Liegt Ingolstadts Zukunft in der Vergangenheit? Auf diese Idee könnte kommen, wer die Ideen und Pläne anschaut, die in den vergangenen Wochen im politischen Ingolstadt im Gespräch waren. Seit es in der Automobilwirtschaft heftig kriselt und in der Stadt die Gewerbesteuer massiv einbricht, gibt es allerorten Überlegungen, wie die Stadt zukunftssicher aufgestellt werden könnte.
Ingolstadts OB Michael Kern möchte einen Campus for Defence and Protection
Der neue CSU-Oberbürgermeister Michael Kern und die Junge Union haben dabei dieselbe Branche im Blick: die Rüstungsindustrie. Bei seiner Antrittsrede als neuer OB hat Kern einen „Campus for Defence and Protection“ für Ingolstadt erwähnt und damit eine Idee von FDP und JU aufgegriffen. Die Parteien haben bereits Anfang März einen entsprechenden Antrag an den damaligen SPD-OB Christian Scharpf formuliert mit dem Titel „Konzept für einen Verteidigungscampus in Ingolstadt“.
Sollte sich Ingolstadt in Zukunft von der Autostadt zur Stadt des Militärs und der Rüstungsindustrie wandeln, dann wäre es eine Rückkehr in die Vergangenheit. Denn das Militär hat in Ingolstadt eine lange Tradition. Das Hauptlaboratorium an der heutigen Friedrich-Ebert-Straße war für die Produktion der Munition zuständig, die Gießereihalle der königlich-bayerischen Geschoß- und Geschützgießerei nahe der Donau wird aktuell zum Museum für Konkrete Kunst und Design (MKKD) umgebaut. Und die Bauten der einstigen Festung sind inzwischen zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden. „Vielleicht liegt genau darin ein Zukunftspotenzial, das es neu zu denken gilt“, so Kern.
Für den Ingolstädter OB jedenfalls weist die Stadt optimale Bedingungen für entsprechende Investitionen auf. „Im Süden bietet gerade die Nähe zu Manching und Neuburg interessante Perspektiven“, betonte Kern in seiner Rede. Bereits jetzt befinden sich dort Standorte der Bundeswehr und von Airbus. Der Campus soll „ein technologieorientierter Standort sein, der Kompetenzen im Bereich Mobilität, Sicherheit und Verteidigung bündelt“. Für Kern ist ein möglicher Verteidigungscampus „kein Plan B für den Standort Ingolstadt, sondern ein Plan A+ – die Weiterentwicklung unseres Erfolgsmodells mit mehr Vielfalt, mehr Innovation und größerer Resilienz“.
Für JU-Stadtrat bedeutet die Ansiedlung von Rüstungsunternehmen keine Abkehr von der Autoindustrie
Angesichts der weltpolitischen Lage hält auch FDP-Stadtrat Jakob Schäuble eine entsprechende Ansiedlung für sinnvoll. Ingolstadt sei ein Hochtechnologiestandort mit Tradition im Bereich der Rüstung und „Vieles, was an High-Tech im Bereich der autonomen Steuerung, Drohnen und KI heute in Ingolstadt und Umgebung für den zivilen Markt entwickelt wird, eignet sich auch für den Dual-Use“, heißt es in dem Antrag der Fraktionsgemeinschaft. „Eine zielgerichtete Strategie der Ansiedlung und Vernetzung von Hochtechnologiefirmen auf einem Campus drängt sich geradezu auf.“
Für Markus Meyer (JU) bedeutet die Ansiedlung eines Verteidigungscampus keine Abkehr von der Autoindustrie. „Wir wollen die Automobilindustrie als Leitbranche stärken und erhalten. Um Wertschöpfung und Beschäftigung zu sichern, müssen wir aber auch Übergänge konstruktiv begleiten“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Dass sich diese Übergänge bewerkstelligen lassen, daran lassen die Antragsteller keine Zweifel: „Continental arbeitet beispielsweise schon mit Rheinmetall zusammen, 5000 Mitarbeiter wechseln so von der Automobil- in die Rüstungsbranche.“ Die bayerischen Rüstungsunternehmen mit ihren 45.000 Beschäftigten erwirtschaften aktuell einen Umsatz von mehr als vier Milliarden Euro. FDP und JU verweisen dabei auf einen Zehn-Punkte-Aktionsplan der Staatsregierung, mit dem die Verteidigungsbranche gefördert werden soll.
Kritik an dem Ansinnen gibt es aber auch. So stellte ödp-Stadtrat Raimund Köstler bei seiner Haushaltsrede die Frage in den Raum: „Wäre es dann ein Zukunfts- oder eher Horrorszenario, dass sich Rheinmetall in Ingolstädter Fertigungshallen einmietet?“ Sarah Vollath, neugewählte Bundestagsabgeordnete der Ingolstädter Linken, bezeichnet die Pläne von Michael Kern als „schockierend“: „Die verpasste Wende in der Autoindustrie darf nicht als Türöffner für Militarisierung missbraucht werden! Wir müssen hier für Arbeitsplätze kämpfen, die dem Leben dienen, nicht der Kriegsindustrie“, heißt es in einer Pressemitteilung.
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