Gala der Unscheinbaren
Dank eines 4:3-Derbysiegs in Nürnberg gelingt den Panthern der beste Saisonstart seit sieben Jahren. Über seltene Torerfolge und ein gelungenes Comeback
Einen kecken Spruch konnte sich Doug Shedden dann doch nicht verkneifen. Der Trainer des ERC Ingolstadt schlenderte durch die Katakomben der Nürnberger Arena vorbei an seinem Verteidiger Colton Jobke, der mit introvertiertem Lächeln in der Ecke stand. „Hey Sniper“, murmelte Shedden ihm zu. Man muss wissen: Jobke ist nicht gerade als „Scharfschütze“ bekannt – er hatte an diesem Abend seinen erst dritten Treffer im 166. DEL-Spiel erzielt und dazu beigetragen, dass die Panther in einem packenden Derby gegen die Thomas Sabo Ice Tigers mit 4:3 (1:0, 0:3, 3:0) die Oberhand behielten.
Es war ein denkwürdiger Abend, der neben dem seltenen Torerfolg Jobkes so viele weitere Geschichten schrieb: die des erst 19-jährigen Tim Wohlgemuth, der sein erstes Tor im Eishockey-Oberhaus feiern durfte; die des Petr Taticek, der die Schanz im Sommer beinahe verlassen hätte, noch am Eröffnungswochenende auf der Tribüne schmoren musste und sich gestern ebenfalls in den Spielberichtsbogen eintrug. Und, zum Leidwesen jener, die es mit dem ERCI hielten, auch die des Brandon Buck. Der Neu-Nürnberger hatte in der vergangenen Saison seinen Weggang von den Panthern erzwungen und schenkte seinem ehemaligen Teamkollegen Jochen Reimer gleich zwei Tore ein.
Doch zurück auf Anfang: Mit derselben Aufstellung und derselben Abgeklärtheit wie schon beim 2:1-Auswärtserfolg in Köln begannen die Ingolstädter das bayerische Derby. Im Stile einer Heimmannschaft drückte der ERCI den Nürnbergern sein Spiel auf, ließ die individuell stark besetzten Franken dank schnellem Umschaltspiel und giftiger Zweikampfführung kaum zur Entfaltung kommen.
Folgerichtig fiel auch früh die Ingolstädter Führung: Jobke lies Heimgoalie Niklas Treutle mit einem Distanzschuss schlecht aussehen (6.). Kam Nürnberg zu Chancen, dann meist begünstigt durch Aussetzer der Ingolstädter Defensive. Das sollte sich im ersten Abschnitt, auch aufgrund eines aufmerksamen Reimers im ERCI-Tor, noch nicht rächen. Nach der Pause aber brachten zwei vermeidbare Wechselfehler Nürnberg wieder zurück in die Partie.
Erst rotierten die Panther während eines Nürnberger Konters, den ausgerechnet Buck zum Ausgleich nutzte (28.). Nur drei Minuten später – der ERCI hatte wegen zu vielen Akteuren auf dem Eis seine dritte Strafe des Drittels kassiert – ließ das in der bisherigen Saison noch torlose Nürnberger Powerplay die Torsirene schrillen. Einen Schlenzer von Taylor Aronson fälschte Brown zum 2:1 ab – eine bis dato unverdiente Führung. Zuvor hatte Pat Cannone einen Penalty vergeben (23.). Ingolstadt verlor nun den Faden, Nürnberg legte nach. Wieder war es Buck, der am langen Pfosten zum 3:1 einschob (36.).
„Ich habe dem Team gesagt: Ihr spielt gut, bleibt dran. Ihr schießt das nächste Tor“, antwortete Shedden nach der Partie auf die Frage, ob es in der Pause eine Standpauke gesetzt hatte.
So sollte es dann auch kommen. Die Gäste rissen das Heft erneut an sich. Taticek besorgte den Anschlusstreffer, nachdem er sich mit Sturmpartner Vili Sopanen die Scheibe eher glücklich hin- und hergeschoben hatte (46.), Wohlgemuth kam kurz darauf mit einem Schlenzer zum Premierentreffer (47.). „Einfach unglaublich. Ich habe das noch gar nicht so recht realisiert“, sagte der sichtlich überwältigte Youngster im Nachgang. „Wir brauchen jeden. Es war schön, Tim und Petr treffen zu sehen“, lobte Shedden.
Für das Siegtor sorgte letztlich Mike Collins, der in doppelter Überzahl einen genialen Pass von Tyler Kelleher verwertete (52.). Shedden sprach von einem „charakterbildenden Sieg. Wir haben uns nicht aufgegeben“.
Zur Belohnung geht es für die Mannschaft heute aufs Oktoberfest. Gründe zu feiern gibt es schließlich viele: seltene Torerfolge, ein gelungenes Comeback und den mit drei Siegen aus vier Partien besten Saisonstart der Panther seit sieben Jahren.
ERC Ingolstadt Reimer – Edwards, Koistinen; Wagner, Friesen; Kohl, Sullivan, Jobke – Sopanen, Olver, Taticek; Kelleher, Cannone, Collins; Greilinger, Olson, D’Amigo; Elsner, Wohlgemuth, Ramoser Tore 0:1 Jobke (6.), 1:1 Buck (28.), 2:1 Brown (31./PP), 3:1 Buck (36.), 3:2 Taticek (46.), 3:3 Wohlgemuth (47.), 3:4 Collins (52./PP2) – Zuschauer 4014
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