Ferguson kommt nicht zur Ruhe
Viele Monate nach dem gewaltsamen Tod eines Schwarzen wird deutlich, wie rassistisch die örtlichen Behörden vorgingen. Als die Bürger protestieren, fallen Schüsse gegen Polizisten.
In Ferguson im US-Bundesstaat Missouri sind nach dem Rücktritt des Polizeichefs zwei Beamte angeschossen worden. Die Schüsse fielen in der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) bei einer Kundgebung vor der Wache. Das Justizministerium hatte der Stadt vergangene Woche systematischen Machtmissbrauch und Rassismus vorgeworfen, seither sind insgesamt sechs Amtsträger zurückgetreten.
„Hochgradig vergiftete Atmosphäre“ in Ferguson
Der Leiter der Polizeibehörde, Thomas Jackson, stand seit vergangenem August in der Kritik. Nachdem ein weißer Beamter den unbewaffneten Schwarzen Michael Brown getötet hatte, war es zu gewaltsamen Protesten gekommen; Jackson wurde vorgeworfen, die Spannungen noch zu schüren. Vergangene Woche stellte das Justizministerium in Washington seine Ermittlungen gegen den damaligen Schützen, der Notwehr geltend gemacht hatte, zwar ein. Minister Eric Holder warf der Stadt aber vor, eine „hochgradig vergiftete Atmosphäre“ geschaffen zu haben.
Einem Bericht seines Hauses zufolge kursierten zwischen den lokalen Behörden rassistische E-Mails. Darin belustigten sich die Beamten auch über den Präsidenten. Zwei Polizisten und der oberste Urkundenbeamte sind vergangene Woche entlassen worden. Der Aufseher über das Gerichtswesen ist ebenfalls zurückgetreten. Am Dienstag trennte sich der Stadtrat vom Verwaltungsleiter, am Mittwoch trat auch Jackson zurück.
Schüsse auf Polizisten: Beamter im Gesicht getroffen
Am Abend versammelten sich Demonstranten vor der Wache zu einer Kundgebung. Diese blieb lange friedlich. Doch CNN zufolge riefen mehrere Teilnehmer den zahlreicher werdenden Polizisten auch „Wehrt euch!“ entgegen. Kurz nach Mitternacht wurden zwei Beamte von Kugeln getroffen. Medien zeigten ein Amateurvideo, auf dem Schüsse zu hören sind und ein Schmerzensschrei, bevor jemand ruft: „Wenn sie (die Situation) vor neun Monaten anerkannt hätten, wäre das nicht passiert.“ Nach Angaben der Bezirkspolizei wurde ein 32-jähriger Beamter im Gesicht getroffen, sein Kollege, 41, an der Schulter. Ihr Zustand ist ernst. Nach dem Vorfall flohen die meisten Demonstranten, die Polizei riegelte das Gelände ab. Am Donnerstag hieß es, die Kugeln seien nicht aus den Reihen der Protestierer gekommen, sondern von einem nahen Hügel.
Parallel läuft eine Untersuchung, die die Polizeiarbeit von Ferguson unter die Lupe nimmt. Minister Holder zeigte sich „schockiert“ über deren Ergebnisse. Die Kleinstadt sei eine Kommune, „in der Behörden die Polizei nicht als Mittel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit betrachteten, sondern als eine Möglichkeit, Einnahmen zu erwirtschaften“. Danach wurden Bußgelder und Haftstrafen systematisch dazu verwendet, die Stadtkasse zu füllen. Viele der Maßnahmen waren willkürlich und illegal; sie trafen vor allem Schwarze. Wer Geldstrafen im Gefängnis absitzen musste, bekam das teilweise noch nicht einmal auf seine Schulden angerechnet, sondern eine zusätzliche Rechnung.
93 Prozent der Festnahmen betreffen Schwarze, obwohl sie nur 67 Prozent der Einwohner stellen. Auch 90 Prozent der Gewalteinsätze trafen Schwarze. Bei Afroamerikanern wurden seltener verbotene Waren gefunden, dennoch mussten sie doppelt so oft Durchsuchungen über sich ergehen lassen wie Weiße. Oft wurden ihnen dabei gleich mehrere an den Haaren herbeigezogene Vergehen angehängt, Vergleichbares passierte Weißen fast nie. Unter den Beispielen, die Holder anführte, waren „Gehen in der Mitte der Straße“ und ein Michael, der als Vorname Mike angegeben hatte.
Präsident Barack Obama erklärte, er halte Ferguson nicht für typisch, aber auch nicht für einen Einzelfall. Es sei erstaunlich, dass ein Blick auf E-Mails der Beamten schon genügt habe, um den Rassismus in der Behörde bloßzulegen. In einer war er selbst als Schimpanse zu sehen.
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