Für mehr Lebensqualität am Lebensende kämpfen will ein Netzwerk aus Akteuren der Hospiz- und Palliativmedizin in Ingolstadt. Das Netzwerk, das es nun seit einem Jahr gibt, stellte sich kürzlich bei einem Pressetermin vor - bei dem die Mitglieder des Steuerkreises gleichzeitig verkündeten, dass das Projekt bereits um seine Existenz bangen muss. Denn es ist von Fördermitteln der Stadt abhängig, die möglicherweise aus Spargründen eingestellt werden. Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen hat man es deshalb erst gar nicht umgesetzt, sondern sich für eine andere Lösung entschieden. Wer und was steckt also hinter dem Netzwerk und wie ist es um die Zukunft der Palliativversorgung in der Region bestellt?
In Ingolstadt gibt es ein Hospiz, einen Hospizverein, eine sogenannte Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und viele weitere Einrichtungen. Insgesamt 976 regionale Akteure mit Bezug zur hospizlich-palliativen Versorgung hat eine Projektgruppe der Technischen Hochschule Ingolstadt identifiziert. Doch nicht jedem sind sie bekannt. Insbesondere Menschen in ihrer vielleicht sensibelsten Lebensphase können hier leicht den Überblick verlieren, an wen sie sich wenden können. Verbindungen zwischen den einzelnen Akteuren herzustellen und sie mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, ist Ziel des Hospiz- und Palliativnetzwerks der Region Ingolstadt, das 2024 gegründet wurde.
Das Hospiz- und Palliativversorgungsnetzwerk Ingolstadt will die Akteure bekannt machen
Denn das Recht auf eine ganzheitliche, medizinisch, pflegerisch, psychosozial und spirituell abgestimmte Versorgung an jedem Lebensort ist in der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen festgeschrieben, heißt es in einer Mitteilung des Netzwerks. Doch das Sozialsystem ist komplex - und so stellt die Umsetzung dieser Prinzipien Versorgende und Betroffene vor enorme Herausforderungen, wie die Mitglieder des Steuerkreises des Netzwerks berichten. Durch ihren Zusammenschluss wollen sie die Hürden abbauen oder zumindest verringern. In diesem Sinne hat sich das Netzwerk folgendes Ziel auf die Fahnen geschrieben: „Menschen in ihrer letzten Lebensphase durch vernetzte, qualitativ hochwertige Versorgung zu begleiten – ambulant wie stationär, professionell wie ehrenamtlich. Dabei stehen Würde, Autonomie und Lebensqualität im Fokus.“
Konkret bedeutet das, das Netzwerk will die Qualität der Versorgung am Lebensende sichern, Beratungsangebote für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte zugänglich machen, interdisziplinäre Schulungen organisieren, die gesellschaftliche Sensibilisierung fördern und neue Versorgungsformate entwickeln wie etwa kultursensible Angebote, Angebote für Menschen mit Behinderungen und eine digitale Plattform für Fachkräfte und Betroffene. Das Netzwerk ist nach eigener Aussage politisch, konfessionell und kulturell unabhängig. Es steht allen offen, die sich für hospizlich-palliative Versorgung engagieren wollen.
Doch die Sache hat einen Haken, an dem die Komplexität des deutschen Sozialsystems einmal mehr sichtbar wird: Die Netzwerkkoordination zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung auf kommunaler Ebene wurde auf Grundlage der Förderrichtlinie des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen etabliert. Dementsprechend werden pro Netzwerk Personal- und Sachaufwand mit maximal 15.000 Euro im Jahr gefördert – unter der Bedingung, dass Stadt oder Landkreis denselben Betrag kofinanzieren. Die Stadt Ingolstadt bewilligte diese Förderung im August 2023 für das Jahr 2024. Der Hospizverein Ingolstadt übernahm die Trägerschaft für die Netzwerkkoordination - eine halbe Stelle, die mit Renate Fabritius-Glaßner besetzt wurde. Die Richtlinie besagt aber auch: Sollte die kommunale Zahlung wegfallen, gibt es auch keine Förderung mehr durch die Krankenkassen - und das Netzwerk steht ohne Geld da.
In Neuburg-Schrobenhausen hat man die Förderung nicht bewilligt
Für 2025 ist das Fortbestehen des Versorgungsnetzes nach eigenen Angaben noch gesichert. Doch was das Jahr 2026 betrifft, stehen die „freiwilligen Leistungen“ der Stadt Ingolstadt, zu denen eben auch diese Förderung gehört, auf dem Prüfstand. Deshalb bangen die Mitglieder nun um die Zukunft ihres noch jungen Projekts. Auf Nachfrage sagt der Pressesprecher der Stadt Ingolstadt, dass es aktuell keinen Verwaltungsvorschlag gibt, an der Förderung des Netzwerks zu kürzen. Allerdings werde das Thema erst in einer der beiden kommenden Stadtratssitzungen behandelt, also im Juni oder Juli, und es sei aktuell nicht vorhersehbar, was die Diskussion im Stadtrat bringen werde.
Der Hospizverein Neuburg-Schrobenhausen hatte 2023 ebenfalls einen Antrag auf Förderung einer Netzwerkkoordination der Hospiz- und Palliativarbeit beim Landkreis gestellt. Die zuständigen Gremien entschieden allerdings im Herbst 2023 im Rahmen der Haushaltsberatungen für das Haushaltsjahr 2024, „dass dieses Konzept auf Grund der schwierigen Haushaltssituation des Landkreises derzeit nicht förderbar ist“, wie Christian Kutz, Leiter des Sachgebiets Senioren und Betreuung beim Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen, erklärt. Fachlich wäre ein solches Netzwerk zwar durchaus sinnvoll, räumt Kutz ein, angesichts der strikten Haushaltsvorgaben könne dieses Projekt aber in den nächsten Jahren nicht vom Landkreis unterstützt werden. Und eine solche Netzwerkkoordination mache auch nur Sinn, wenn sie auf Dauer angelegt sei, fügt der Experte noch hinzu. Der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen versuche stattdessen im Rahmen des Projekts „Pflegetisch“ eine gewisse Vernetzung der Akteure in der Projektgruppe „Hospiz- und Palliativversorgung“ zu gewährleisten.
Die Mitglieder des Netzwerks
- Die Gründungsmitglieder:
- Klinikum Ingolstadt (Palliativstation)
- Inzwischen hat das Netzwerk noch 13 weitere Mitglieder.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden