
Viele Frauen zeigen Vergewaltiger aus Angst nicht an

Aus Schamgefühl und Angst wenden sich vergewaltigte Frauen oft nicht an die Polizei. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Kachelmanns Ex-Freundin könnten Experten zufolge das Problem verschärfen.
Die Berichterstattung über den Fall Kachelmann könnte Psychologinnen zufolge vergewaltigte Frauen von einer Anzeige abhalten. Aus Schamgefühl und Angst hätten sich bereits bislang viele Frauen nach einer Vergewaltigung nicht an die Polizei gewandt, sagte die Leiterin des Notrufs "Frauenhorizonte" in Freiburg, Laura Wall, am Montag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Die Berichterstattung und die öffentlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Kachelmanns Ex-Freundin, die ihn angezeigt hatte, könnte Frauen nun noch mehr daran hindern, zur Polizei zu gehen, vermutet Wall. "Das schreckt Frauen ab. Sie haben ohnehin Angst, dass ihnen keiner glaubt", sagte die Psychologin.
"Grundsätzlich wollen die betroffenen Frauen nicht, dass andere Menschen davon erfahren. Das Thema Vergewaltigung ist immer noch sehr tabuisiert", sagte Wall. Viele Frauen fühlten sich nicht in der Lage, vor Gericht detailliert auszusagen, weil sie die Vergewaltigung nicht noch einmal durchleben wollten. Andere hätten Angst, ihrem Peiniger im Prozess zu begegnen.
Auch Katja Grieger vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe vermutet, dass der Fall Kachelmann und die Berichterstattung darüber Frauen nicht ermutigen dürfte, zur Polizei zu gehen. Generell scheuten viele Opfer sexueller Gewalt unsensible Befragungsmethoden und Unterstellungen. "Manchen Frauen geht es nach einer Anzeige schlechter als vorher. Sie haben das Gefühl, dem Verdacht ausgesetzt zu sein, dass sie gelogen haben."
Ein großes Problem für Vergewaltigungsopfer ist es nach Angaben Griegers, direkt nach der Tat zu reagieren. Eigentlich müssten sofort alle Beweise gesichert werden. Viele Frauen seien dazu aber nicht in der Lage, weil sie unter Schock stünden. Rund 8000 Vergewaltigungen werden in Deutschland jährlich angezeigt. Die Zahl der tatsächlichen Fälle dürfte aber deutlich höher sein. Grieger verweist auf die repräsentative Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland", wonach jede etwa siebte Frau einmal in ihrem Leben Opfer einer Vergewaltigung oder sexueller Nötigung wird.
Nach Angaben von Laura Wall ist die Bereitschaft der Frauen, Anzeige zu erstatten zumindest in Freiburg gestiegen. Von den zwei bis drei Fällen, die wöchentlich beim Frauennotruf eingehen, werde in 30 Prozent Anzeige erstattet. Vor zehn Jahren seien es lediglich zehn bis 15 Prozent gewesen. Vor allem die gute Zusammenarbeit mit der Polizei und der Universitätsfrauenklinik habe dazu beigetragen. Vergewaltigungsopfer können in Freiburg Beweise sichern und sich untersuchen lassen, auch wenn sie den Täter nicht sofort anzeigen wollen. Die Unterlagen werden eine Weile aufgehoben, so dass die Opfer auch später noch die Justiz einschalten können.
Kachelmanns Ex-Freundin hatte den 52-jährigen Schweizer angezeigt, weil er sie vergewaltigt und mit einem Messer am Hals verletzt haben soll. Der Fernsehmoderator, der sich vom 6. September an vor Gericht verantworten muss, bestreitet die Vorwürfe. dpa/lsw
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