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Rieser Bergsteiger Gerhard Münderlein über seine Besteigung des Ojos del Salado in Chile

Bergsteigen

Zwei Rieser in den Anden: „Die Höhe ist eine andere Welt“

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    Günter Bissinger (links) und Gerhard Münderlein vor dem Ojos del Salado in Chile, dem zweithöchsten Berg Südamerikas.
    Günter Bissinger (links) und Gerhard Münderlein vor dem Ojos del Salado in Chile, dem zweithöchsten Berg Südamerikas. Foto: Münderlein

    Warum nimmt man größte Strapazen und Entbehrungen auf sich, um knappe 7000 Meter über dem Meeresspiegel zu stehen? Das fragen sich selbst erfahrene Höhenbergsteiger, wenn sie nachts im Basislager aufwachen und bei minus 20 Grad auf die Toilette müssen. Und doch würden sie es immer wieder tun – so wie die beiden Rieser Gerhard Münderlein und Günter Bissinger, die Mitte Oktober nach Chile aufgebrochen sind, um den 6893 Meter hohen Gipfel des Ojos del Salado in Angriff zu nehmen. Auf ihrer dreiwöchigen Reise erleben sie unvergleichliche Natur und die Schönheit der Anden. Aber auch ein Schreckmoment bleibt in Erinnerung.

    Münderlein (aus Utzwingen, gebürtig aus Dürrenzimmern) und Bissinger (Appetshofen) sind in Sachen Höhenbergsteigen keine Anfänger. Begonnen hat ihre Leidenschaft für große Höhen 2011 mit der Besteigung des Kilimandscharo in Tansania, es folgten der Großglockner (2013), Gran Paradiso mit Teilaufstieg Mont Blanc (2015), der Elbrus (2017) und zuletzt der Mera Peak in Nepal mit 6461 Metern im Jahr 2021. „Blut geleckt“ habe er da, so Gerhard Münderlein, der zuvor mit dem Alpenverein auf Klettersteigen und beim Wegebau unterwegs war, bis ihn die Höhe packte. Mit dem Ojos sollte es nun eine ganz neue Herausforderung werden.

    Rieser Höhenbergsteiger in den Anden: Akklimatisation ist lebenswichtig

    Der Ojos del Salado ist der höchste Vulkan der Welt und der zweithöchste Berg Südamerikas. Die Tour der beiden Rieser zu diesem Riesen musste zweimal verschoben werden, doch beim dritten Anlauf lief alles reibungslos. Die optimale Zeit für die Besteigung liegt im Frühling auf der Südhalbkugel, zwischen Mitte Oktober und Mitte November, da zu anderen Jahreszeiten starke Stürme den Aufstieg fast unmöglich machen. So ging es los am 16. Oktober. Ihre weiteren Bergkameraden trafen sie erst vor Ort: den Schweizer Bergführer Tobias, der in Chile lebt, Matthias aus Chile, Erwin aus Österreich, Gerhard aus Fürstenfeldbruck und Holger aus Amberg. Tobias und Matthias sollten sich noch wegen ihrer hervorragenden Bewirtung im Camp ins Gedächtnis der Rieser Bergsteiger einbrennen.

    Von Santiago de Chile aus startete die Gruppe ins erste Camp in Farellones auf 2500 Metern Höhe. Hier begann die wichtige Akklimatisation. Der Körper muss auf Touren in großer Höhe vorbereitet werden, um mit der verringerten Sauerstoffkonzentration der Atemluft zurechtzukommen, sonst drohen die Höhenkrankheit und schlimmstenfalls tödliche Höhenhirnödeme und Lungenödeme. „Du musst hoch und runter, immer Touren auf die Berge machen, dann wieder runter und in der Tiefe schlafen“, so Münderlein. Der erste Akklimatisierungsgipfel war der Cerro Pintor (4200 Meter). Nach einigen weiteren kleineren Touren kehrten sie nach Santiago zurück.

    Günter Bissinger aus Appetshofen erringt in den Anden einen persönlichen Erfolg

    Mit einem Nachtbus reisten sie 800 Kilometer nordwärts in die Minenstadt Copiapó, wo zwei geländetaugliche Pick-ups und die Ausrüstung für die nächsten Wochen auf sie warteten. 200 Kilometer ging es weiter nach Norden und über El Salvador zur verlassenen Borax-Mine, wo sie auf 3400 Metern ihr Lager für die nächsten Akklimatisierungstage aufbauten. Von dort unternahmen sie weitere Touren, unter anderem auf den Vulkan Don Inés (5000 Meter) und einen kleineren Vulkan mit 3500 Metern.

    Das nächste Lager wurde bei der beeindruckenden Laguna Verde bezogen, einem Salzsee (4300 Meter). Eine Akklimatisationstour auf den Mulas Muertas (5400 Meter) musste wegen Sturmböen von bis zu 100 km/h vorzeitig abgebrochen werden. Einen Tag später ging es an der chilenisch-argentinischen Grenze auf den Cerro San Francisco (6018 Meter). Der Aufstieg dauerte sieben Stunden, und am Ende war es für Bissinger ein besonderer Moment, denn es war der erste 6000er, den er hier geschafft hatte (das Hochlager in Nepal, das der Appetshofener bei der Besteigung des Mera Peak erreicht hatte, war in knapp 6000 Metern Höhe). Den Ojos del Salado packte er nicht mehr an, Gerhard Münderlein schon.

    Ojos del Salado ist in doppelter Hinsicht der Höhepunkt des Abenteuers

    Vom letzten Hochlager Atacama auf 5300 Metern wurden noch eine Tour zur Hütte Amistad auf 6100 Metern und weitere kleinere Touren unternommen, bevor das große Ziel der Reise anstand. Am Gipfeltag startete die Gruppe um 4 Uhr morgens bei minus 22 Grad Celsius. Leider konnten Tobias, Erwin und Günter den Gipfel nicht mitbesteigen. Erwin musste aufgrund einer starken Entzündung im Mund bereits vorzeitig zurück nach Caldera, um Medikamente zu besorgen. Günter litt schon seit Tagen unter der Höhenkrankheit, und Tobias kämpfte mit einer Erkältung. Der Weg auf den Ojos del Salado führt über Geröll und tiefe Vulkanasche, die das Vorankommen erschweren. „Man steigt drei Schritte rauf und rutscht zwei wieder runter“, erinnert sich Münderlein an die spezielle Herausforderung dieses Vulkans. Dazu kam ein enormer Wind, der drohte, einen umzublasen: „Am Elbrus hatte es auch starke Winde, aber hier war es so stark, dass man sich umdrehen und festhalten musste, um nicht runterzufallen.“

    Nach etwa neun Stunden erreichten sie den Kraterrand auf 6700 Metern. Bis zum Gipfel waren es noch 200 Höhenmeter und eineinhalb Stunden Aufstieg durch grobes Blockgelände. Mit Seilen erklommen sie schließlich die Kraterwand und standen auf dem höchsten Vulkan der Erde. Der Ojos del Salado war für Münderlein dann auch ganz klar der Höhepunkt der dreiwöchigen Unternehmung: „Alles andere, die Akklimatisationsvulkane, waren schon auch super. Aber das Ausmaß, das der hat, war nochmal ein anderes. Da war alles dabei, und richtig brutal, weil er war steiler und hat einem alles abverlangt.“ Ein grenzenloser Blick über die Gebirgswüste der Atacama war der verdiente Lohn.

    Einer der Bergsteiger stürzt beim Abstieg, doch die Gruppe hat Glück im Unglück

    Der Abstieg jedoch brachte eine Schrecksekunde: Holger, der vorneweg ging, rutschte ab, stürzte in eine Spalte und konnte sich allein nicht mehr befreien. Professionelle Hilfe in dieser Gegend schien aussichtslos, denn die Gruppe hatte nur Satellitenfunk zur Verständigung mit der Zivilisation. Glücklicherweise erlitt Holger nur leichte Verletzungen, die Gruppe konnte ihm helfen und es ging weiter. „Da haben wir Dusel gehabt, ohne Ende“, erinnert sich Münderlein. Nach fünf Stunden Abstieg erreichten sie erschöpft, aber glücklich das Hochlager.

    War es das nun alles wert? Das kommt darauf an, wann man fragt. „Danach sagt man, wie blöd kann man sein? Du lässt jeglichen Komfort außen vor, plagst dich wie ein Hund, frierst, könntest um das Geld genauso in der Karibik liegen. Oder nachts, wenn's richtig reinpfeift. Es gab kein Eck, wo es nicht geblasen hat. Und nachts raus, bei Minusgraden, ist nichts, was man mal schnell so macht. Und dann sagt man: nie wieder“, so Gerhard Münderlein. Im Atacama-Lager habe er das Gefühl gehabt, dass er es nicht nach oben schaffen würde. „Aber genau, wenn man sagt, man kann keinen Meter mehr laufen, muss man weitergehen, den inneren Schweinehund überwinden. Jeder Tritt ist eine Qual, es wird einem nicht ein Gramm geschenkt.“ Dazu brauche es eine gewisse Erfahrung mit der Höhenkrankheit, damit man merkt, ab wann man in Gefahr ist. „Die Höhe ist eine andere Welt“, so der Utzwinger.

    Doch für solche, die einmal Blut geleckt haben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie die schlechten Seiten des Ganzen wieder vergessen haben, und wieder Lust bekommen auf so eine extreme Tour. Bis bei Münderlein und Bissinger die Lust auf die Höhe wieder kommt, dauere es laut Münderlein noch eine Weile. Doch sie wird kommen.

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