Wo die Menschen fehlen, kommt die Einsamkeit. Sie schleicht sich ein in die vier Wände, in das Gedanken- und Gefühlsleben und zieht Mauern hoch zwischen dem Einzelnen und der Welt. Laut dem Einsamkeitsbarometer sucht sie jede vierte Person in Deutschland heim, am häufigsten junge Menschen und Ältere.
Bei Älteren öffnen die Umstände der Einsamkeit Tür und Tor: Sie werden krank und können ihre Wohnung nicht verlassen, verlieren ihr Netzwerk, weil die Pflege des Partners sie bindet. Oder sie vereinsamen am Tod der Angehörigen. In der Isolation können sie oft schwer erreicht werden. Michael Jahnz von der Evangelischen Kirchengemeinde Nördlingen weiß das. Seit einigen Jahren sitzt der Diakon im von ihm mitbegründeten Ausschuss für Altersarbeit, hat Projekte gegen die Einsamkeit hochgezogen. Er hat Menschen beim Mittagstisch erreicht, beim Seniorenkreis oder bei Digitalpatenschafen. Aber eine Gruppe rutsche ihm durch, sagt er. „Die, die sich in ihrer Isolation eingerichtet haben.“ Aus Scham, vermutet Jahnz, seien die Mauern wohl zu hoch geworden.
Diakon Jahnz möchte ältere einsame Menschen bei Begegnungen erreichen
Auf einer Konferenz übers Altern hat Diakon Jahnz von der dänischen Gemeinde Aarhus gehört. Dort werden Postkarten an Ältere verteilt und diese persönlich eingeladen, sich mit ehrenamtlichen Patinnen und Paten zu verabreden. Das wollte Jahnz auch für Nördlingen: Gemeinsam mit der Stadt rief er das Projekt „Ich geh‘ mit“ ins Leben. Seit ein paar Monaten bemüht er sich um Ehrenamtliche, die bereit sind, einmalig, selten oder regelmäßig mit älteren Menschen etwas zu unternehmen: Ein Eis essen oder einen Kaffee trinken, einen Spaziergang unternehmen oder einen Gottesdienst besuchen. Oder auf dem Friedhof zum Grab der Nahestehenden schauen.
Aktuell sucht Diakon Jahnz die Zielgruppe: ältere, einsame Menschen. Um diese zu erreichen, können man die Einladungen nicht einfach in der Kirche auslegen, sagt Jahnz. „Ich glaube, dass man persönlich auf sie zugehen und aus der Isolation holen muss.“ Neben einem Aufruf im Evangelischen Gemeindeboten suchen die Stadt und die Evangelische Gemeinde also den direkten Umgang. Wenn es gilt, einem älteren Menschen die Geburtstagsgrüße vorbeizubringen, etwa. Oder bei Beerdigungsgesprächen. „Wenn ich im Gespräch merke, jemandem täte unser Angebot gut, lasse ich eine Postkarte dort“, erzählt Jahnz. Die Postkarte ist eine Vorlage der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit der Evangelischen Kirche Deutschland. Die Menschen können die Postkarte mit ihrer Adresse ausgefüllt an den Diakon zurückschicken.
Der Diakon will die Postkartenabsender dann mit den Ehrenamtlichen zusammenbringen. Obwohl das Angebot so niedrigschwellig wie möglich sein soll, müssen die Älteren eine letzte Hürde überwinden: Die Postkarte absenden und vor dem Diakon damit ihre Einsamkeit offenlegen. Jahnz hofft, dass das Angebot angenommen wird. „Wenn wir 50 Menschen in Nördlingen aus der Einsamkeit holen, ist das gut.“
Wer sich ehrenamtlich im Projekt engagieren oder das Angebot in Anspruch nehmen möchte, kann sich im evangelischen Pfarramt melden unter Telefon 09081/4035 oder per e-Mail an pfarramt.noerdlingen@elkb.de.
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