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  3. Freiburg: Missbrauchsprozess: Ist das Leben des Jungen für immer zerstört?

Freiburg
07.08.2018

Missbrauchsprozess: Ist das Leben des Jungen für immer zerstört?

Die Mutter und der Stiefvater des Jungen sind in Freiburg zu langen Haftstrafen verurteilt worden.
Foto: Patrick Seeger, dpa

Über Jahre ist ein heute Zehnjähriger aus Staufen von mehreren Männern missbraucht und vergewaltigt worden. Kann ein Missbrauchsopfer so etwas je verarbeiten?

Frau Verweyen, Sie sind beruflich schon oft mit Vergewaltigungsopfern in Berührung gekommen. Wie sehr schockiert Sie der Staufener Fall?

Hege Verweyen: Der Staufener Fall schockiert besonders, selbst unter Fachleuten. Weil so viel zusammenkommt. Sein Peiniger, der Verkauf an weitere Täter, dass und wie die Mutter offensichtlich mitgemacht haben soll. Inwieweit man den Behörden Vorwürfe machen muss, wird sicher noch eine Rolle spielen bei der Aufarbeitung. Im Prinzip ist in diesem Fall eine ganze Bandbreite von schwerem Vergehen enthalten.

Wie oft kommt es zu Vergewaltigungen von Kindern in Deutschland? Wie groß schätzen Sie die Grauzone?

Verweyen: Die Grauzone ist groß. Aber man geht davon aus, dass ein Drittel der heute in Deutschland lebenden Menschen in der Kindheit Vernachlässigung, Misshandlung oder sexuellen Missbrauch erlitten haben. Bei betroffenen Patienten kommt es vor, dass sie erst nach langer Zeit über ihr Leid sprechen. Scham spielt dabei eine große Rolle.

Welches Verhalten eines Kindes sollte dem Vater oder der Mutter ein Warnsignal sein?

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Verweyen: Das ist nicht so einfach. Das kleine Mädchen, das im Staufener Fall missbraucht worden sein soll, hat im Kindergarten sexualisiertes Verhalten gezeigt: So etwas alarmiert Fachleute. Aber es gibt andere, weniger eindeutige Zeichen – etwa, wenn die Kinder beginnen, sich zurückzuziehen oder sich ihr Spielverhalten verändert. Auch Einnässen kann ein Hinweis sein. Bei Jugendlichen zeigen sich Zwänge wie etwa Waschzwang, oder sie werden depressiv – Stimmungsveränderungen, Weinerlichkeit oder Ängstlichkeit sind ein Warnsignal. Die Anzeichen sind so vielfältig , dass man daraus nicht automatisch folgern kann, dass ein Missbrauch vorliegt.

Hat der Junge eine Chance auf ein normales Leben?

Verweyen: Grundsätzlich schon. Dadurch, dass auf bestimmte Weise in der Öffentlichkeit gesprochen wird – „das ist ja schrecklich, grauenvoll“ – entsteht die Vorstellung, dass das Leben eines Missbrauchsopfers praktisch zerstört wurde. Ich persönlich kenne Menschen, die einen Weg herausgefunden, einen Beruf erlernt und eine Familie gegründet haben. Das braucht viel Therapie und über Jahre, aber es ist möglich. Die sogenannte Resilienz spielt dabei eine große Rolle. Das ist die Stärke und Kompetenz, mit denen viele Betroffene mit dem Erlebten umgehen. Bei diesem Kind kommt allerdings viel zusammen. Es hat sich zum Teil mit Selbstgesprächen in eine andere Welt gedacht, zurückgezogen aus der Realität. Das ist ein Zeichen für eine schweres Trauma.

Kann diese Resilienz überhaupt so groß sein, um ein derartiges Schicksal verarbeiten zu können?

Verweyen: Es gibt verschiedene Traumastufen. In diesem Fall ist der Junge chronisch, also immer wieder vergewaltigt worden, noch dazu von nahen Schutzpersonen. Diese Kombination ist besonders ungünstig. Deshalb spielt die ihm eigene Widerstandsfähigkeit eine große Rolle. Die Therapie ist hier sicher eine große Herausforderung, da hier so viele komplexe Voraussetzungen im Verbrechen vorliegen.

Welche Therapieansätze gibt es für solche Fälle?

Verweyen: Da gibt es keinen Standard. Das Allerwichtigste bei Gewalt und Missbrauch ist, Schutz zu bieten, den das Opfer selbst auch als solchen erlebt. Der Junge ist ja schon einmal von seiner Mutter weggeholt worden, aber eben nur für wenige Wochen. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass er Angst haben könnte, aus der aktuellen geschützten Umgebung erneut herausgeholt zu werden. Für die Therapie muss man mit Opfern behutsam eine Verbindung aufbauen. Der Junge scheint nach den Schilderungen der Staatsanwältin sonst ein Verhalten zu zeigen wie ein normales Kind. Aber wenn man auf das Thema zu sprechen kommt, verschließt er sich. Es gibt unter anderem spielerische Therapieansätze, die helfen können.

Es kommt nicht oft vor, dass sich Mütter an ihren Kindern vergehen. Sind Ihnen ähnliche Fälle bekannt?

Verweyen: Nein, mir sind keine Fälle bekannt.

Welche Mutter tut so etwas?

Verweyen: In diesem Fall kann man davon ausgehen, dass sich der Partner hochmanipulativ in die Beziehung eingebracht hat. Während er sich in den Verhandlungen geradezu inszeniert, wirkt sie wie ein Wrack, fix und fertig. Ihm traut man durchaus zu, dass er diese Frau vollkommen im Griff hatte. Die Mutter war überfordert, litt vielleicht unter einer Depression. Möglicherweise ist sie kognitiv nicht gut aufgestellt. Er scheint ihr überlegen. Solche Beziehungsdynamiken spielen eine extrem große Rolle.

Kann das Kind überhaupt wieder Vertrauen zu anderen Menschen fassen?

Verweyen: Misstrauen wird sicherlich, solange die Traumatisierung da ist, eine Rolle spielen. Es wurde berichtet, dass er bei der Verhaftung seiner Mutter die Polizisten gefragt haben soll, ob sie wirklich Polizisten sind. Weil ihm von Männern, die sich an ihm vergangen hatten, wiederholt vorgespielt wurde, sie seien Polizisten. Da ist schon Vertrauen zerstört. Aber das heißt nicht, dass Betroffene nicht normal leben können. Vorbehalte wird der Junge sicher verinnerlicht haben. Eine gute Therapie kann ihm dabei helfen.

Kann ein so junges Opfer von Sexualstraftaten später überhaupt ein normales Verhältnis zu Sexualität entwickeln?

Verweyen: Das geht schon. Allerdings kann es zu Situationen kommen, die Erinnerungen auslösen. Ich kenne Fälle, bei denen die Sexualität durch die Traumatisierung beeinflusst war. Aber pauschalisieren sollte man eben nicht.

Der Junge wurde in Obhut genommen. Was hilft ihm nun am meisten – Pflegefamilie oder Klinik?

Verweyen: Ich persönlich halte viel von familiären Umgebungen. Ich habe aus Medienberichten erfahren, dass er in einer Pflegefamilie lebe. Es kommt sehr darauf an, welche Symptome er hat und ob die Familie damit umgehen kann.

Was bedeutet die Trennung von der Mutter für den Jungen?

Verweyen: Ich kann mir vorstellen, dass er seine Mutter trotz allem vermisst. Aber auch den Schutz, den das Kind nun erfährt, kann es wahrnehmen. Seine Umgebung ist zwar anders, aber der Missbrauch hat aufgehört. Es ist wichtig, ihm zu erklären, warum es nun nicht mehr bei seiner Mutter lebt.

Wie wichtig ist der Aufbau eines strukturierten Alltags? Sollten Lehrer über sein Schicksal informiert werden?

Verweyen: Meines Erachtens sollte gemeinsam überlegt und besprochen werden, was für das Kind am besten ist. In manchen Missbrauchsfällen haben Betroffene eine neue Identität angenommen – wegen der Stigmatisierung. Bei der Entscheidung, wer davon erfahren sollte, sollte der Betroffene miteinbezogen werden. Vorschreiben sollte man nichts. Und ja, ein strukturierter Alltag ist eine gute Entwicklungsstütze.

Das Kind hat seinen Vater wohl nie kennengelernt, der Partner seiner Mutter wurde zu seinem Peiniger. Ist die Vaterrolle für das Kind überhaupt neu besetzbar?

Verweyen: Das wird schwierig. Vorbehalte gegenüber Männern können lange bestehen. Aber man ist positiv überrascht, dass Betroffene Erlebtes bewältigen können. Es kann durchaus sein, dass er Freundschaften schließen kann.

Der Mann, der sich am häufigsten an dem Kind verging, soll selbst von Männern missbraucht worden sein. Wie groß ist die Gefahr, dass Opfer später zu Tätern werden?

Verweyen: Dazu kenne ich keine Zahlen. Es kommt sicher auf die Verarbeitung des Erlebten an, ob diese möglich ist und ob sich frühe Hinweise zeigen, die Unterstützung mobilisieren können. Dazu braucht es Einsichten in das Verhalten des Kindes, zum Teil lässt sich das schon früh erkennen. Etwa, wenn die Kinder beginnen, Tiere zu quälen oder anderes kriminelles Verhalten entwickeln.

Wie kann man dieser Gefahr vorbeugen?

Verweyen: Man kann dem gegensteuern. Auch bei Erwachsenen. Indem man ihnen klar macht, dass das Opfer Gefühle hat, dass es ihm weh tut. Es geht darum, Empathie zu zeigen. Bei dem Angeklagten im Staufener Fall wird es interessant sein, was der Gutachter zu dessen Empathievermögen sagt. Auf mich wirkt er gefühlskalt.

Wie lange dauert die Therapie für Opfer?

Verweyen: Das hängt davon ab, wann das Opfer dazu bereit ist, über seine Erlebnisse zu sprechen. Aus therapeutischer Sicht gilt, je früher, desto besser.

Zur Person: Hege Maria Verweyen (51) ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Derzeit arbeitet sie in der Schweizer Poliklinik Liestal südöstlich von Basel als Oberärztin. Bis 2013 leitete die Freiburgerin einen Verein für regionale Gesundheitsförderung und engagierte sich bei Präventationsprojekten in Schulen.

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