"Diese Teufelswand macht mich skeptisch"
Der verunglückte südtiroler Extrembergsteiger Karl Unterkircher galt als einer der weltbesten Höhenbergsteiger. Um seine Freunde und Unterstützer über den Fortgang seiner Expeditionen auf dem Laufenden zu halten, pflegte er ein Online-Tagebuch. Der letzte Eintrag datiert zwei Tage vor seinem tödlichen Sturz und läßt den Leser mit einer Gänsehaut zurück. Von Matthias Zimmermann
Von Matthias Zimmermann
Der verunglückte südtiroler Extrembergsteiger Karl Unterkircher (37) galt als einer der weltbesten Höhenbergsteiger. Um seine Freunde und Unterstützer über den Fortgang seiner Expeditionen auf dem Laufenden zu halten, pflegte er ein Online-Tagebuch. Der letzte Eintrag datiert zwei Tage vor seinem tödlichen Sturz und läßt den Leser mit einer Gänsehaut zurück.
Die dreiköpfige Expeditionsgruppe um Unterkircher ist am 7. Juni nach Pakistan aufgebrochen. Ziel war den Nanga Parbat, der mit 8125 Metern höchste Gipfel im westlichen Himalaya (Kaschmir) über die noch nicht bestiegene Rakhiot-Eiswand zu erklimmen.
In seinem ersten Eintrag von der Nanga Parbat-Expedition am 11. Juni gibt sich Unterkircher noch zuversichtlich. Gleichwohl wird er bereits bei seiner Ankunft mit den tödlichen Gefahren konfrontiert, die am Berg auf ihn lauern: "Unser pakistanischer Urdu-Führer Marteen erzählt mir zwischendurch, dass er im Jahre 2005 zusammen mit Reinhold Messner im Diamirtal war. Hier hat er dann auch den berüchtigten Schuh mit dem Socken und einige Gebeine des Bruders Günter gefunden hat, der auf tragische Weise in den 70er Jahren bei der Durchquerung der Rupal-Diamir Wand spurlos verschwunden war."
Je mehr sich die Expedition dem Berg annähert, umso stärker fühlt auch Unterkircher den Respekt vor dem eigenen Unterfangen wachsen: "Unser Berg liegt genau vor uns, eine 3000 m hohe, steile Eiswand. Walter, Simon und ich sind von der Majestät des Nanga Parbats beeindruckt. Zugegeben, wir empfinden für diesen Berg eine tiefe Würde, gleichzeitig steigt aber auch die Angst vor ihm auf und bewirkt dass wir ihn mit vollem Respekt bewundern."
Nachdem die drei Bergsteiger den Anstieg begonnen haben, schlagen sie auf rund 5000 Metern ein Zwischenlager auf um sich zu akklimatisieren. In der Nacht wacht Unterkircher auf, seine Gedanken rasen, aber er wischt seine Zweifel am Sinn der Expedition beiseite: "Ich bin mir bewusst, dass die breite Öffentlichkeit nicht meine Meinung teilt, denn sollten wir wirklich nicht mehr zurückkehren, würden viele sagen: "was haben sie denn dort nur gesucht? ... Der Berg ruft!"
In seinem letzten Tagebucheintrag, zwei Tage vor dem tödlichen Unfall spricht er über seine Gefühle angesichts der bevorstehenden Gipfelbesteigung. Die gefährliche Tour flößt auch einem Bergprofi wie Unterkircher Respekt ein: "Sicher verursacht diese Wand schon seit Jahrzehnten Angst und Zittern im ganzen Tal und fordert die Einheimischen zu Respekt und Heiligkeit auf. Diese trotzige Teufelswand ließ mich schon am ersten Tag unserer Ankunft nicht in Ruhe, sie macht mich unschlüssig und skeptisch", schreibt er.
Offen formuliert er seine Zweifel an dem am Ende tödlichen Plan, den Nanga Parbat über eine noch nie gegangene Route zu bezwingen: "In meinem Verantwortungsbewusstsein empfinde ich so etwas wie Furcht, ich denke oft an zu Hause, an meine Lieben. Das Beste um sicher zu gehen und Unvorhergesehenes zu verhindern, wäre natürlich vom diesem Projekt auszusteigen." Zwei Tage später stürzt Karl Unterkircher in eine Gletscherspalte und kann von seinen Kameraden nicht mehr gerettet werden.
Das Webtagebuch von Karl Unterkircher finden Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.