
Kindesmissbrauch: Haftstrafe für Angeklagten


Mann aus Donauwörth muss viereinhalb Jahre hinter Gitter, weil er sich an Kindern vergangen hat.
Weil ein Mann aus Donauwörth in mindestens zwölf Fällen die neunjährige Tochter seiner Ex-Lebensgefährtin, seinen zwölfjährigen Sohn beziehungsweise dessen Schulfreund sexuell missbraucht hat, muss er für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Dieses Urteil hat die Jugendkammer des Landgerichts Augsburg gestern gefällt. „Der Angeklagte hat sich erheblich strafbar gemacht“, stellte Vorsitzender Richter Lenart Hoesch fest.
Nach drei Verhandlungstagen sei die Kammer davon überzeugt, dass sich der 65-Jährige in den Pfingst- oder Sommerferien 1997 an der Tochter seiner damaligen Partnerin verging. Dies geschah auf dem Sofa des Wohnzimmers. Damit war aber nicht Schluss: Weitere neunmal missbrauchte er das Mädchen in deren Kinderzimmer und im Badezimmer. Die Neunjährige offenbarte sich ihrer Oma und einer Erzieherin. Die Folge war eine Anzeige. Doch die Schülerin zog ihre Aussage wieder zurück – auch weil der Täter Druck auf das Kind ausgeübt habe, so Hoesch.
Die Tat bliebt lange im Verborgenen
So blieb die Tat lange Zeit ungesühnt. Gleiches galt für die Vorkommnisse in einer Nacht im Sommer 2006. Da ging der frühere Berufssoldat nach Überzeugung des Gerichts ins Zimmer seines Sohns und nahm sexuelle Handlungen am Freund vor, der auf einer Matratze in einem Schlafsack neben dem Bett lag. Wenig später kehrte der Mann zurück und machte Gleiches mit dem Sohn, der inzwischen aus dem Bett auf die Matratze gewechselt war. Ob der Vater den Tausch bemerkte, konnte dem Vorsitzenden zufolge im Prozess nicht geklärt werden.
Die Fälle kamen im vorigen Jahr durch eine Strafanzeige des Sohns ins Rollen, der von den drei Opfern am massivsten unter den psychischen Folgen der Tat litt und noch immer leidet. Die Aussagen der Missbrauchten hielt das Gericht für absolut glaubwürdig. Die Stieftochter habe „klare, eindeutige Angaben“ gemacht, der Sohn sei bis heute seelisch erheblich belastet und dessen Schulfreund sei die Sache derart peinlich gewesen, dass er sogar von der Polizei vorgeführt werden musste.
Der durch einen Schlaganfall gesundheitlich angeschlagene Angeklagte gab im Ermittlungsverfahren an, er erinnere sich an nichts – und schwieg im Prozess. Verteidiger Florian Engert hatte beantragt, das Verfahren einzustellen, weil sein Mandant der Verhandlung offenbar gar nicht folgen habe können. Dies sah die Kammer anders. Sie registrierte laut Hoesch keine Anhaltspunkte, dass der Gesundheitszustand derart desolat sei.
Angeklagter im Gerichtssaal: Stets gesenkter Blick
Dass ein Angeklagter keine Angaben zur Sache mache, sei „gängige Verfahrensstrategie.“ Auch das „Dasitzen mit gesenktem Blick“ sei nicht ungewöhnlich. Im Übrigen habe der 65-Jährige stets prompt reagiert, wenn er angesprochen worden sei.
Zeugen hätten ausgesagt, dass auch nach dem Schlaganfall eine „gute Unterhaltung“ mit dem Mann möglich gewesen sei. Einen Zettel mit Telefonnummern und Geburtsdaten, den der Angeklagte mit sich führte und der Beleg für die Orientierungslosigkeit sein sollte, ließ die Kammer ebenfalls nicht gelten. „Der Zettel kann noch nicht lange im Geldbeutel sein“, sagte Lenart Hoesch, der das Papierstück aus dem bereits älteren Portemonnaie in Augenschein genommen hatte.
Die Einzelstrafen für die Fälle sah das Gericht nach Angaben von Hoesch zum Teil bei über drei Jahren. Daraus bildete die Kammer die Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Dass sie nicht höher ausfiel, liege an mehreren Faktoren, die man berücksichtigt habe. So habe sich das Verfahren lange hingezogen und die „Haftempfindlichkeit“ des 65-Jährigen sei durch sein Alter und die Einschränkungen nach dem Schlaganfall „deutlich erhöht.“
Sogleich in Haft nehmen – wie von der Staatsanwältin beantragt – wollte das Gericht den Donauwörther nicht. Eine Verdunklungsgefahr liege nicht vor. „Eher besteht die Möglichkeit der Flucht in die Haftunfähigkeit“, merkte der Vorsitzende Richter an. Soll heißen: Das Gericht hält es für nicht ausgeschlossen, dass der Verurteilte vorgibt, aus gesundheitlichen Gründen die Gefängnisstrafe – wenn diese rechtskräftig ist – nicht antreten zu können. Eventuelle Anträge seien kritisch zu prüfen.
Die Staatsanwaltschaft hatte fünfeinhalb Jahre Haft beantragt.
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