
Zeugnis musikalischer Marienverehrung

Großartige Aufführung der „Marienvesper“ von Claudio Monteverdi
Nördlingen Bereits die Ankündigung der Marienvesper von Claudio Monteverdi in der evangelischen St. Georgskirche Nördlingen und bei der Begrüßung von Dekan Gerhard Wolfermann ließ ahnen, dass Zweifel bestanden, ob die Aufführung einer Marienvesper an diesem Ort geeignet sei. Tatsächlich gab es vor 50 Jahren noch Aufführungsverbote in protestantischen Kirchen. In kirchlichen Veranstaltungskalendern stellt man heute aber fest, dass die „Marienvesper“ Claudio Monteverdis inzwischen in vielen evangelischen Kirchen zu hören ist, also als Standardwerk der Kirchenmusik akzeptiert wird. Die theologischen Standpunkte zur Marienverehrung treten zugunsten der Musikpflege zurück.
Meilenstein christlicher Musikkultur
Der Nördlinger Kirchenmusikdirektor Udo Knauer sah die Verpflichtung, dieses Werk als Meilenstein christlich abendländischer Musikkultur auch in Nördlingen einer breiten Zuhörerschaft vorzustellen. Um dieses Vorhaben in der insgesamt grandiosen Aufführung verwirklichen zu können, konnte Udo Knauer die optimalen Voraussetzungen dafür schaffen. Nicht nur dass es ihm gelang, den Kammerchor von St. Georg durch konsequente Auswahl besonders qualifizierter Sängerinnen und Sänger auf einen überregional bedeutsamen Stand zu führen, sondern auch mit dem Collegium Musicum Stuttgart auch ein ideales, mit historischen Instrumenten besetztes, sehr erfahrenes Ensemble verpflichten konnte. Sieben profilierte Gesangssolisten garantierten für ein absolut professionelles Solistenensemble mit zwei strahlenden Sopranistinnen (Maria Bernius und Stephanie Krug), zwei tragenden Bassstimmen (Thomas Gropper und Felix Rathgeber), zwei klangschönen Tenören (Maximilian Argmann, Christian Rathgeber) und einem als Altus bezeichneten Countertenor (Andreas Pehl). Dazu gehörte dann auch noch ein Chor aus Kindern und Jugendlichen aus dem St. Georg-Chornachwuchs mit frischen Stimmen.
Damit konnte Knauer das Epoche machende Werk Monteverdis so ins Werk setzen, wie es sich der Komponist für eine vorgesehene Aufführung in der St. Markuskirche Venedig vorgestellt haben könnte, in einem hohen und weiträumigen Kirchenraum, wie ihn auch die St. Georgskirche Nördlingen bietet. Durch eine Verteilung der Solisten auf Orgelempore, Kanzel und Chorraum konnte immer wieder ein besonderer Raumklang geschaffen werden.
Das „Invitatorium“ des Tenors auf der Kanzel eröffnete mit „Deus, in adiutorium meum intende“ („Gott, komm mir zu Hilfe!“) die in einer Marienvesper übliche Reihe von lateinischen Hymnen und Gesängen, die der Marienverehrung dienen oder auf Psalmtexten beruhen, nach dem festgelegten Ablauf eines abendlichen „Stundengebetes“ an Marienfesttagen. Monteverdi beabsichtigte aber in erster Linie die Schaffung eines Kunstwerkes und fügte deshalb „Concerti“ ein, bei denen er in damals modernem monodischem Stil Rezitative und Arien entwickelte, ein bedeutender Beitrag zur Entwicklung von Oratorium und Oper. Diesen neuen Musikstil und den authentischen Klang gab das Collegium Musicum Stuttgart auf in der Zeit gebräuchlichen Instrumenten, wie Zinken, Gambe, Theorbe, Blockflöten, vorbildlich wider. Das intonationssichere Spiel der Zinkenisten mit einer Art von Trompetenmundstücken verdient besonderer Erwähnung. Dabei brillierten auch die Gesangssolisten, beginnend mit dem solistischen „Nigra sum“ (aus dem Hohelied Salomons) über das zu Herzen gehende Sopran-Duett „Pulchra es“ (gleichfalls aus dem Hohelied) und das mit Koloraturen gespickte Terzett „Duo Seraphim“ bis hin zu dem vom Solo auf sechs Stimmen sich steigernden „Audi, coelum“. Hier bewährten sich sowohl die individuellen Stärken der Sängerinnen und Sänger als auch die klangliche Abstimmung des Instrumentalensembles und dessen problemloses Eingehen auf den Dirigenten.
Seinem souveränen Dirigat folgte auch der Kammerchor bei den vielstimmigen Chorsätzen stets aufmerksam und trug mit ausgefeilter Dynamik und exakten Einsätzen ein Wesentliches zum perfekten Gelingen der Aufführung bei und ließ vor allem den berühmten Hymnus „Ave, stella maris“ und das abschließende „Magnificat“ zu einem großartigen Erlebnis werden.
Ein hoch verdienter Beifall hallte noch lange den wunderbaren Klängen in den weiten Gewölben von St. Georg nach.
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