Es ist schon faszinierend, wie sich der Wert mancher Dinge im Laufe der Zeit wandelt. Man kennt das ja, der Schrott der Gegenwart ist die Antiquität der Zukunft. Doch so rasant wie bei Videospielen, dieser noch so jungen Kunstform, ist die Entwicklung selten. „In den 2000er-Jahren wurde einem all das noch hinterher geschmissen, heute ist es ein lukrativer Markt“, sagt Tino Kehr, der den Online-Shop „Retroecke“ betreibt und zu den bekanntesten seiner Zunft gehört. Auch bei der zweiten Retrogames-Börse am Samstag im Neuburger Boxenstall dürfte die ein oder andere Rarität für einen stolzen Preis den Besitzer gewechselt haben. Für die meisten der Nostalgiker, Sammler und Schaulustigen vor Ort ist das jedoch nur ein Randaspekt.
Bereits die erste Ausgabe der Retrogames-Börse lockte nicht nur Hardcore-Gamer und Fachpublikum ins Boxenstall-Gewölbe. Und auch am Samstag fanden sich zwischen den Schnäppchenjägern viele Familien mit Kindern, bei denen die Augen der Eltern mit denen der Sprösslinge um die Wette leuchteten. Genauso bunt und gemischt hat es sich Organisator Christoph Eitelhuber auch vorgestellt, als ihm auf einer langen Heimfahrt von einer vergleichbaren Börse in Heilbronn die Idee zu einer eigenen kleinen Messe kam. So schlenderte unter anderem der stellvertretende CSU-Kreisvorsitzende Maximilian Götz genauso vergnügt durch die Gänge wie Stadtrat Gerhard Schoder mit seinen Kindern. „Heute bleibt nicht mehr viel Zeit zum Spielen, aber es ist schön, den Kindern zu zeigen, womit wir früher so arbeiten mussten. Es ist eine echte Bereicherung für die Neuburger Marktszene“, so der Grünen-Politiker.
Sammler und daddelnde Nostalgiker: Wer sich auf der Retrogame-Börse in Neuburg so tummelt
Doch natürlich ist im Boxenstall auch die eigentliche Retrogame-Szene vertreten, die sich grob in zwei Gruppen unterteilen lässt. Zum einen sind da die reinen Sammler, die darauf Wert legen, dass die Spiele noch original verpackt sind, und dieser Originalzustand im besten Fall von einer entsprechenden Institution offiziell bestätigt wurde. Dem gegenüber stehen die daddelnden Nostalgiker, die mit den Spielen einen Teil ihrer Kindheit wieder aufleben lassen. „Die spielen auf der originalen Konsole, mit den originalen Controllern. Das hat einen anderen Charme, wenn man dann noch drei Meter an den Fernseher ran muss, weil das Kabel zu kurz ist“, erklärt Eitelhuber.
Einer dieser Nostalgiker ist Oliver Martel, der unter dem Namen „Flaumenbart“ auf Youtube und Twitch Retro-Spiele streamt. Im süddeutschen Raum besucht er jede Börse, vier bis fünf Termine seien das jedes Jahr. Die großen Summen gibt er nicht aus, mit ein paar Hundert Euro ist er in der Regel unterwegs und sucht nach ganz bestimmten Titeln, momentan nach Spielen aus der Serie „Harvest Moon“. Hört man ihm zu, lässt sich erahnen, wie unvereinbar sich die Gruppen gegenüberstehen müssen. „Sich die Sachen originalverpackt in die Vitrine zu stellen, ist vielleicht bei Sammelkarten interessant, aber Videospiele sind ein Kulturgut, das sollte auch genutzt werden.“

Und dafür findet sich am Samstag im Boxenstall so einiges. Zwar gibt es auch den einen oder anderen Titel aus der Pionierzeit der Videospiele in den 70er- und 80-Jahren, richtig los geht es aber den frühen 90er-Jahren, als Nintendo mit seinem Gameboy und der 16-Bit-Konsole Super Nintendo (SNES) die Kinder- und Wohnzimmer eroberte. Vieles davon kann man heute über sogenannte Emulatoren einfach im Webbrowser spielen, doch echten Fans ist das ein Sakrileg.
1000 Euro gehen schon Mal für ein Spiel aus vergangener Zeit über den Tisch
Für diese Kindheitserinnerungen sind viele bereit, teils sehr hohe Summen auf den Tisch zu legen. Deutlich über 1000 Euro für ein einziges Spiel sind keine Seltenheit, besonders seltene Spiele gehen selbst im schlechten Zustand für über 10.000 Euro über die Theke. Richtig teuer wird es für die fanatischsten Sammler, die sich für ihre Lieblingskonsolen ein sogenanntes „full set“ zusammenstellen möchten, also jedes einzelne Spiel kaufen, das jemals für diese Konsole erschienen ist, und zwar weltweit.
Derart hohe Preise machen solche Börsen und überhaupt den Handel mit historischen Videospielen auch interessant für Betrüger, die teilweise hochprofessionelle Fälschungen anfertigen. Bei den unzähligen, randvollen Kisten voller alter Spiele ist eine Kontrolle für die Veranstalter kaum möglich. „Wir gehen schon davon aus, dass jemand, der sehr teure Titel kauft, sich damit auch auskennt. Oder man geht zu einem der etablierten Händler, denen es um ihren Ruf geht“, erklärt Eitelhuber.

Probleme habe es damit auf der Neuburger Börse bisher nicht gegeben und auch darüber hinaus würden die Regeln eingehalten. Dazu gehört etwa eine familienfreundliche Gestaltung der Stände, also dass beispielsweise nicht jugendfreie Spiele nicht prominent platziert werden, und ein freundlicher Umgang bei Verhandlungen. Bisher hat das gut geklappt, sagt Eitelhuber, noch war es nicht nötig, Konsequenzen zu ziehen und beispielsweise einen Händler auszuschließen. Überhaupt zieht der Organisator ein äußerst positives Fazit, auch wenn er die genauen Besucherzahlen noch nicht kennt. „Es dürften jetzt schon mehr Menschen hier gewesen sein als im vergangenen Jahr, und wir haben ja noch ein, zwei Stunden“, so Eitelhuber, der bereits die Ausgabe für das kommende Jahr plant.
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