursprünglich hatte Florian Schiekofer einen 45 bis 60 Minuten langen Film geplant, „aber schnell wurde mir klar, dass ich damit dem Thema nicht gerecht werde.“ Dann vielleicht vier Teile? Nein, auch zu wenig. Es wurden sechs Teile, ein insgesamt 140 Minuten langes Filmdokument.

    Für jeden Dreh hat der 36-Jährige einen extra Datei-Ordner angelegt. Am Ende waren es 80 Ordner. Sehr eindringlich in Wort und Bild ist die Serie. Während die Stimmen von den Tonbändern ihre Geschichten erzählen, blendet Schiekofer Menschen im Alter der Erzählerinnen und Erzähler ein. Damit bekommen die Stimmen ein Gesicht und die Erzählungen werden noch greifbarer. Viele der Zeitzeugen sprechen frei vor der Kamera. So erlebt man als Zuschauer diese Zeit damals hautnah mit. Und erfährt, wie rücksichtslos und kriminell die Juden auch in Ingolstadt um ihr Hab und Gut gebracht wurden. Wie die Meinungsfreiheit durch das Verbreiten von Angst und Schrecken mit Füßen getreten wurde.

    „Ich musste mich selbst beschränken und klare Linien ziehen, sonst wäre die Serie wahrscheinlich nie zu einem Ende gekommen.“ So viele Eindrücke, so viele wichtige Details. Da galt es, die Bremse zu ziehen. So fehlt im Film der zuletzt wieder öffentlich diskutierte Wilhelm Reissmüller, dem die Ehrenbürgerwürde wegen seiner NS-Vergangenheit aberkannt wurde. „Das hätte den Erzählstrang zerrissen.“

    Doku-Projekt „4471 - Ingolstadt im Dritten Reich“ soll auch in Schulen gezeigt werden

    Als Ideengeber, Autor und Regisseur hat Florian Schiekofer auch die Texte geschrieben, die die Sprecher nutzen, und hat die Filme komplett selbst geschnitten. Insgesamt zweieinhalb Jahre Arbeit hat der Ingolstädter in das Projekt gesteckt – oft neben seiner eigentlichen Arbeit bei der AV Mediagroup. Er schuf ein eindringliches Werk mit starken Bildern und Interviews. Jetzt freut er sich über jede Vorführung, die er selbstverständlich auch selbst bewerkstelligt. Und da diese Serie auch für Schulen nutzbar sein soll, arbeitet er momentan, zusammen mit dem Stadtarchiv, an einem didaktisches Konzept für den Unterricht. Finanziell unterstützt wurde das Projekt von der Stadt Ingolstadt, vom Historischen Verein und von der Firma Gebrüder Peters.

    Hat Florian Schiekofer schon ein neues Projekt im Visier? „Jetzt ist erst mal Pause“, lacht der Ingolstädter. Aber wer ihn kennt, weiß: Es wird ein Thema kommen, das ihn fasziniert.

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