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Ursula Herrmann
07.06.2016

Fall Ursula Herrmann: Ist Werner Mazurek doch nicht der Täter?

Ist Werner Mazurek der Entführer von Ursula Herrmann?
Foto: Archivbild, Fred Schöllhorn

Werner Mazurek hat 1981 die kleine Ursula Herrmann entführt. So stellte es ein Gericht fest. Aber stimmt das auch? Ursulas Bruder Michael Herrmann sucht Gewissheit.

Es ist eine absurde Situation. Da verklagt einer den anderen auf Schmerzensgeld, und der ist auch noch glücklich darüber. Da sucht einer die Wahrheit, riskiert aber, dass derjenige rehabilitiert wird, der für den Tod seiner Schwester verantwortlich ist. Doch Michael Herrmann kann nicht anders. Er will noch einen Versuch unternehmen, den Entführungsfall seiner kleinen Schwester Ursula Herrmann aus dem Jahr 1981 aufzuarbeiten. Denn er hat Zweifel, dass der richtige Mann im Gefängnis sitzt. Deshalb hat Herrmann den Verurteilten Werner Mazurek am Landgericht Augsburg auf 20.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Kommende Woche Donnerstag beginnt der Zivilprozess.

Es ist für beide die letzte Chance. Die letzte Chance, dass sich ein Gericht eingehend mit dem Entführungsfall Ursula Herrmann befasst. Für den einen ist es die letzte Möglichkeit, endlich mit einem Familiendrama abzuschließen. Für den anderen die letzte Möglichkeit, seine lebenslange Haftstrafe vielleicht doch vorzeitig zu beenden. Denn Werner Mazurek, 65, behauptet bis heute: Ich war es nicht.

Wenn es stimmt, was er sagt, dann säße er seit acht Jahren unschuldig im Gefängnis. Wäre so ein Justizirrtum im Rechtsstaat Deutschland überhaupt denkbar?

Selbstverständlich. Es gibt etliche Beispiele. Der Fall Harry Wörz ist einer der bekanntesten der jüngeren Geschichte. Der Bauzeichner wurde erst nach 13 Jahren rechtskräftig vom Vorwurf des versuchten Totschlags an seiner Frau freigesprochen. Jahrelang saß er im Gefängnis. Im letzten Urteil heißt es, die Beweislage bei der Verurteilung sei dünn gewesen. Oder der Fall des Bauern Rudolf Rupp. Dessen Familie aus Neuburg an der Donau wurde rechtskräftig verurteilt, weil sie den Vater ermordet, zerteilt und den Hunden zum Fraß vorgeworfen haben soll. Doch vier Jahre später wurde das Auto des Bauern samt der Leiche an einer Donaustaustufe angeschwemmt.

Fall Ursula Herrmann: Mit juristischen Tricks zum neuen Verfahren

In diesen aufsehenerregenden Fällen hatte es sogenannte Wiederaufnahmeverfahren gegeben. Sie wurden komplett neu aufgerollt. Doch das ist sehr selten in Deutschland. Weil der Gesetzgeber hohe Hürden dafür gesetzt hat.

Und weil das so ist, versuchen Betroffene – ob unschuldig oder nicht – immer wieder, über juristische Tricks und Umwege zu ihrem Ziel zu kommen: einem neuen Verfahren, einer neuen Chance. So ist es auch bei Ursula Herrmann, wenngleich dieser Fall allein deshalb außergewöhnlich ist, weil sich nicht der Verurteilte, sondern ein Angehöriger des Opfers indirekt für den Täter einsetzt. Warum eigentlich?

Michael Herrmann, 52, sitzt in seiner Augsburger Wohnung. Beinahe schulterlange graue Haare, blau-schwarzer Streifenpulli, Künstlertyp. Er atmet tief durch und sagt: „Mir geht es weniger um den Verurteilten, sondern um mich. Ich möchte wieder zu jener inneren Ruhe finden, die ich vor 2008 hatte.“ Vor 2008 – das bedeutet vor der Verhaftung Werner Mazureks als Tatverdächtiger im Fall Ursula. Michael Herrmann erinnert sich genau an den Tag, an dem die Zweifel sich seines Lebens bemächtigten.

Es war der 29. Mai 2008, 27 Jahre nach dem Tod seiner Schwester, als die Ermittler ihn über die sensationelle Wende in dem Entführungsfall seiner Schwester informierten. Dann sah er in unserer Zeitung das Foto eines alten Grundig-Tonbandgeräts. Dieser Apparat vom Typ TK 248 war für die Ermittler das wesentliche neue Indiz gegen Mazurek. Sie hatten ihn in seinem Haus in Kappeln (Schleswig-Holstein) gefunden. Damit sollen die Erpresseranrufe aufgezeichnet worden sein.

Michael Herrmann ist Hobbymusiker, Tonmeister und Musiklehrer an der Augsburger Mädchenrealschule St. Ursula. „Mein erster Gedanke war: Jetzt haben sie ihn“, sagt er. Der zweite Gedanke: „Aber wie können die anhand eines Tonbandgeräts nach so langer Zeit Ursulas Entführer identifizieren?“ Die Saat des Zweifels war gesät. Die innere Unruhe begann. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Michael Herrmann ein stabiles Leben geführt. Er war verheiratet, vier Kinder.

Als seine kleine Schwester am 15. September 1981 in einem Waldstück in Eching am Ammersee verschleppt worden war, war er 18. Für die Familie begann mit diesem Tag eine unsagbare Leidenszeit. Anrufe mit der Verkehrsmelodie des Radiosenders Bayern 3 terrorisierten sie, in zwei Erpresserbriefen forderten die Entführer zwei Millionen Mark Lösegeld. Doch nichts weiter geschah. Am 19. Tag nach der Entführung kamen zwei Polizisten mit ernsten Mienen ins Haus.

Der Fall Ursula Herrmann: 24.000 Blätter

Ursula war nach ihrer Entführung in eine eigens angefertigte Holzkiste gesteckt worden. Das Verlies wurde im Waldboden vergraben. Eine Lüftungskonstruktion funktionierte nicht. Das zehnjährige Mädchen starb wahrscheinlich schon Stunden später an Sauerstoffmangel. Für die Familie eine Tragödie unvorstellbaren Ausmaßes. Aber sie kam mit der Zeit irgendwie zurecht. Jeder auf seine Weise. Michael Herrmann fand erst Halt im Glauben, dann in der Musik und in seiner eigenen Familie. „Ich habe das als Schicksalsschlag abgekapselt“, erklärt er. Das hat funktioniert – bis zum 29. Mai 2008. „Da wurde bei mir eine längst vernarbte Wunde aufgerissen“, sagt Herrmann.

Als klar war, dass Mazurek der Prozess gemacht wird, hat sich die Familie Herrmann zur Nebenklage entschlossen. Dadurch bekam Ursulas Bruder Akteneinsicht. Er kämpfte sich durch: „Ich habe 24000 Blatt gelesen.“ Die Zweifel wuchsen, und sie wurden auch nicht kleiner, als der Prozess vor dem Schwurgericht begann. Michael Herrmann erfuhr von gravierenden Ermittlungspannen, von Eifersüchteleien zwischen Kommissaren, von der Ablösung einer Sonderkommission. Er hörte ein Gutachten über das Tonbandgerät und erfuhr vom Geständnis eines Alkoholikers, das Loch für die Kiste gegraben zu haben.

---Trennung _Bruder von Ursula Herrmann will auch Gerechtigkeit_ Trennung---

"Ich könnte es nicht ertragen, wenn ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt"

Am 25. März 2010 hörte Michael Herrmann das Urteil. Die Gesamtschau der Indizien ergebe, dass Werner Mazurek der Täter sei, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Rothermel: lebenslang wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge. Der Bundesgerichtshof bestätigte den Augsburger Richterspruch. Das Urteil wurde rechtskräftig. Der normale Instanzenzug war vorbei. Doch Michael Herrmann fand keine Ruhe. Er fertigte Listen mit Alternativtätern an, recherchierte über Tonbandgeräte. Heute meint er: „Momentan würde ich sagen, Mazurek war es eher nicht.“

Und daher hat er sich zu der Schmerzensgeldklage entschlossen. Nach dem Prozess setzte bei ihm ein dauerhafter Tinnitus ein. Die psychische Belastung war enorm. Herrmann trennte sich von seiner Frau. Der Zivilprozess soll die seelischen Narben schließen, hofft er. Und führt eine ethische Begründung an: „Ich könnte es nicht ertragen, wenn ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt.“ Michael Herrmann und sein Landsberger Anwalt Joachim Feller hoffen nun auf eine echte Beweisaufnahme in dem Zivilprozess. Denn nur auf diese Weise könnte geklärt werden, ob Werner Mazurek überhaupt schmerzensgeldpflichtig ist. Käme das Zivilgericht zu der Auffassung, dass das Strafurteil grobe Fehler enthält, könnte sogar ein Wiederaufnahmeverfahren beantragt werden.

„Diese Klage ist für meinen Mandanten ein Geschenk des Himmels“, sagt Mazureks Augsburger Rechtsanwalt Walter Rubach. Er hat ihn schon im Strafprozess vertreten. Es wäre für Rubach ein Leichtes gewesen, den Zivilprozess zu verhindern, denn der Schmerzensgeldanspruch ist schon verjährt. Doch warum sollte er das tun?

Rubach ist stattdessen in den vergangenen Monaten sehr aktiv gewesen. Er hat einen Lügendetektortest für Werner Mazurek organisiert, den der Verurteilte im Gefängnis von Lübeck gemacht hat. Mazurek hat ihn glatt bestanden. Zudem hat Rubach die renommierte Psychologin Renate Volbert beauftragt, die Aussagen des Alkoholikers von damals auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu untersuchen. Rubach sammelt Munition für den Prozess.

Auch ein andere Fall könnte neu aufgerollt werden

Der Anwalt könnte dann auch wieder das Rätsel um „J 73.03.3“ ins Spiel bringen. Diese DNA-Spur verbindet den Fall Ursula Herrmann auf bis heute mysteriöse Weise mit einem anderen spektakulären Verbrechen, das 25 Jahre später geschehen ist: dem Mord an der Münchner Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer. Sie wurde 2006 in ihrer Wohnung erschlagen. Zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde ihr Neffe Benedikt Toth. Er soll die Tante aus Geldgier getötet haben. Seit zehn Jahren sitzt Toth in der JVA Straubing. Auch er sagt bis heute: Ich war es nicht.

Sein Anwalt Peter Witting und ein Freundeskreis kämpfen seit Jahren um eine Rehabilitierung, um ein neues Verfahren. Auch sie haben sich des Umwegs über einen Zivilprozess bedient. Toths Bruder verklagte Benedikt auf Erbunwürdigkeit. Tatsächlich stellte das Zivilgericht in seiner Beweisaufnahme Abweichungen zum Strafurteil fest. Doch auch das nützte nichts, ebenso wenig wie ein erfolgreicher Lügendetektortest. Das Landgericht Augsburg lehnte ein Wiederaufnahmeverfahren ab. Das Bundesverfassungsgericht wollte sich erst gar nicht mit dem Fall befassen. Zweifel bleiben.

Es ist in Deutschland eben äußerst schwierig, ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren neu aufzurollen. Die Anwälte Witting und Rubach sind sich einig: Dieser Mechanismus gehört dringend reformiert. Sie gehören damit zu einer ganzen Reihe prominenter Kritiker, die eine Ausweitung der Möglichkeiten zur Wiederaufnahme eines Strafverfahrens fordern. Die Rechtskraft eines Urteils ist wichtig, um einen Angeklagten vor einer mehrfachen Verurteilung zu schützen. Aber müssen die Gerichte mit unendlich hohen Hürden davor geschützt werden, eigene Irrtümer zu korrigieren?

Wenn die Sache mit einem neuen Verfahren so einfach wäre, dann würden auch Lydia Deutsch und Werner Thiel aus dem Raum Landsberg längst wieder ruhiger schlafen. Ihr guter Freund Alfred U. aus Kaufering ist im November 2006 vom Landgericht Augsburg zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er soll, so die Überzeugung des Gerichts, seine Geliebte zum Mord an seiner Ehefrau angestiftet haben. Auch er sitzt in der JVA Straubing. Auch er sagt: Ich war es nicht. Auch sein Freundeskreis ist davon überzeugt.

Anwalt Rubach will den Fall Ursula strafrechtlich nicht verloren geben

Das Besondere an diesem Fall: Im ersten Prozess in Augsburg 2005 war U. mangels Beweisen freigesprochen worden. Die Geliebte hatte sich bei ihrer belastenden Aussage in erhebliche Widersprüche verstrickt. Doch im Revisionsverfahren sah die 1. Strafkammer dies anders und verurteilte Alfred U. und die Geliebte zu lebenslang. Einfach scheint dies für die Richter nicht gewesen zu sein. Der Vorsitzende Joachim Rahlf sagte in der Urteilsbegründung, es sei in Bezug auf den Angeklagten wohl die schwierigste Entscheidung seiner Berufslaufbahn gewesen. Zweifel bleiben.

Wie bei Michael Herrmann. Er sagt, er könnte damit leben, wenn er mit seiner Klage keinen Erfolg hat. Er müsse es nur versuchen, um endlich abschließen zu können. Mazureks Anwalt Walter Rubach sieht die Sache schon etwas sportlicher. Er will den Fall Ursula auch strafrechtlich noch nicht verloren geben. Gedanklich bereitet er sich seit Monaten auf einen Wiederaufnahmeantrag vor. Rubach weiß, wie schwierig das wird. Doch davon lässt er sich nicht beeindrucken. Denn: „Wann bekommt man schon solch eine Chance serviert?

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