"Der Rücktritt": So war der Film über die Affäre Wulff
Christian Wulff, seine Frau Bettina, draußen die Medien, allen voran "Bild". Der Druck wird größer. Das Dokudrama "Der Rücktritt" zeichnet Wulffs letzte Tage beeindruckend nach.
Manchmal schreibt das Leben die spannendsten Geschichten. Und die tragischsten. So wie im Fall von Ex-Bundespräsident Christian Wulff und seiner Frau Bettina. Den Plot für das Doku-Drama "Der Rücktritt" am Dienstagabend bei Sat.1 liefern jene 68 Tage, die zwischen dem Anruf eines Journalisten der "Bild"-Zeitung im Herbst 2012 und den Worten "Ich trete deshalb heute vom Amt des Bundespräsidenten zurück" liegen.
Die Affäre Christian Wulff als Film - konnte das gut gehen? Ja, es konnte. In einem eindrucksvollen Zusammenschnitt mit den Schauspielern Kai Wiesinger und Anja Kling vermischt das Drama "Der Rücktritt" bei Sat.1 Realität und Fiktion. Unter der Regie von Dokumentarfilmer Thomas Schadt fügen sich zwischen die gespielten Szenen immer wieder reale Fernsehaufnahmen. Mit geschickter Feder verknüpft er unter Mithilfe des "Spiegel"-Journalisten Jan Fleischhauer die Episoden zu einem stimmigen Drehbuch.
Sind noch am Anfang Wulff und seine Berater beim lockeren Kaffeeklatsch, wird aus dem Geplänkel bald bitterer Ernst. Schon die dramatische Musik im Hintergrund, die sich durch den ganzen Film zieht, lässt vermuten: Hier gibt es wenig zu lachen. Oder doch?
Amüsanter Seitenhieb auf Wulff
Als amüsanten Seitenhieb binden die Drehbuchautoren eine Episode mit Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ein. Als er in einer Hotel-Lobby eines seiner Telefonate um Wulff führt, fragt eine unbeteiligte Dame auf englisch, ob es gute oder schlechte Nachrichten gibt. Diekmann meint nur, es gehe um den "German President". Mit einem lapidaren Schulterzucken meint sein Gegenüber: "I don't know him" - sie kenne ihn nicht. Doch diese kleinen Szenen mit einem Augenzwinkern sind rar gesät.
"Der Rücktritt": Ein packender Krimi
Ungewöhnliche Perspektiven und das Gefühl mitzuerleben, was damals hinter den Kulissen ablief, machen aus dem Drama stattdessen einen packenden Krimi. Heraus sticht Kai Wiesinger in der Hauptrolle als Christian Wulff. Natürlich ähnelt er dem Ex-Bundespräsidenten nicht, will das auch gar nicht. Aber das ist kein Problem: Mit bewusst geschickt eingesetzter Mimik weckt er schon in den ersten Szenen das mulmige Gefühl beim Zuschauer: Der hat Dreck am Stecken. Eitelkeit und Stolz prägen zunächst die Rolle.
Doch da ist noch der andere Christian Wulff. Der Wulff, der beim Frühstück seine Ehefrau Bettina voller Liebe ansieht, als sie ihm Eierreste vom Mundwinkel wischt. Und da ist der Wulff, der immer mehr unter dem Druck der Medien und der Öffentlichkeit die Fassung verliert.
Sein Gegenpart Anja Kling gibt die First Lady Bettina Wulff zunächst emotionslos, zu gespielt. Sie ist nur auf ihr Äußeres bedacht. Die Kredite? "Das interessiert doch keinen", sagt sie noch und präsentiert ihr goldenes Kleid für den Staatsbesuch. Doch langsam bröckelt auch ihre Fassade. Bis sie zur höchst verletzlichen Person wird. Denn schließlich geht es in diesem Albtraum auch um sie. Und Kling lässt sie sehr überzeugend zerbrechen.
Auch die Rolle von Olaf Glaeseker wird überzeugend gespielt von Holger Kunkel. Wulffs loyaler Sprecher, der vom Bundespräsidenten in seiner Not entlassen wird und die Welt nicht mehr versteht. Weil er so oft gewarnt hat und versuchte, Wulff vor dem drohenden Unheil zu bewahren. Etwa nach dem Droh-Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann: "Du musst dich entschuldigen. Jeder macht mal Fehler", fleht Glaeseker da regelrecht. Doch Wulff versteht das Problem nicht einmal. "Welcher Fehler?", fragt er nur.
Christian Wulff: Noch einmal Quoten für "Bild"
Am Ende schließlich bleibt eine Frage: Wie wird Wulff in Erinnerung bleiben? Das Dokudrama zeigt ihn als kühlen, kalkulierenden Politiker, den das Amt verdorben hat - und als einen Mann, den die Macht der Medien einkesselt und vernichtet. Ist er das Opfer oder hat er seinen Untergang selbst verschuldet? Sympath oder Ekel? Das bleibt offen. Letzten Endes muss wohl jeder Zuschauer selber entscheiden. Gut gemacht: Das Drama endet mit dem Rücktritt. Das bis heute andauernde juristische Tauziehen um Wulff blieb ausgespart.
Die Rolle der Medien beim Rücktritt von Christian Wulff wurde in diesem Drama vor allem auf die "Bild" konzentriert. Die wiederum nutzte die Ausstrahlung am Dienstagabend geschickt für ihre eigenen Zwecke. Live wurde der Film im Internet und in den sozialen Netzwerken kommentiert und begleitet. Das war geschickt gemacht. Und doch blieb ein schaler Beigeschmack. Selbst bei seiner inszenierten TV-Bestattung musste Christian Wulff noch einmal herhalten, um der "Bild" Quoten zu bringen. Opfer bleibt Opfer... AZ/bo
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