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"Körperwelten"
31.03.2016

Ein Besuch in der Werkstatt von Dr. Tod

Janine Schwieger präpariert einen Oberschenkel. Sie ist Mitarbeiterin der Plastinate GmbH von Gunther von Hagens im brandenburgischen Guben.
Foto: Sonja Krell

Gunther von Hagens hat die Plastination erfunden - und mit "Körperwelten" eine Schau geschaffen, die polarisiert. Für das brandenburgische Guben ist sie von besonderer Bedeutung.

Da ist dieser Geruch. Dieser scharfe, beißende Geruch, der sich in der Nase festsetzt, sobald sich die Glastür öffnet, und der auch Minuten später nicht erträglicher wird. Das grelle Licht, das auf die Seziertische fällt. Und die Körper, die darauf liegen, auch wenn sie größtenteils mit weißen Tüchern abgedeckt sind. Janine Schwieger scheint sich an den Anblick gewöhnt zu haben. Die Frau mit der Plastikschürze sitzt an einem der metallenen Seziertische über einen Oberschenkel gebeugt, eine Pinzette in der linken, eine in der rechten Hand, und zupft. Insgesamt 250 Stunden lang. „Ich entferne das Fett und Bindegewebe“, erklärt die 36-Jährige. Und dass dadurch die Muskeln, die Blutgefäße und die Nervenbahnen erst richtig gut sichtbar werden.

Wie man sich an den Geruch des Todes gewöhnt

Fragen schießen einem durch den Kopf. Viele Fragen. Was man denn so der Familie erzählt, wenn man von der Arbeit im Plastinarium nach Hause kommt? Was einen dazu treibt, in der Werkstatt des umstrittenen Leichenverwerters Gunther von Hagens zu arbeiten? Und wie man Präparationsassistentin wird? Janine Schwieger zupft am Oberschenkel vor sich, zuckt kurz mit den Schultern und sagt: „Ich war früher Zahnarzthelferin.“ Und dass es anfangs schon etwas ungewohnt war, die Arbeit, die toten Körper und dieser beißende Geruch nach Formalin, jenes Mittel, das den Verwesungsprozess stoppt.

Heute, sechs Jahre später, ist das für die junge Frau aus Cottbus Alltag. Trotzdem bleiben Fragen. Ob das nicht eklig ist, den ganzen Tag an Leichen herumzuzupfen? „Nein, Ekel empfinde ich nicht“, sagt die 36-Jährige. Und dass sie sich keine Gedanken mache, wer der Mensch hinter dem Oberschenkel war. „Sonst könnte man diesen Job auch nicht machen.“ Für den braucht es vor allem Geduld und ruhige Hände, sagt sie. Das und wohl auch einen wenig empfindlichen Magen.

Gunther von Hagens: Kritiker haben Angst vor dem Tod

In Guben, einem trostlosen Städtchen im äußersten Osten Deutschlands, ist der Tod allgegenwärtig, seit Gunther von Hagens dort vor zehn Jahren einen leer stehenden Backsteinkomplex gekauft hat. In den Gebäuden wurden einst Tücher und Hüte hergestellt, die Guben bekannt gemacht haben, später hatte dort die Stadtverwaltung ihren Sitz. Jetzt werden in den Backsteinbauten Leichen präpariert.

Wobei der Mann mit Hut, der als „Dr. Tod“ Schlagzeilen gemacht hat, das so nicht sagen würde. Gunther von Hagens spricht nicht von Leichen, sondern von Körpern oder Körperspendern. Er glaubt, dass der Tod das Normale und das Leben die große Ausnahme ist. Sein Sohn Rurik, der die Besucher durch die Hallen führt, lächelt all die Kritik weg, die es so lange gibt wie die „Körperwelten“-Ausstellungen. Vom Angriff auf menschliche Würde war da die Rede, von makabrer Sensationsgier, von Leichenfledderei. „Die meisten Kritiker waren doch gar nicht in der Ausstellung“, sagt er. „Was man hier sieht, ist ein Blick unter die Haut, der sonst nur der Medizin vorbehalten bleibt.“ Viele Kritiker hätten einfach Angst vor dem Tod.

Solche Gedanken kennt Rurik von Hagens nicht. Wie auch, wenn man mit einem Vater aufwächst, dessen Leben der Tod ist? Der ein Verfahren entwickelt hat, mit dem Tote haltbar gemacht werden können. Mit zwei Jahren, sagt der heute 35-Jährige, war er das erste Mal beim Vater im Labor. Im Kindergarten dann erzählte er den anderen, dass der Papa Erfinder ist.

Arzt wie sein Vater ist Rurik von Hagens trotzdem nicht geworden. Der Diplom-Kaufmann verwaltet das, was der Vater geschaffen hat, ehe diesem die Parkinson-Erkrankung vor einigen Jahren das Sprechen schwer und die Hände zittrig gemacht hat.

So funktioniert das Geschäft mit dem Tod

Der Sohn führt durch den Hinterhof in die Halle, in der sie auf Lothar mit dem Leichenwagen warten. Zwei bis drei Mal die Woche macht er sich auf den Weg – dann, wenn ein Mensch stirbt, der seinen Körper von Hagens vermacht hat. Sobald der Leichnam hier ankommt, wird aus dem Namen eine Nummer. HF-5721, HF-5724, HF-5731 sind zuletzt eingetroffen. Und es könnten noch deutlich mehr werden. 15.959 Namen von Körperspendern stehen in der Kartei – fast 90 Prozent davon aus Deutschland.

In ein paar Monaten landet der Körper ein paar Hallen weiter. Der Mann im Arbeitsanzug schiebt die Abdeckung von einer der Kühltruhen. Darunter kommt ein Körper zum Vorschein, der im warmen Aceton schwimmt – ohne Haut, dafür mit offener Bauchdecke. Die Organe sind sichtbar. Das Aceton löst die verbliebenen Fettanteile. Drüben, in den anderen Truhen, steigen Bläschen an die Oberfläche. Aceton verdunstet, erklärt von Hagens, und wird nach und nach durch Kunststoff ersetzt. Bis ein Ganzkörper-Plastinat fertig ist, vergeht ein Jahr. Das kostet dann bis zu 70.000 Euro. Ein Kopf, wie ihn etwa die Zahnmedizin an Universitäten als Anschauungsobjekt benötigt, ist für 15.000 bis 20.000 Euro zu haben.

Wie weit kann man diese Wissenschaft noch treiben?

Keine Frage, dieses Geschäft mit dem Tod ist einträglich. Meldungen über dubiose Quellen machten vor Jahren die Runde, wonach der Plastinator Opfer von Hinrichtungen in China präpariere. Kirchenvertreter empörten sich, der menschliche Leichnam sei keine Handelsware. Andere gedachten in Totenmessen der namenlosen Menschen, aus denen die Plastinate der Schau geformt wurden. Auch, dass von Hagens sie als Radfahrer mit Sonnenbrille oder gar beim Sex posieren ließ, sorgte für Wirbel. In Augsburg ließ Oberbürgermeister Kurt Gribl ein Paar beim Liebesakt gar verhüllen.

Geschadet hat das von Hagens nicht. Im Gegenteil. Je lauter die Kritik wurde, je mehr sich die Schlagzeilen häuften, desto mehr Besucher zogen die Ausstellungen an – insgesamt mehr als 40 Millionen weltweit in 20 Jahren. Rurik von Hagens sagt: „Die Diskussionen haben für Aufmerksamkeit gesorgt. Das hat uns geholfen.“

Was aber, wenn es irgendwann nicht mehr gelingt, Aufmerksamkeit zu erregen? Was, wenn – wie von Hagens es sagt – „die Körperwelten in der Gesellschaft angekommen sind“? Wenn es keine Grenzen mehr gibt, weil der Vater sie alle überschritten hat? Wenn man eine Giraffe für die Ewigkeit konserviert hat und das Herz eines Blauwals? Wenn man öffentlich eine Leiche seziert hat? Wenn man aus Leichenteilen eine Jesusfigur gefertigt und ans Kreuz genagelt hat? Wenn man es geschafft hat, gegen den Widerstand des Berliner Bezirks Mitte ein „Menschen Museum“ zu eröffnen. Welche Tabus kann man dann noch brechen?

"Körperwelten" rettete Heimatstadt Stadt Guben

Mittlerweile zieht es die Ausstellung in kleinere Städte, etwa nach Ravensburg, wo am Freitag die Sonderschau „Herzenssache“ beginnt. Medienvertreter werden quer durch die Republik gekarrt, um ihnen einen Blick in die Leichenfabrik in Guben zu gewähren.

Dort hat man seinen Frieden mit Dr. Tod gemacht. Und das, obwohl die Ansiedlung des Plastinariums vor zehn Jahren den Ort spaltete. Nur mit einer Stimme konnte von Hagens damals die alte Hutfabrik kaufen. Doch der Anatom sicherte Investitionen zu – und Arbeitsplätze. Und Investoren sind hier rar, ebenso wie Perspektiven. Seit Mitte der 80er hat die einstige „Perle der Niederlausitz“ die Hälfte der Bevölkerung verloren. Von der Textilindustrie hat einzig das Chemiefaserwerk überlebt – und doch 90 Prozent der Arbeitsplätze verloren. Nun steht ein Viertel aller Wohnungen leer, weil es sich in Gubin, auf der polnischen Seite der Neiße, günstiger wohnen lässt. Das Plastinarium ist mit 72 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber in der 17.000-Einwohner-Stadt.

Von Hagen will nach seinem Tod selbst ausgestellt werden

Ines Lanzky ist froh, dass sie wieder hier arbeiten kann. Vor fünf Jahren, als klar war, dass von Hagens krank ist, schloss er eine ganze Abteilung und reduzierte die Mitarbeiterzahl – von einst 220 auf 50.

Auch Ines Lanzky wurde entlassen. Heute steht die 46-Jährige vor einem Männerkörper und pinselt rote Farbe auf Schultermuskeln, Rückenmuskeln und den Hintern. Das dauert Stunden, erzählt sie. Ob das nicht komisch ist, hier, zwischen all den Toten? Sie legt die Stirn in Falten, wischt sich ein paar dunkle Strähnen aus dem Gesicht und sagt: „Ich mag meine Arbeit.“ Weil sie allein verantwortlich ist, für das, was sie tut; weil sie deutlich mehr verdient als früher in der Zahnarztpraxis; und weil es praktisch ist, wenn man es nicht weit zur Arbeit hat.

Das Plastinat, das Ines Lanzky verschönert, geht an eine Universität, wie die meisten der Skelette, Köpfe, Arme und Beine. Den Großteil des Umsatzes aber macht von Hagens mit den Ausstellungen. Aussuchen kann sich der Körperspender nicht, wo er später einmal landet und was aus seinem Körper wird. „Wir erfüllen keine Sonderwünsche“, sagt Rurik von Hagens. Die gebe es nur für seinen Vater Gunther von Hagens. Der 71-Jährige hat schon vor einiger Zeit erklärt, dass er lieber im Museum stehen als verwesen will. Er will Besucher am Eingang der Ausstellung begrüßen. Auch der Text dafür steht schon fest. „Ich war einmal, was Du bist: lebendig. Du wirst sein, was ich bin: tot. Und Du kannst werden, was ich wurde: ein Plastinat.“ AZ

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