ZDF-Satiriker Jan Böhmermann ist omnipräsent und für viele Deutsche wie Österreicher zur Hassfigur geworden. Dabei macht er doch nur seinen Job. Und das sehr gut.
Böhmermann nervt. Ständig glaube dieser Satire-Trump und Twitter-Zombie, er müsse sich in irgendwas und alles einmischen.
Das sind nicht meine Worte. Das schrieb vor zwei Wochen ein Kollege des Tagesspiegel. Und er hat ja nicht unrecht. Die letzten Monate waren eine Böhmermann-Festspielzeit: Man musste schon mit Scheuklappen durch die Welt laufen, um dem ZDF -Satiriker zu entkommen. Und zu viel ist oft zu viel.
Anfang April erhielt Jan Böhmermann einen Grimme-Preis. Dann wurde über seine Klage gegen Kanzlerin Merkel verhandelt, der er eine Äußerung verbieten lassen wollte – und damit ging es wieder mal um sein Schmäh-Gedicht auf den türkischen Staatspräsidenten Erdogan (Die Klage wurde abgewiesen). Dann distanzierte sich der ORF in der Abmoderation eines Interviews mit ihm, weil er Österreichs Kanzler Kurz einen „Versicherungsvertreter“ schalt. Und weil er sagte, in Österreich würden „acht Millionen Debile“ leben. Eine direkte Anspielung übrigens auf ein Zitat des für seine Schimpftiraden berühmt-berüchtigt gewordenen österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard.
Jan Böhmermann ist einfach überall
Dann kam die „Ibiza-Affäre“ samt heimlich gefilmtem Video aus dem Jahr 2017, in dem man zwei Spitzenpolitiker der österreichischen FPÖ beim feuchtfröhlichen Verschachern ihres Landes beobachten konnte. Böhmermann hatte bereits im April bei der Romy-Verleihung darauf angespielt – was damals kaum jemand verstand. Umso wilder die Spekulationen, Böhmermann könne hinter der „Videofalle“ stecken. Sein Manager und das ZDF dementierten.
Böhmermann nervt: wegen seiner Omnipräsenz. Wegen seiner Satiren, die stets an der Grenze zur Beleidigung entlangschrammen und bisweilen darüber hinaus. Wegen seiner Aktionen, die als „linker“ Aktivismus aufgefasst werden.
Böhmermann nervt – und das so professionell wie gut. Man muss es erst einmal schaffen, dass ein ganzes Land, Österreich, auf neue Enthüllungen von ihm in Sachen „Ibiza-Affäre“ wartet – und das wichtigste TV-Magazin, „ZiB2“ im ORF, darüber berichtet. Geschehen am Mittwochabend. Böhmermann hatte zuvor auf Twitter einen Countdown geschaltet, der am Mittwoch um 20.15 Uhr auslief. Die Aufmerksamkeit war dem PR-Genie Böhmermann sicher.
Böhmermann nutzt die Aufmerksamkeit für seine Zwecke
Jetzt aber kommt's: Er nutzte die Aufmerksamkeit, um einen Musik-Clip zu bewerben. In dem besingt er mit anderen Moderatoren Europa: „Allein sind wir allein!“. Ein starkes Zeichen vor der Europawahl, die am Donnerstag in den Niederlanden und Großbritannien begonnen hat. Bei ihr könnten Rechtspopulisten aus der gesamten EU ins Parlament gespült werden, mit gravierenden Folgen.
Böhmermann nervt – und das ist vielleicht wichtiger denn je. Anders als die „heute-show“ mit ihrer häufig platten Witzparade, schafft er es, mit den Mitteln der Satire ein großes und junges Publikum auf (gesellschafts-)politische Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen. Ähnlich wie einst Harald Schmidt, wenngleich politischer.
Satire muss wehtun und auf der Höhe der Zeit sein, um wirken und etwas bewirken zu können. US-Star-Satiriker wie Jon Stewart oder Stephen Colbert lassen grüßen. Deren Verdienst ist, dass sich in den USA bestimmte Zuschauergruppen überhaupt für politische Vorgänge interessierten. Böhmermann nervt – hoffentlich noch lange.
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