Viele Kinder machen in den Faschingsferien einen Skikurs. Und plötzlich verändern sich für die Eltern die Perspektiven. Ein Erfahrungs-Bericht und viele Expertentipps
Ich habe es genau beobachtet. Captain Helmchen hat alles gegeben. Anlauf genommen... Und schon ist er stecken geblieben. Auf halbem Weg zur Liftstation. Das flache Plateau hat sich für ihn in eine unendliche Weite verwandelt. Captain Helmchen stapft mit seinen Skiern an den Füßen los wie ein energischer Pinguin. Gleich werden wir zu zweit marschieren, denn welche Mutter rauscht schon an ihrem Kind vorbei – Huhu, ich bin schon am Lift! – während sich der Nachwuchs abquält.
Wie war das doch früher gewesen, in diesem anderen Skifahrer-Leben, in dem man noch kein Zwitterwesen aus Motivator, Bodyguard und Pistenbutler war. Als man die Skigebiete nach ihrer Größe und der Anzahl der schwarzen Pisten auswählte. Als man noch ohne Trinkflasche, Gummibärchen und Taschentücher im Rucksack unterwegs war, als man überhaupt ohne Rucksack unterwegs war...
Der Sinneswandel setzte mit den ersten Skiern von Captain Helmchen ein. Schwarze Pisten? Wer braucht denn so was? Je flacher, desto besser! Auch die Größe eines Skigebietes spielt plötzlich keine Rolle mehr, wir kommen eh nicht weit. Wie sehr haben sich die Perspektiven verschoben. Auf einmal sind die Pisten so riesig und der Fünfjährige ist so klein. Sind die anderen so schnell und ist Captain Helmchen so beschützenswert. Haben die Raser diesen Ski laufenden Meter überhaupt im Blick? Da fährt man doch lieber seinem Kind die ganze Talabfahrt hinterher – im Pflug, als natürliches Schutzschild sozusagen.
In Amerika läuft das anders, da gibt es ausgewiesene Familienabfahrten. Freundliche Helfer in Bobby-Polizeiuniform stehen auf der Piste und bremsen Raser aus. Andreas König, Sicherheitsexperte beim Deutschen Skiverband, würde sich grundsätzlich mehr Rechte für Kinder auf den Skipisten wünschen. Eltern rät er, Pistenpläne vorab genau zu studieren. Wie viele leichte (blau gekennzeichnete) Pisten gibt es im Skigebiet? Seien es viele, garantiere das Abwechslung. Aber auch mehr Sicherheit. Denn hier blieben Familien oft unter sich. Grundsätzlich rate er Familien, kleine, übersichtliche Skigebiete auszusuchen, in denen ein Kind die Orientierung nicht verliere. Auch der einfache Ortslift habe seine Vorteile. Die Preise seien überschaubar, selten müsse man anstehen und die Kinder könnten fahren, fahren, fahren.
Wir haben mit Captain Helmchen viel erlebt, bis wir endlich auf der Piste angekommen waren. Die wenig glücklichen Versuche auf Plastikrutscherchen, die Verwandlung der Eltern in Skilifte, glückliche Momente auf Zauberteppichen, Geduldsproben am Babyhang, die ersten Bögen, verzweifelten Anstrengungen mit diesen langen Brettern an den Füßen wieder aufzustehen...
„Wenn ein Kind sagt, es hat keine Lust mehr, dann muss man unbedingt aufhören“, sagt Andreas König. Auch wenn dies schon nach zehn Minuten der Fall sei. Natürlich könne ein Motivations-Gummibärchen noch eine Zeit lang hilfreich sein, aber grundsätzlich sollten Eltern auf ihre Kinder hören. „Es geht ja um einen schönen Tag im Schnee und nicht um Pistenkilometer“, betont der Sicherheits-Experte. Viele Pausen seien außerdem wichtig. Während der Abfahrt sollten Eltern immer wieder mal am Rand der Piste stehen bleiben. Aber auch über den Tag verteilt, seien mehrere Pausen sinnvoll. Skifahren ist für Kinder anstrengend. Zwei, drei Stunden auf Skiern sind laut König absolut ausreichend, ab Schulalter können die Kleinen vielleicht vier Stunden schaffen. „Lieber baut man am Nachmittag noch einen Schneemann oder geht Rodeln.“
Und wir haben viel gesehen. Zum Beispiel eine Kinder-Skischul-Fabrik in Österreich, wo wir für Captain Helmchens Schnuppertag fünfzig Euro bezahlt haben, was uns ehrlich gesagt recht geschehen ist. Warum nur haben wir nicht auf unser Bauchgefühl gehört, das konnte nicht gut gehen. Mindestens zehn bunte Zauberbänder nebeneinander. Eine thailändische Betreuerin. Sie hat die Kinder nicht verstanden und die Kinder sie auch nicht. Und obendrauf noch ein Clown-Animateur in der Mittagspause. So hatten wir uns die ersten Schritte von Captain Helmchen auf Skiern nicht vorgestellt und unser Kind sich seine auch nicht. Eine Fahrt auf dem Zauberteppich, das war’s. Wir haben es verstanden.
Grundsätzlich sind diese Kinderreiche aber eine „tolle Sache“, so König. Hier könnten sich die Kinder ganz spielerisch ausprobieren: über Wellen düsen, Kurven fahren, über Schanzen springen. Da lernen sie ganz viel, ohne es zu merken, erklärt der DSV-Experte. Deswegen sollten fitte Eltern mit ihren Kindern auch über Schanzen und Waldwege fahren. „Das macht doch den Kindern am meisten Spaß“. König hat selbst viele Jahre lang Kinderskikurse gegeben.
Dann standen wir am Babyhang und überlegten: Wie war das doch noch mal, wie haben wir selbst Kurven fahren und bremsen gelernt? Und wie sage ich es meinem Kinde? Gar nicht. Offensichtlich. Denn dieses liegt schon gelangweilt im Schnee und mag nicht mehr aufstehen.
In den Skischulen hat sich so einiges verändert. Pflug und Schuss lernt heute kein Schneefloh mehr. Heute üben die Kleinen Pizza und Pommes. Und fahren als Riesen und Zwerge die Pisten hinunter. „Es hat sich unheimlich viel getan“, sagt König, heute weiß man viel mehr über Bewegungsabläufe.“ Nur ein Beispiel: Manche Skilehrer geben den Kindern Plastik-Lenkräder in die Hände und lassen sie damit den Hang hinunterlenken. So lernen sie ganz spielerisch, wie sie sich in die Kurven legen müssen.
O je, jetzt sind wir schon dran. Wie bekomme ich mein Kind nun in den Sessellift? Und wohin mit meinen Stöcken? Und diesem Rucksack? Und wie kriege ich schnell meine Hände frei, um dem Kleinen in den Lift zu helfen. Schon packt ein Mann meinen Sohn, setzt ihn auf das blaue Polster, Captain Helmchen will Schokolade und ich klappe den Sicherheitsbügel runter. Jetzt nicht darüber nachdenken, wie wir aus diesem Ding gemeinsam wieder rauskommen.
„Die Kinderfreundlichkeit eines Skigebietes steht und fällt mit dem Liftpersonal“, betont König. Dennoch sollte jedes kleine Kind mit einem Erwachsenen Sessellift fahren.“ Viele Skigebiete haben deswegen an den Sesselliften eine eigene Kinderspur auf der rechten Seite eingeführt, dass auch Skischulkinder immer einem Erwachsenen zugeordnet werden. Das Liftpersonal helfe den Kleinen dann auch in und aus dem Lift und schließe auch den Sicherheitsbügel. König rät Familien, sich vorab zu informieren, was für Lifte ins Skigebiet führen. Gebe es einen Schlepplift, müsse das Kind auch die Talabfahrt bewältigen können. Ein Sessellift wiederum sei problematisch, wenn etwa ein Vater oder eine Mutter allein mit zwei oder mehreren Kindern unterwegs sei, so König.
Und wie sieht das Captain Helmchen? Für ihn steht und fällt die Kinderfreundlichkeit mit dem Abschluss-Skirennen – und vor allem mit der Medaille. Die ja Gott sei dank in seiner Liga ja alle Kinder bekommen, die mitgemacht haben.
Die Diskussion ist geschlossen.