Die Knöllchen kommen mit der Post
Währung, Grenzen und Krisen: Die EU teilt seit Jahren alles brav miteinander. Strafzettel waren hier bisher die rühmliche Ausnahme. Doch nun fällt auch die letzte Bastion, denn die deutschen Behörden treiben die Verfehlungen künftig ein.
Gemeinsame Währung, gemeinsame Krisen, gemeinsame Grenzen. Die Europäische Union ist ziemlich durchlässig geworden. Nur bei den Strafzetteln war das bislang anders, da war stets an den nationalen Grenzen Schluss. Wer nicht an Ort und Stelle abkassiert wurde, kam meist ohne zu zahlen davon.
Das soll sich jetzt ändern. Wer diesen Sommer im EU-Ausland drauflos braust oder falsch parkt, dem könnte im Herbst nachträglich ein teures Souvenir ins Haus flattern. Ab Oktober soll das Bonner Bundesamt für Justiz auch Bußgeldbescheide aus dem europäischen Ausland vollstrecken. So steht es im Gesetzentwurf zur gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen.
Juristin Petra Schmucker vom Automobilclub AvD macht darauf aufmerksam, dass "durchaus auch Verkehrsverstöße geahndet werden, die vorher begangen wurden". Denn die deutsche Behörde unterscheide nicht nach Tatzeitpunkt, sondern verfolge alles, was ihr von ausländischen Ämtern ab Oktober zugestellt wird. Das kann teuer werden.
In den Nachbarländern sind die Bußgelder oft deutlich höher als in Deutschland. So zahlt man in Italien fürs Telefonieren am Steuer ohne Freisprechanlage bis zu 624 Euro. In Spanien drohen Rasern, die 20 km/h schneller fahren als erlaubt, Geldbußen bis 300 Euro. Fehlt in Frankreich bei einer Verkehrskontrolle die Warnweste im Auto, so kostet das 90 bis 135 Euro. Ein normaler Strafzettel für falsches Parken wird dagegen auch weiterhin meist ohne direkte Folgen im Heimatland bleiben. Denn Bußgeldbescheide aus dem EU-Ausland sollen erst ab 70 Euro vollstreckt werden.
Doch abgesehen davon, raten Experten, es nicht darauf ankommen zu lassen, um bei der nächsten Einreise keinen Ärger zu bekommen. Bei einer Routinekontrolle im Urlaubsland könnte das Ordnungs- oder Strafgeld sofort vollstreckt werden - einschließlich Strafe. In der Schweiz droht sogar Gefängnis, wenn ein eingeleitetes Vollstreckungsverfahren erfolglos war. Und mit Österreich hat Deutschland bereits ein Vollstreckungsabkommen - da kommt der Strafzettel also bereits vor Oktober.
Was tun, wenn ein solches Knöllchen dann tatsächlich im heimischen Briefkasten steckt? Jeder Verkehrssünder muss seinen Bußgeldbescheid in seiner Landessprache erhalten, erklärt ADAC-Jurist Michael Nissen. So steht es im Europäischen Rechtshilfeübereinkommen. Wer auf Spanisch aufgefordert werde, sich über einen Parkverstoß in Sevilla zu äußern, der dürfe dem Fortgang der Dinge gelassen entgegensehen.
Ein anderes Schlupfloch könnte die sogenannte Halterhaftung aufzeigen. In Frankreich und Holland wird automatisch der Halter eines Fahrzeugs für alle Verstöße haftbar gemacht. Das ist nach deutschem Recht nicht zulässig. Weil für die französischen Behörden aber normalerweise das Kennzeichen ausreicht, wird in Frankreich grundsätzlich nur von hinten geblitzt. Und so ist der eigentliche Fahrer meist nicht erkennbar. srt
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