Was wird jetzt aus Hitlers Geburtshaus?
Seit die Lebenshilfe aus dem Geburtshaus Adolf Hitlers ausgezogen ist, steht das Haus in Braunau am Inn leer. Die Regierung von Österreich wagt sich an einen heiklen Schritt.
Das Haus mit der Adresse "Salzburger Vorstadt 15, 5280 Braunau am Inn" ist kein Schmuckstück. Seit 2011 steht es leer, Nässeflecken verunstalten die Außenwände, die Fenster bräuchten einen Anstrich. Doch das Gebäude hat einen Platz in den Geschichtsbüchern - als Geburtshaus von Adolf Hitler. Jahrzehntelang war es ruhig um das Gebäude und seine Nutzung. Rund 35 Jahre lang war hier eine Behindertenwerkstatt untergebracht - eine Heimstatt für benachteiligte Menschen im Geburtshaus des "Herrenmenschen"-Verfechters. "Das wurde von allen positiv bewertet", sagt Florian Kotanko vom örtlichen Verein für Zeitgeschichte. Seit die "Lebenshilfe" ausgezogen ist, heißt die Frage: Was tun mit dem Haus? Jetzt nimmt die Sache Fahrt auf.
Hitler-Geburtshaus kostet Österreich 3800 Euro Miete im Monat
"Ein Leerstand auf Dauer ist nicht der Wunsch des Innenministeriums", sagt Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck in Wien. Das Gebäude gehört der öffentlichkeitsscheuen Gerlinde Pommer. Seit 1972 ist die Republik Österreich Hauptmieter. Monatlich werden 4800 Euro Miete für die 600 Quadratmeter Nutzfläche fällig. Um Bewegung in die Sache zu bringen, ist die Regierung bereit, viele Register zu ziehen. Vor einem Jahr wurde laut Ministerium der Besitzerin eine Nutzung durch die Volkshochschule und Volkshilfe vorgeschlagen, seit Monaten liegt ein unbeziffertes, prinzipielles Kaufangebot vor. Keine Antwort. "Wir müssen die Perspektive nun verbreitern", sagt Grundböck.
Gebäude als Gedenkstätte? Regierung lässt Enteignung prüfen
Aktuell lässt die Regierung unter anderem vom Justizministerium die Chancen einer Enteignung prüfen. Drei Gutachten würden in den nächsten Wochen erwartet, sagt Grundböck. Der Schritt gilt als heikel. "Man kann nicht so einfach enteignen", meint der Verfassungsrechtler Heinz Mayer in den "Oberösterreichischen Nachrichten". Das öffentliche Interesse als Voraussetzung dafür wäre erst gegeben, wenn die Besitzerin eine "Hitler-Gedenkstätte" planen würde, so der Jurist. "Eine Lex Pommer wird es nicht geben", ist auch der ehemalige Schuldirektor Kotanko skeptisch. Mit seiner Plattform "Braunau History" trägt er seit einigen Jahren maßgeblich zum bewussten Umgang mit diesem Kapitel der Stadtgeschichte bei.
In dem 16 300-Einwohner-Ort an der deutsch-österreichischen Grenze thematisieren eine Informationstafel und ein Mahnstein aus dem ehemaligen KZ Mauthausen ("Nie wieder Faschismus") das Hitler-Haus. "Oberste Prämisse bleibt, dass wir mit Vehemenz dafür sorgen müssen, dass das Haus nicht zu einer Pilgerstätte für Neonazis wird", sagt Bürgermeister Johannes Waidbacher (ÖVP). Braunau habe als Signal auch einen Park und mehrere Straßen nach Widerstandskämpfern und Nazi-Opfern benannt. Doch die Bürde, die Geburtsstadt Hitlers zu sein, bleibe. "In der Wahrnehmung der Stadt spielt das immer noch eine sehr große Rolle", räumt Waidbacher ein.
Neonazis pilgern immer noch nach Braunau
Auch wenn es nach Angaben der Stadt nur ganz wenig dokumentierte Vorfälle mit Neonazis gegeben hat: "Das Haus hat für die Szene eine magische Relevanz", sagt der Leiter von "Exit Deutschland", Bernd Wagner, unter Berufung auf Aussteiger. Der Verein, der in den vergangenen 15 Jahren in Deutschland rund 560 Rechtsextremen geholfen hat, ihrer alten Überzeugung abzuschwören, würde in dem denkmalgeschützten Gebäude in Braunau gern ein "Haus der Verantwortung" einrichten. "Es wäre eine Anlaufstelle für Aussteigewillige, wie es sie in Österreich noch nicht gibt", sagt Wagner.
Warum kooperiert die Eigentümerin nicht?
Doch vor jeder Nutzung stehen die aktuellen Fragen über Kauf oder Enteignung. Außerdem kann der Staat zum 1. März den Mietvertrag kündigen. Auf eine geschmeidige Kooperation mit der Besitzerin, deren Weigerung zum behindertengerechten Umbau des Hauses den Auszug der "Lebenshilfe" zur Folge hatte, hofft dabei niemand. "Ihr Motiv ist unklar", sagt Kotanko.
Das leidige Thema hätten die US-Soldaten 1945 mit einer Vernachlässigung ihrer Pflichten elegant lösen können. Nach der kampflosen Befreiung Braunaus am 2. Mai schlugen die Amerikaner einen letzten Stoßtrupp der Wehrmacht zurück. Dessen Auftrag: Sprengung des Hitler-Hauses. dpa/lby
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