Entspannt sitzen Helene (Diana Strassburg) und ihre Freundin Clara (Ariane Huber-Tadayon) auf ihren Liegen im Spa-Bereich ihres All-Inclusive-Hotels und sinnieren darüber, wie leicht doch alles sein könnte. Helene, die sich gerade im Rahmen einer Kunst-Performance zugunsten der libyschen Revolutionen hat versteigern lassen, schlägt Drastisches vor. „220 Euro pro Person und Woche, inklusive Flug. Da würde es sich ja lohnen, die ganzen HartzIV-Empfänger in nordafrikanische Pauschalhotels zu verfrachten, dazu die Asylanten, Rentner, Krebspatienten und Gefängnisinsassen“, scherzt sie, während sie sich vom Hotelpersonal die Kopfhaut massieren lässt. Es ist ein Zynismus, der den Zuschauerinnen und Zuschauern bei „Yellow Line“, dem neuen Stück der Theatergruppe „Mimenfeld“, häufiger begegnen wird.
„Yellow Line“ stammt aus der Feder der preisgekrönten Schriftstellerin Juli Zeh
Das Stück aus der Feder der preisgekrönten Schriftstellerin Juli Zeh, das in Zusammenarbeit mit Charlotte Roos entstanden ist, geht unter die Haut, ist hochaktuell und sprüht vor einem Humor, bei dem mitunter das Lachen im Halse stecken bleibt. Der Plot verbindet mehrere Erzählstränge, die sich im Laufe des Stücks immer weiter aufeinander zubewegen. Da ist zum einen der libysche Fischer Asch-Schamich (Alexsey Frei), dem niemand glauben mag, dass eine vom Himmel fallende Kuh sein Boot versenkt hat, und er überhaupt kein Interesse daran hat, nach Europa zu gelangen. Für die europäische Grenzagentur Frontex ist er bestenfalls ein Wirtschaftsflüchtling und schlimmstenfalls ein Terrorist, und selbst der Menschenrechtsaktivist, der ihm helfen möchte, kann nicht akzeptieren, dass er eigentlich nur zurück in die Heimat möchte.
Währenddessen sitzt Paul (Ferry Eifert), der Freund von Helene, in eben jenem Pauschalhotel und verzweifelt an der spätkapitalistischen Gesellschaft, der Enge, den Konventionen und den ganzen Grenzen überall. Auf dem Flughafen echauffiert er sich fürchterlich über die namensgebende gelbe Linie, die er nicht überschreiten darf und die er zum Symbol für das Zwanghafte in der Gesellschaft erhebt. Da kommt ihm die entlaufene Kuh „Yvonne“, über die das deutsche Fernsehen schon seit Tagen berichtet, gerade recht. Fasziniert verfolgt er jede Neuigkeit, bevor er auf dem Rückflug vollends die Nerven verliert.
„Yellow Line“ beschäftigt sich mit der Frage, welche Grenzen nötig sind und welche nicht, wann sich der Widerstand dagegen lohnt und wann er verpufft. Komplexer, lustiger, tragischer Stoff also, dem sich der Theaterverein „Mimenfeld“ da angenommen hat. Für Regisseur Andreas Grün aber auch genau das Richtige. Erst im Januar begannen die Proben, an dem Bühnenbild wird noch gefeilt und dennoch macht sich Grün keine Sorgen. „Wir wissen, was wir können und haben genügend Erfahrung. Es waren natürlich knackige Proben, aber es hat auch riesig Spaß gemacht. Die Charaktere haben sich sehr schnell entwickelt und jeder wusste, wo es langgeht.“
Das komplexe Stück entspricht genau dem Anspruch von „Mimenfeld“, sagt Regisseur Grün
Wie üblich, war es die Lesegruppe des Theatervereins, die auf das Stück gestoßen ist. „Eine Rolle spielt dabei auch, ob es viele weibliche Figuren gibt. Weil die meisten einen deutlichen Männerüberschuss haben, fallen viele für uns weg“, sagt Regisseur Andreas Grün. Aber nicht nur deswegen sei das Stück auch bei den restlichen Mitgliedern auf viel Zuspruch gestoßen. „Es trifft die Befindlichkeiten unserer Zeit sehr gut. Und wie diese Befindlichkeiten humoristisch behandelt werden, passt auch zu unserem Stil“, so Grün. Generell sei es der Anspruch von „Mimenfeld“ aktuelle Themen aufzugreifen, die nicht unbedingt leicht zu verdauen sind, gleichzeitig aber auch eine humorvolle Komponente haben.
Humor ist dabei ein gutes Stichwort, denn die Themen Flucht und Migration, die im Stück mitunter auf skurrile Weise verhandelt werden, sind nicht zuletzt durch den starken Fokus während des Bundestagswahlkampfs brisant. Schnell lässt sich damit provozieren, zum Nachdenken anregen – aber eben auch überdrehen. „Das Stück stand davor schon fest, aber natürlich hat uns die Aktualität in die Karten gespielt“, sagt der Regisseur, der sich der Herausforderung, die richtige Balance aus Humor und Tragik zu finden, bewusst ist.
Premiere von „Yellow Line“ ist am 24. April im Sporthotel Rödenhof
Wer sich davon überzeugen möchte, ob „Mimenfeld“ dieser Spagat gelungen ist, hat am 24., 25. und 26. April, sowie am 1., 2, und 3. Mai im Sporthotel Rödenhof dazu die Gelegenheit. Vorstellungsbeginn ist jeweils um 20 Uhr, der Einlass ist um 19 Uhr. Tickets gibt es im Vorverkauf beim Bücherturm am Sèter Platz, bei Elfi Strassburg unter 0176/24280183, via Paypal an die E-Mail-Adresse mimenfeld@gmx.de und online unter tickets.mimenfeld-neuburg.de.
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