Wie sag‘s ich meinem Kind? Und vor allem wann? Kinder über ihren Körper und ihre Sexualität aufzuklären, ist ein Thema, das Eltern gerne aufschieben und umschiffen. Es ist auch heute noch kein Thema, über das allgemein unbefangen und freimütig gesprochen wird. Das hängt damit zusammen, dass die Geschichte der Sexualaufklärung noch vergleichsweise jung ist. Denn erst seit den 1960er und 70er Jahren wird verstärkt über Verhütung, Schwangerschaftsabbruch und sexuelle Selbstbestimmung diskutiert und die Sexualaufklärung in den Schulunterricht gebracht.
Davor war das Thema über viele Jahrhunderte tabu. Im Mittelalter dominierte die Kirche die gesellschaftliche Moral, Sex wurde weitgehend als sündhaft betrachtet, besonders außerhalb der Ehe. Informationen über Verhütung oder sexuelle Gesundheit waren kaum zugänglich. Erst im 18. Jahrhundert begannen einige Philosophen und Ärzte, sich wissenschaftlich mit Sexualität zu befassen. Dennoch blieb das Thema bis ins 19. Jahrhundert hinein stark moralisch aufgeladen. Eine Sexualaufklärung war nahezu nicht existent. Heutzutage ist das Thema in vielen Ländern fester Bestandteil des Bildungssystems. Auch das Internet hat eine neue Ära der Selbstaufklärung eingeläutet. Viele Eltern verlassen sich auf diese beiden Quellen. Doch Johanna Ehm vom Gesundheitsamt Neuburg will in ihren Vorträgen in Neuburg und Schrobenhausen im Rahmen der Reihe „Frauengesundheit“ erläutern, warum sexuelle Aufklärung ein ständiger Teil der Erziehung sein sollte.

In welchem Alter sollte man Kinder idealerweise aufklären?
„Da bist du noch zu jung dafür“, lautet eine Antwort, die Eltern gerne geben, wenn ihr Kind eine für sie unangenehme Frage stellt. Doch nach Meinung von Experten gibt es keine Altersgrenzen für sexuelle Aufklärung. „Viele Eltern denken, dass ihre Kinder 12 oder 13 sein sollten, ehe sie das Thema ansprechen. Doch Kinder sind bereits von Anfang an sexuell“, sagt Johanna Ehm, die in Neuburg in der Schwangerschaftsberatung arbeitet und vor Schulklassen über Sexualität spricht. Deswegen sollen Eltern sexuelle Aufklärung als ständigen Teil der Erziehung begreifen und nicht als einmaliges ernsthaftes Gespräch, wenn das Kind schon größer ist. Schon beim Windeln wechseln könne für das Thema eine Selbstverständlichkeit entwickelt werden, indem beispielsweise in der Kommunikation mit dem Kind die Geschlechtsteile benannt werden.
Wie sieht der ideale Rahmen aus, wenn man mit Kindern über Sexualität spricht?
Bereits mit zwei Jahren nehmen Kinder die körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau wahr. Im dritten Lebensjahr beginnen Kinder in der Regel, Warum-Fragen zu stellen. Zunehmend werden dann auch die Themen Zeugung, Geburt und Sexualität interessant. Spätestens wenn ein Geschwisterchen kommt, fangen Kinder an zu fragen, wo das Baby auf einmal herkommt. Antworten darauf sollten immer dann gegeben werden, wenn sie kommen - quasi nebenbei. „Falsch wäre es, eine Antwort zu verweigern oder schuldig zu bleiben“, sagt Johanna Ehm.
Warum fällt es mitunter so schwer, für die „natürlichste Sache der Welt“ die richtigen Worte zu finden?
Jeder Mensch ist durch seine Kindheit geprägt. Wer heute 40, 50 Jahre alt ist, wurde vermutlich nicht von den Eltern aufgeklärt, sondern durch ältere Geschwister „oder die Bravo“. Dieser schambehaftete Umgang mit dem Thema setzt sich oftmals fest, „und deshalb fällt es auch uns schwer, die Dinge explizit anzusprechen“. Dazu kommt, dass in den Coronajahren und den damit verbundenen Kontaktbeschränkungen Aufklärung keine Priorität hatte und untern Tisch fiel. Johanna Ehm hat als Sexualberaterin aber auch die Erfahrung gemacht, dass es Eltern gibt, die ihren Kindern ganz bewusst ihre Sexualität absprechen und dementsprechend auch Aufklärungsarbeit ablehnen.
Findet Sexualaufklärung auch schon im Kindergarten statt?
Grundsätzlich ja. Sie ist Bestandteil des bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung und zielt darauf ab, Kindern einen positiven Zugang zu ihrem Körper und ihrer Geschlechtsidentität zu ermöglichen. Allerdings weiß Johanna Ehm aus ihrer Erfahrung, dass es in Kitas nicht anders ist wie zu Hause: Der Umgang mit dem Thema ist sehr individuell und hängt mit dem eigenen Verständnis von Sexualität ab. Deshalb liegt es an den jeweiligen Erzieherinnen, wie selbstverständlich sie das Thema in den Kindergarten-Alltag integrieren.
Was dürfen sich die Kursteilnehmer von dem Vortrag erwarten?
Johanna Ehm will keinen Monolog halten, sondern von Anfang an in einen Austausch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern treten. „Wir werden uns an die eigene Kindheit und Jugend erinnern und daran, wie uns das Thema begegnet ist.“ Am Ende des Abends sollen alle Zuhörer mit einem Paket an praktischen Anleitungen auf Fragen nach Hause gehen, außerdem wird sie hilfreiche Medien und Materialien im Internet empfehlen. „Ich will vor allem vermitteln, dass Sexualaufklärung nicht nur ein Gespräch ist, sondern dass dahinter ein Riesenpotenzial steckt.“
Welche Zielgruppe ist angesprochen?
Der Kurs richtet sich nicht nur an Eltern, sondern auch an interessiertes Fachpersonal, das mit Kindern zu tun hat. Sie lädt explizit auch Männer zu diesem Abend ein, weil Väter gerade für Jungs bei diesem Thema eine wichtige Bezugsperson sind.
Termin: Der Vortrag „Offen reden, sicher begleiten: Wie Eltern altersgerecht und entspannt über Sexualität aufklären können“ findet in Neuburg am Donnerstag, 27. März, und in Schrobenhausen am Donnerstag, 13. März, in den jeweiligen Volkshochschulen um 17 Uhr statt. Anmeldung über die VHS oder über www.neuburg-schrobenhausen.de (in das Suchfeld „Frauengesundheit“ eingeben).
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