Schweden verschärft Corona-Regeln: Verkehrte Welt in Skandinavien
Schweden verschärft sein anfangs legeres Vorgehen gegen das Virus. Das bisher für strenge Corona-Regeln bekannte Dänemark lockert seinen Kurs. Gründe für die Trendwende.
In Skandinavien gehen die Meinungen um den richtigen Sonderweg im Umgang mit dem Coronavirus weiter auseinander – allerdings genau andersherum als bisher in der Pandemie. Während Dänemark seine Restriktionen an diesem Montag lockert, verschärft der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven die bislang als eher lässig bekannte Strategie seines Landes.
Aus Angst vor der nächsten Welle dürfen die Restaurants in Schweden ab sofort nur noch bis 20.30 Uhr geöffnet haben, der Verkauf von Alkohol am Abend ist verboten. Außerdem will die Regierung die Zahl der Kunden in Lokalen und Fitnessstudios begrenzen und empfiehlt das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Sie empfiehlt? In anderen Ländern – nicht zuletzt in Deutschland – ist die Maske seit vielen Monaten Pflicht, der Verstoß wird mit Strafen von mehreren hundert Euro geahndet. Die Dosis an Verboten, die die Regierung den Schweden zumutet, bleibt also trotz der Verschärfungen vergleichsweise homöopathisch.
Corona: Schweden appelliert weiter an die Vernunft der Schweden
Löfven appelliert vor allem wieder und wieder an die Vernunft seiner rund zehn Millionen Landsleute: „Es besteht ein erhebliches Risiko einer sogenannten dritten Welle. Unser aller Handeln bestimmt, ob es dazu kommt“, schärfte er in Stockholm den Menschen ein. Die durchschnittliche Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen lag in dem dünn besiedelten Land laut Daten der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore am Wochenende bei knapp 259.
Mit Sorge wird es in Schweden gesehen, dass das Nachbarland Dänemark ab sofort den Weg des strikten Lockdown verlässt. Das Land galt seit Beginn der Seuche als eines der strengsten mit Blick auf die Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Nach mehr als zwei Monaten dürfen die meisten Geschäfte im Land am Montag wieder öffnen, sofern ihre Ladenfläche kleiner als 5000 Quadratmeter ist und sie sich nicht in Einkaufszentren befinden.
Der Plan sieht nun neben der weitgehenden Öffnung des Einzelhandels vor, dass Freizeiteinrichtungen unter freiem Himmel, wie Zoos und Vergnügungsparks, ab Montag Besucher empfangen dürfen, wenn diese einen maximal 72 Stunden alten, negativen Corona-Test vorweisen können. In Nord- und Westjütland dürfen die Abschlussklassen teils in ihre Schulen zurück, auf der Ostsee-Insel Bornholm sogar alle Schüler, sofern sie sich zweimal die Woche testen lassen.
Corona-Infektionszahlen in Dänemark gingen zuletzt zurück
Die Neuinfektionszahlen in Dänemark sind seit Mitte Dezember deutlich zurückgegangen und zählen derzeit auf die Bevölkerung gerechnet zu den niedrigsten in der EU. Am Sonntag lag die Sieben-Tages-Inzidenz landesweit bei 63. Dass mehr Lockerungen vermutlich auch mehr Infektionen bedeuten, sei ein „kalkuliertes Risiko“ sagt die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Dänemarks, Mette Frederiksen. Das nehme man in Kauf, solange es nicht zur Überlastung des Gesundheitswesens führt.
Sorge macht Politik und Menschen die britische Variante des Virus, die zuletzt in rund 60 Prozent der Corona-Proben nachgewiesen wurde. Deswegen werden analog zu den Lockerungen für die Einheimischen Reisebeschränkungen noch einmal verlängert. Für Einwohner der Grenzregionen in Deutschland und Schweden gelten Ausnahmen: Wer einen triftigen Einreisegrund hat, für den reicht darüber hinaus ein maximal 72 Stunden alter, negativer Test. Bei allen anderen darf er nicht älter als 24 Stunden sein. Der einzige unmittelbare Grenzübergang zwischen Dänemark und Schweden ist die sieben Kilometer lange Öresund-Brücke.
Trotz ihres unterschiedlichen Vorgehens in der Pandemie arbeiten die beiden Länder an einem digitalen Impfpass, der so schnell wie möglich vor allem das Reisen erleichtern soll. Der Vorteil der skandinavischen Nationen: Sie sind bei der digitalen Infrastruktur anderen europäischen Staaten weit voraus, Dienstleistungen werden zum größten Teil über das Smartphone abgewickelt. Steuererklärung, Behördengänge, all das funktioniert digital.
Auch die EU plant einen digitalen Pass. Wann er kommt, dazu gibt es jedoch noch keine konkreten Aussagen. (mit dpa)
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