„Das Zweitbeste ist auch vollkommen in Ordnung“
Mutter, 38, Oberallgäu:
Bei meinem ersten Sohn wollte ich stillen. Ich stellte mir das schön und harmonisch vor. Meine Freundin sagte mir, in der Zeit gehört das Kind dir so richtig. Doch mein Sohn war ein Frühchen und zu klein und zu schwach, um an der Brust zu trinken. Also musste ich abpumpen. Dabei stellte ich fest, dass ich zu wenig Milch hatte. Drei bis vier Mal musste ich abpumpen, sodass eine Mahlzeit zustande kam. Trotzdem pumpte ich sechs Wochen lang, brachte die Milch auf die Intensivstation. Dazu bekam mein Kind Formula-Milch. Obwohl ich regelmäßig pumpte, wurde es nicht mehr. Ich musste auch gar nicht abstillen, es kam nach sechs Wochen ohnehin nichts mehr.
Von überall her prasselte eine Botschaft auf mich ein
Das Ganze belastete mich schon sehr. Das Pumpen war anstrengend und kraftraubend. Außerdem hatte ich im Geburtsvorbereitungskurs immer gesagt bekommen, Muttermilch sei das A und O. Diese Botschaft kam auch von der Werbung, sie stand auf JEDER Packung Babynahrung, in ALLEN Schwangerschafsinfomationen. Überall wird das einem quasi vor die Nase gehalten ... Ich dachte zudem, o Gott, das ist ja ein Frühchen, der braucht das und ich kann ihm nicht genug davon geben. Vielleicht hat mich das alles auch so belastet, dass ich deswegen immer weniger Milch produzierte.
Ich schwor mir: nie wieder
Mir ging es dann besser, als ich sah, dass mein Kind auch ohne Muttermilch gut wuchs. Und ich schwor mir, diese Belastung werde ich mir beim nächsten Kind nicht mehr antun. Das war dann auch so. Ich dachte erst, dass die Hormone mich vielleicht noch umstimmen würden, aber das war nicht der Fall. Es gab keinen einzigen Tag in der Schwangerschaft, an dem ich mich wünschte, mein Kind zu stillen. Als das Baby dann da war, war die Abstilltablette schnell geschluckt.
Muttermilch ist das Beste fürs Kind, das glaube ich noch heute. Aber wenn es nun einmal keine gibt, dann ist das Zweitbeste auch vollkommen in Ordnung. Ich habe mich deswegen nicht als schlechtere Mutter gefühlt. Beim ersten Kind hatte ich keine negativen Reaktionen auf die Flasche bekommen, da war es eher ein Thema, dass mein Sohn ein Frühchen war und die Leute sich dafür interessierten. Beim zweiten Kind dann habe ich das so überzeugt rübergebracht, dass ich nicht stillte, dass das Thema für die anderen abgehakt war. (lea)
Dieser Text ist ein Teil unseres Wochenend-Journal-Schwerpunktes "Kampfzone Mutterbrust" zum Thema Nicht-Stillen. Mehr als 50 Frauen aus der Region haben sich daran beteiligt und ihre Geschichten erzählt. Die weiteren Gesprächsprotokolle finden Sie unter
Kampfzone Mutterbrust: Harter Streit um die Milch fürs Baby
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