Fleißig oder faul: Was Handschrift über die Persönlichkeit aussagt
Graphologen erstellen anhand der Handschrift Charakterprofile. Das ist besonders für Unternehmen interessant - und lässt sich mit etwas Übung manipulieren.
Hier ein Haken, dort ein Schnörkel und zwischendrin ein markanter Bogen. Bei der Handschrift, das lernen schon Kinder in der Schule, kommt es auf die Schönheit an. Die Devise lautet: Nur wer schön schreiben kann, kann auch gut leserliche Texte verfassen. Aus der Handschrift lässt sich also zumindest erahnen, wie viel Wert der Schreiber auf Lesbarkeit legt. Doch das ist längst nicht alles. Denn Experten können aus der Handschrift eines Menschen auf seine Persönlichkeit schließen - und Unternehmen machen sich das zunutze.
Graphologen schließen von der Handschrift auf den Charakter
Graphologen wie Dr. Helmut Ploog analysieren die Handschrift anderer Menschen und zeichnen daraus ein Persönlichkeitsprofil. Ploog hat Schriftpsychologie an der Uni München gelehrt. Heute ist er der Vorsitzende des Berufsverbandes geprüfter Graphologen in Deutschland. Wenn Ploog einen Text liest, geht es ihm nicht um den Inhalt. Das Erscheinungsbild ist das, was für ihn zählt.
Dabei ist jedoch nicht entscheidend, ob die einzelnen Buchstaben präzise in Schönschrift aneinander gereiht sind oder unkoordiniert auf dem Blatt umhertanzen. Graphologen unterscheiden zwischen vier verschiedenen Arten, sogenannten Bindungsformen: Girlande, Winkel, Faden und Arkade.
- Die Girlande zeichnet sich durch weite Bögen aus. Das "n" sieht oftmals aus wie ein "u". Ploog erklärt: "Die Girlande ist wie eine offene Schale. Sie ist ein Hinweis auf Offenheit, Aufnahmefähigkeit und Freundlichkeit."
- Winkel wiederum zeichnet sich durch teils starke Zickzacklinien bei den Konsonanten aus. Ploog: "Das deutet in der Regel auf eine härtere Gangart hin. Menschen, die in Winkelschrift schreiben, haben einen eckigen, kantigen Charakter." Im Gegensatz zur Girlandenschrift seien Winkelschreiber weniger anpassungsfähig.
- Markant für die Fadenschrift sind flach gezogene "m" und "n". Das Mittelband ist abgeflacht. Ploog sagt, wer so schreibt, der passe sich an und "schlängelt sich halt so durch." Außerdem gelten Fadenschreiber als opportun und sogar als faul.
- Arkadenschreiber zeichnen sich durch geschlossene "m" und "n" aus. Sie gelten als verschlossen, reserviert und zurückhaltend.
Bei der Handschrift zählt der erste Eindruck
Aber das ist nicht alles, was bei der Analyse einer Handschrift zählt. Insgesamt gibt es 20 Einzelmerkmale, die Graphologen unterscheiden. Zu ihnen zählen unter anderem die Größe der Schrift, ob Groß- oder Kleinbuchstaben verwendet werden und ob in Druck- oder Schreibschrift geschrieben wird. Dazu kommen sogenannte Ganzheitsmerkmale, wie der Rhythmus und der Spannungsgrad einer Handschrift. Wichtig ist dem Graphologen Ploog zufolge immer der erste Eindruck einer Schrift. Dabei komme es darauf an, ob sie form- oder bewegungsbetont erscheint. Ploog sagt: "Formbetonte Schriften wirken wie gemalt. Bewegungsbetonte Schriften sind da anders. Sie sind schneller geschrieben, neigen mehr nach rechts und das Mittelband ist oft verkleinert." Bewegungsbetonte Schreiber legen demnach wenig Wert auf Formen. Für Graphologen ist das ein Zeichen dafür, dass sie schnell vorwärts kommen wollen.
Aus den verschiedenen Merkmalen erstellen Graphologen ein Porträt über den Verfasser des Texts - und können so auf seinen Charakter schließen: Ist ein Mensch introvertiert oder extrovertiert? Trifft er Entscheidungen aktiv oder eher passiv? Ist er cholerisch, melancholisch oder phlegmatisch?
Allerdings, sagt der Graphologe, treffen diese Typologien nicht immer zu 100 Prozent zu. "Man kann den Menschen natürlich nicht umformen und auf eine Typologie anpassen. Man muss schon schauen, wie individuell jemand ist und wie man seine Person am besten darstellen kann."
Die eigene Handschrift kann man verstellen - wenn man weiß, worauf es ankommt
Wer Ploog mit der Analyse einer Handschrift betraut, will etwas über sich oder andere Personen erfahren. Unter seinen Kunden sind viele Unternehmen, die anhand von Unterschriften und Handgeschriebenem mehr über Bewerber wissen wollen. Aber auch so manche Privatperson reicht eine Handschrift zur Persönlichkeitsanalyse ein: Partner, die wissen wollen, wie ihre Liebsten wirklich ticken. Oder Ex-Partner, die nach der Scheidung die Wahrheit über ihren Ex erfahren wollen. Bei einer Schriftanalyse gehe es aber nicht darum, Menschen schlecht darzustellen. Ploog sagt: "Wir wollen Gutachten machen, keine Bösachten."
Können Bewerber also ihre Handschrift verstellen, um beim künftigen Arbeitgeber besser anzukommen? Ploog sagt ja - wenn auch nur in gewissem Maße. "Die wenigsten wissen, worauf es ankommt." Doch er hat ein paar Tipps: Die Schrift sollte schnell und vereinfacht sein, sich nach rechts neigen und dürfe nicht "rumstottern". Das lasse auf einen positiven Charakter schließen.
Unterschiede zwischen Männern und Frauen sieht der Experte im Übrigen nicht mehr. Vor 50 bis 60 Jahren sei das anders gewesen. Aber seitdem nicht nur Männer arbeiten gehen und Karriere machen, seien die Unterschiede kaum noch zu sehen. Auch, weil Frauen heute wesentlich mehr schreiben als früher.
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