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Interview
11.08.2016

Entführungsopfer Natascha Kampusch: Habe meinem Peiniger vergeben

Natascha Kampusch wurde über Jahre in einem Verlies gefangen gehalten und missbraucht. Vor zehn Jahren konnte sie flüchten.
Foto: Peter Trykar/dpa

Der Fall von Natascha Kampusch bewegte die Welt. Über Jahre wurde sie in einem Verlies gefangen gehalten und missbraucht. Doch auch das Leben in Freiheit hält viele Tücken bereit.

Zehn Jahre nach der Flucht vor ihrem Peiniger Wolfgang Priklopil tastet sich Entführungsopfer Natascha Kampusch weiter an ein normales Leben heran. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur spricht die 28 Jahre alte Wienerin mit wohlbedachten Worten bei einer Tasse grünem Tee über ihre Freiheit, die Liebe

zu Wien und ihre Abneigung gegen das Altwerden.

Frage: Im August jährt sich Ihre Flucht, sowie der Sterbetag Ihres Entführers. Was löst dieser Tag bei Ihnen aus?

Natascha Kampusch: Ich denke selten daran, weil ich einfach das Gefühl habe, dass das zu nichts führt. Die Person ist tot. Die äußeren Umstände, die damals herrschten, sind nicht mehr. Ich brauche das also für mein aktuelles Leben nicht. Es war im Prinzip ein sehr unangenehmer Tag. Also die Selbstbefreiung war schön, aber es war nicht schön, dann bei der Polizei zu sitzen und Rede und Antwort stehen zu müssen.

Frage: Sie sind Jahre nach ihrer Befreiung noch immer eine Person großer öffentlicher Neugier. Wie würden Sie selbst gerne wahrgenommen werden?

Natascha Kampusch: Das weiß ich nicht, weil ich mich selbst noch gar nicht ganz gefunden habe. Ich bin noch keine spezielle Person, deshalb kann ich auch nicht sagen, wie ich gerne wahrgenommen werden würde.

Frage: Sie schreiben in Ihrem neuen Buch, dass Ihnen viele Menschen in der Öffentlichkeit mit viel Hass begegnen. Trotzdem haben wir uns auf Ihren Wunsch in einem Wiener Park zum Interview getroffen.

Natascha Kampusch: Es ist schon ein Unterschied. Hier sind hauptsächlich Menschen, die Zeit haben, um diesen Ort zu genießen. Die meisten sind hier mit sich selbst im Reinen. Aber es gibt natürlich auch andere Orte in Wien, wo die Leute aufgebracht sind, weil die Situation sich so ergibt und sie aus einer gewissen Gesellschaftsschicht kommen. Falls mich hier jemand ablehnt, wird er es vermutlich nicht zum Ausdruck bringen. Aber es gibt Orte, wo Leute sehr wohl schlecht über mich reden.

Frage: Wieso glauben Sie, ist das so?

Natascha Kampusch: Vielleicht hat es etwas mit meiner Herkunft zu tun. Dass Menschen denken, mir steht es nicht zu, dass ich mich selbstbewusst nach außen trage. Weil sie selbst wahrscheinlich Probleme haben.

Frage: Es scheint, als würden manche Menschen lieber Fehler bei Ihnen suchen, als darüber nachzudenken, was Ihnen angetan wurde.

Natascha Kampusch: Das sehe ich auch so. Viele denken, wenn jemand Opfer eines Verbrechens wurde, war er in einem Sumpf und dieser Sumpf muss auch auf das Opfer abgefärbt haben.

Frage: Haben Sie nie darüber nachgedacht, aus Wien wegzuziehen?

Natascha Kampusch: Nein, weil ich es hier so spannend finde. Wien ist so eine historische Stadt im Herzen Europas. Ich mag außerdem das Leitungswasser so gerne.

Frage: Hadern Sie eigentlich mit ihrem Schicksal?

"Hadere manchmal mit der Rücksichtslosigkeit der Menschen"

Natascha Kampusch: Nein, ich hadere nur manches Mal mit dieser Rücksichtslosigkeit von anderen Menschen. Jeder, dem nur ein Stückerl vom Absatz abgebrochen ist, kriegt gleich Mitleid. „Marion, bei deiner Jacke, da fehlt ein Knopf. Können wir dir irgendwie helfen?“ Und mir fehlt ja wohl mehr als ein Knopf. Und die Leute sind so gemein und sagen: „Ach, hilf dir doch selbst.“

Frage: Sie beschreiben in Ihrem Buch, wie Sie es schmerzt, wenn Sie junge Freundinnen gemeinsam beim Eis essen sehen.

Natascha Kampusch: Ich denke mir dann immer mit Wehmut: „Ach, diese Jugend.“ Dabei bin ich ja selbst noch jung. Jetzt ist es nicht mehr so schlimm, aber früher habe ich mir immer gedacht: „Die haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Denen ist noch nichts passiert.“ Die können noch mit so einem Optimismus und so einer Unschuld an die Dinge herangehen. Und deshalb kam ich mir auch ab und zu vor wie eine Oma.

Frage: Finden Sie, dass Priklopils Mutter, die ihren Sohn ja regelmäßig besucht hat, etwas von Ihnen hätte bemerken müssen?

Natascha Kampusch: Ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht zu stark in ihrer eigenen Welt gelebt hat. Ob die nicht ganz einfach ausgeblendet hat, wie sie und ihr Sohn leben. Eine etwas ödipale Geschichte. Es war wohl viel Selbstmitleid involviert. Aber ich möchte sie nicht angreifen, weil sie es sicher nur positiv gemeint und ihren Sohn geliebt hat. Sie wollte nur das Beste für ihn, wie viele Mütter.

Frage: Ihr Selbstbewusstsein wurde jahrelang von Priklopil systematisch untergraben. Wie geht es Ihnen heute damit?

Natascha Kampusch: Ich denke mir, Selbstbewusstsein hat auch was mit Mut zu tun und da hab ich nicht immer so viel, wie man von mir vielleicht glauben könnte.

Frage: Mit Mut meinen Sie, hinauszugehen und sich unbekannten Personen und Situationen zu stellen?

Natascha Kampusch: Ja, genau. Auch auf die Gefahr hin, irgendwelche Bemerkungen einzukassieren. Weil ich habe mich auch lange nicht getraut, darauf etwas zu erwidern.

Frage: Geben Sie in der Zwischenzeit auch Kontra?

Natascha Kampusch: Ja, warum auch nicht? Ich hatte Angst, dass das in die Medien käme. Aber im Grunde genommen: Wer austeilt, muss auch einstecken können.

Frage: Es war Ihnen immer wichtig, dass Sie selbst die Meinungshoheit über Ihre Geschichte haben. Ist Ihnen das gelungen?

Natascha Kampusch: Mir ist es in dem Maße gelungen, wie ich es auch ertragen konnte. Es ist nicht optimal, aber auch nicht so: „Um Gottes Willen, hätte ich das bloß nie gemacht.“ Ich sitze nicht zitternd da und denke mir, ich sollte mich in eine Nervenklinik einweisen lassen.

Frage: Was würden Sie machen, wenn Sie unerkannt leben könnten?

Natascha Kampusch: Ich würde mir viel mehr rausnehmen und wäre total unangepasst. Ich wäre wahrscheinlich viel frecher.

Frage: Ihr ganzes Leben liegt noch vor Ihnen, Sie feiern in zwei Jahren Ihren 30. Geburtstag: Welche Ziele haben Sie noch?

Natascha Kampusch: Ich habe schon Pläne, aber ich muss daran arbeiten, dass ich sie auch verwirkliche. Ich nenne sie eher Träume. Mich reizt meist mehr das Potenzial zu den Dingen, als die Dinge tatsächlich. Ich lerne erst langsam, die Dinge auch fest werden zu lassen.

Frage: Was wäre Ihr Traumjob?

Autorin als Traumjob

Natascha Kampusch: Künstlerin beziehungsweise Autorin.

Frage: Sie haben einmal gesagt, sie wollen nicht alt werden.

Natascha Kampusch: Ja, ich wollte nie so richtig alt werden. Höchstens 80 oder so. Weil ich mir denke, wenn man 100 Jahre alt ist, hat man eine Phase in seinem Leben so ausgereift, das muss man nicht.

Frage: Haben Sie Angst vor dem Tod?

Natascha Kampusch: Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich habe nur Angst vor einem unvorhergesehenen Tod. Wenn ich etwa über die Straße gehe, hätte ich Angst, von einem Auto überfahren zu werden. Aber sonst stell ich mir das mit dem Tod eher entspannend vor.

Frage: Wie gehen Sie mit dem Wissen um, dass Sie bei perfekter Arbeit der Behörden schon nach wenigen Wochen hätten befreit sein können?

Natascha Kampusch: Komischerweise überkommt mich dann immer eine Milde, auch wenn es nicht gut für mein Auftreten nach außen ist. Ich denke mir: „Die Armen, die haben alle vermutlich Probleme.“

Frage: Können Sie der Polizei und den Behörden noch vertrauen?

Natascha Kampusch: Nein, in dem Sinne nicht. Man kann nur individuell schauen, ob man zu einer einzelnen Person Vertrauen hat.

Frage: Sie waren schon als Kind unglücklich mit ihrer Figur und mussten während der Gefangenschaft mit harten Hungerkuren kämpfen. Welchen Bezug haben Sie heute zu Essen?

Natascha Kampusch: Es gibt sehr viele Menschen, die versuchen, über Essen Macht über Andere auszuüben. Davon musste ich mich befreien. Sowohl der Entzug als auch das Geben ist Kontrolle über die Selbstbestimmung.

Frage: Deshalb sind Sie auch Vegetarierin?

Natascha Kampusch: Tiere sind intelligent und nicht nur zu unserer Bespaßung oder zu unserer Ausbeutung da. Deswegen möchte ich sie auch nicht essen. Deswegen würde ich ja auch nicht einen Menschen zerteilen und in Scheibchen schneiden und sagen: „Mmh, das ist aber ein guter Prosciutto.“ Warum soll ich dann ein Bein von einem Huhn essen?

Frage: Ganz anderes Thema: Glauben Sie an das Konzept des Traumprinzen, mit dem Sie den Rest Ihres Lebens glücklich sind?

Natascha Kampusch: Ja, klar, auf einem weißen Schimmel (lacht). Es gibt sicher solche Menschen, allerdings ist dann alles ein Traum, also vermutlich auch das Leben mit denen. Es kann dann auch schnell zum Alptraum werden, denn wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.

Frage: Waren Sie schon einmal auf einem Date?

Natascha Kampusch: Naja, Dates. Ich sehe das eher universell. Eine Zeit lang dachte ich, dass ich eine hedonistische Sichtweise habe, wo man sich quasi polygam liebt. Aber ich habe das nie ausgelebt, sondern nur theoretisch durchdacht, bis ich darauf gekommen bin, dass ich das als grauslig empfinde. Man findet sich mit der Möglichkeit ab. Die Möglichkeit bietet so viel mehr Potenzial als das tatsächliche Erleben.

Frage: Haben Sie einen Kinderwunsch?

Natascha Kampusch: Früher war das ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Aber dann habe ich mir gedacht: Das führt einfach für mich zu nichts. Leider. Wenn, dann hätte ich vor dem 25. Lebensjahr daran denken müssen, aber ich lehne das eigentlich im späteren Leben eher ab.

Frage: Konnten Sie dem Täter eigentlich vergeben?

Natascha Kampusch: Ja, schon. Weil die Person ja immerhin tot ist. Es gibt auch keinen Zweifel daran, dass er ein krimineller und kein guter Mensch war. Also vielleicht hatte er gute Seiten, aber er war kein guter Mensch in dem Sinne. So ist es für mich leichter, weil sich das mehr nach Gerechtigkeit anfühlt.

Zur Person: Natascha Kampusch wurde 1998 mit zehn Jahren auf dem Schulweg in Wien von dem Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil entführt. Acht Jahre lang war sie unter Misshandlungen in einem kleinen Verlies in einem Keller in Strasshof gefangen. Im August 2006 gelang ihr die Flucht aus dem Haus nahe Wien. Interview: Sandra Walder/dpa

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