Deutsche Singer/Songwriter auf dem Vormarsch
Berlin (dpa) Norman Palm hat einen weiten Weg hinter sich von Meppen im Emsland, wo er aufwuchs, über Paris bis nach Mexiko-Stadt, wo seine Freundin und zeitweise auch er selbst heute lebt.
Meist wohnt der 29-Jährige aber in Berlin und ist dort Teil einer umtriebigen Szene, für die Genre-Begriffe wie Folktronica oder Laptop-Folk erfunden wurden. Auf seinem zweiten Album "Shore To Shore" macht Palm Singer/Songwriter-Musik auf Gitarrenbasis, die in alle Richtungen offen ist moderner Pop ohne Schubladen-Denken.
Akustische Instrumente treffen auf elektronische Beats, Ukulele, Steeldrums und afrikanische Fingerklaviere auf jazziges Rhodes-Piano und Synthesizer. Über allem schwebt Palms sanfte, zerbrechliche Stimme, die nicht nur in "Images" an den großen Paul Simon erinnert. "Sein Afrika-Album "Graceland" war eines der Referenzwerke für meine eigene Platte", sagt der Wahl-Berliner Palm im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Auch 90er-Jahre-Rocker wie die Smashing Pumpkins oder Beck fanden sich auf dem Mixtape, das Palm seinen Mitmusikern vorspielte, bevor sie sich gemeinsam an die Aufnahmen machten. Hinzu kamen Songskizzen auf Palms Laptop. Den Großteil der Instrumente spielten schließlich innerhalb eines halben Jahres er selbst und der Exil-Finne Janne Lounatvuori in dessen Berliner Studio ein.
Die englischen Texte spiegeln die Lebenssituation des Sängers, seine Fernbeziehung jedoch ohne Trennungskitsch. "Ich will das nicht dramatisieren. Ist halt so", sagt Palm. Songs wie "Smile", "Easy" oder "Phantom Lover" haben einen melancholischen Unterton, driften aber nie in Weinerlichkeit ab. Mit dem Elektro-Folkrocker "Landslide" findet sich auf dem Album sogar ein heimlicher Hit, mit dem abschließenden "Go To Sleep" eine veritable Hymne.
"Shore To Shore" markiert eine erstaunliche Weiterentwicklung für den Ex-Kunsthochschüler, der 2008 mit einem ungewöhnlichen Projekt erstmals auf sich aufmerksam gemacht hatte. Damals gab er im Internet-Eigenvertrieb sein Debüt "Songs" heraus, als bildschönes 200-Seiten-Buch im CD-Format mit eigenen Zeichnungen, Fotos und Design-Elementen. Die damals noch recht schüchternen eigenen Lieder ergänzte Palm durch charmante Coverversionen wie "Boys Don't Cry" von The Cure. Diese Mischung sicherte ihm Interesse in Indiepop-Kreisen, das er mit dem zweiten Album und einer Tournee in Westeuropa nun ausbauen will.
Wie Norman Palm stammt Daniel Benjamin aus der deutschen Provinz (in seinem Fall aus der Nähe von Stuttgart), singt hervorragend auf Englisch und hat mit Singer/Songwriter-Klischees nichts am Hut. Das neue Album des Gitarristen und Multi-Instrumentalisten mit dem sperrigen Titel "There's A Deathbed For Your Monster" pendelt zwischen hochkomplexem Pop, Klassik-Elementen und cleveren Radiohead-Verweisen.
Der samtige Bariton des 30-Jährigen und die zarte Stimme seiner griechischen Ehefrau Eleni ergänzen sich aufs Schönste. Und fertig ist ein Album, das wohltuend an den derzeit wohl talentiertesten deutschen Indiepop-Künstler Konstantin Gropper (Get Well Soon) erinnert.
Den internationalen Markt hat auch der erst 22-jährige Bayer Josef Wirnshofer im Visier, der sich folgerichtig hinter dem Projektnamen The Marble Man verbirgt. Sein Mitte Mai erschienenes zweites Album "Later, Phoenix" (K&F/Broken Silence) zitiert große Namen mit Respekt, aber ohne Plagiatsverdacht. Die US-Indierocker Bright Eyes, die britische Singer/Songwriter-Ikone Nick Drake, auch die Beatles oder Simon & Garfunkel spürt man in den elf hochmelodischen Liedern. Und doch bleibt immer das Gefühl, etwas Eigenständiges, Kreatives, Spannendes zu hören.
Norman Palm, Daniel Benjamin, Josef Wirnshofer alias Marble Man drei besonders talentierte Songschmiede in einer sich stark entwickelnden deutschen Indie-Szene.
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