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  3. Türkei News: Grubenunglück in Soma: Die Türkei trauert - und protestiert

Türkei News
16.05.2014

Grubenunglück in Soma: Die Türkei trauert - und protestiert

Nach dem Grubenunglück in Soma herrscht in der Türkei Trauer.
Foto: Tolga Bozoglu (dpa)

In Soma, der Stadt im Westen der Türkei mit ihren gut 75 000 Einwohnern, ist Kohle allgegenwärtig. Jetzt erschüttert ein Grubenunglück die Stadt.

Dieser verdammte Job. Was ist das Glück wert, seinen Schwager im Arm zu halten, erschöpft, verdreckt, aber am Leben, verdammt noch mal: am Leben – wenn der Schwager doch bald wieder hinunter muss. In dieses verdammte Bergwerk.

Da steht Mehmet Asher und kann sagen: Meinen Schwager hat es nicht erwischt. Ihn nicht. Zehn Stunden lang war er unter Tage gefangen. Sein Verwandter habe Schlimmes durchgemacht, erzählt Mehmet vor der Leichenhalle in Kirkagac, der Nachbarstadt von Soma. Dort, wo die Toten für die Beisetzung vorbereitet werden.

Wer diese Katastrophe überstanden hat, war umgeben von Feuer und Rauch. Hat Freunde und Kollegen sterben sehen. Hat erleben müssen, wie sie erstickten an giftigen Gasen. Und ist doch nicht gerettet. Das weiß Mehmet ganz genau. „Mein Schwager sagt, er muss zurück in die Zeche, denn er braucht das Geld.“ Und dann: „Er hat noch zwei Jahre bis zur Pension. Er muss da wieder runter.“

Bei einem verheerenden Unglück in einem Kohlebergwerk im Westen der Türkei sind über 200 Bergarbeiter gestorben. Hunderte wurden verschüttet, es gab viele Verletzte.
18 Bilder
Türkei: Über 200 Menschen sterben bei Grubenunglück
Foto: dpa/afp

Grubenunglück in Soma: "für eine Handvoll Kohle"

In Soma, der Stadt im Westen der Türkei mit ihren gut 75 000 Einwohnern, ist Kohle allgegenwärtig. Es gibt ein großes Vorkommen und deshalb auch zwei Kohlekraftwerke. Für viele Männer ist das die einzige Möglichkeit für einen festen Job. Aber was muss das für ein Job sein, wenn im Krankenhaus, wo die Überlebenden behandelt werden, auf einer Außenwand die Worte eingraviert sind: „Die Menschen geben ihr ganzes Leben für eine Handvoll Kohle.“ Daneben sind zwei gekreuzte Spitzhacken zu sehen.

Selbst der höchstbezahlte Bergarbeiter verdient umgerechnet nur etwa 440 Euro im Monat. Kaum genug, um eine Familie zu ernähren. Viele machen Schulden, um Miete, Stromrechnung und Schulgeld bezahlen zu können. „Im Bergbau gibt es die einzigen Jobs hier in der Gegend“, sagt Cenar Karamfil. Die Verzweiflung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Er sagt, er habe früher selbst in der Zeche gearbeitet. „Die Arbeitsbedingungen im Bergwerk sind sehr hart. Es ist so heiß, man schwitzt und kann kaum atmen.“

Karamfil sieht das wie Asher: „Die Männer werden wieder hinuntergehen. Sie brauchen die Arbeit, denn sie müssen ihre Schulden bezahlen.“ Karamfil hat den Absprung geschafft. Er hat seinerzeit Soma verlassen und arbeitet nun als Elektriker in Istanbul. Als er von dem Unglück gehört hat, ist er sofort zurück nach Hause gekommen.

Türkei: 1000 tote Bergarbeiter in zehn Jahren

Dieser verdammte Job. In einem Land, über das die Internationale Arbeitsorganisation ILO berichtet, es liege bei der Zahl an Arbeitsunfällen in Europa auf dem letzten und weltweit auf dem drittletzten Platz. Zwischen 2002 und 2012 kamen demnach mehr als 1000 türkische Bergarbeiter bei Grubenunglücken ums Leben.

Warnungen vor einer Zunahme von Arbeitsunfällen gab es immer wieder. Und es ist ja nicht so, dass die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan keinen Investitionsbedarf in den Bergwerken ausgemacht hätte. Sie begann auch ein Privatisierungsprogramm, bei dem Unternehmen die Bergwerke gegen Zahlungen an den Staat betreiben. Mit dem Ergebnis, so sehen das die Gewerkschaften, dass immer mehr schlechter gestellte Subunternehmer zum Einsatz kommen.

Und dann stellt sich Regierungschef Erdogan am Mittwoch beim Besuch der Unglücksstelle hin, zu einem Zeitpunkt, als schon weit mehr als 200 Tote aus der Tiefe geborgen worden sind, und sagt doch tatsächlich: „So etwas passiert.“ Eine merkwürdige Form der Anteilnahme, in den Augen vieler Landsleute ein Skandal erster Klasse. „Ich bin sehr traurig. Wie kann er das nur sagen?“, sagt eine Frau in Soma, die mit ihrem Mann auf Neuigkeiten wartet. Der Vater seines besten Freundes sei Bergmann, erzählt er. Sie hoffen, dass der Kumpel überlebt hat. „Wir glauben, dass er immer noch da unten ist. Wir warten“, sagt der Mann.

Der Besuch Erdogans am Tag nach dem schlimmsten Grubenunglück in der Geschichte des Landes ist auch der Grund dafür, warum ein junger Mann in einem gut geschnittenen Anzug und mit wutverzerrtem Gesicht am Donnerstag zu den meistdiskutierten Personen der Türkei gehört. Yusuf Yerkel, 32, ein Berater von Erdogan. Er ist dabei fotografiert worden, wie er auf einen am Boden liegenden Demonstranten eintrat. Und zwar nicht irgendwo, sondern mitten in Soma.

Yerkels Tritt ist für Erdogan-Gegner nun das Symbol der Arroganz und Rücksichtslosigkeit der Regierung. Hintergrund sind Proteste, die nach der Äußerung Erdogans in den Straßen der Stadt aufflammten. Demonstranten traten gegen Fahrzeuge aus Erdogans Konvoi. Daraufhin rastete Yerkel aus und attackierte den Mann.

Die Leibwächter des 60-jährigen Premiers montierten sicherheitshalber das Nummernschild mit der Protokollziffer „0002“ vom Dienstwagen Erdogans ab, damit das Auto von der wütenden Menge nicht als Fahrzeug des Regierungschefs erkannt werden konnte. Erdogan soll vorübergehend Schutz in einem Supermarkt gesucht und dort einen Mann geohrfeigt haben. Eindeutige Beweise dafür gibt es bislang nicht.

Erdogans Äußerungen und Yerkels Tritt haben die Spannungen im Land noch einmal verstärkt. Angehörige von vermissten Bergarbeitern in Soma schimpfen über die Besuche der Politiker. „Gebt uns erst mal unsere Toten“, rufen einige. In mehreren Städten des Landes ziehen Menschen protestierend durch die Straßen. Allein in der Küstenmetropole Izmir, nicht weit von Soma entfernt, sind es gestern etwa 20 000. Die Polizei reagiert mit Tränengas und Wasserwerfern.

Über allem schwebt der Vorwurf: Warum lässt die Regierung solche Zustände wie in dem offenkundig völlig veralteten Bergwerk zu? Die Zeitung Hürriyet berichtet, die Türkei gehöre zu den wenigen Kohleförderländern der Welt, in denen es unter Tage kaum Schutzräume für Bergarbeiter gebe. Räume, wo die Kumpel im Falle eines Unglücks mit Frischluft, Wasser und Kommunikationsmitteln versorgt werden können. Mit einer Investition von nur fünf Millionen Dollar hätten alle Bergarbeiter von Soma gerettet werden können, rechnet das Blatt seinen Lesern vor. Die ILO-Konvention zur Sicherheit in Bergwerken hat die Türkei bisher nicht unterzeichnet.

Die Nachrichtenagentur Dogan berichtet unter Berufung auf Rettungskräfte, in der Zeche gebe es nur einen Schutzraum für insgesamt 6500 Kumpel. Bei dem Unglück hätten 14 Männer dort Zuflucht gesucht. In dem nur fünf Quadratmeter großen Raum hätten sie sich an den Masken abgewechselt, bis der Sauerstoff aufgebraucht gewesen sei. Dann seien sie erstickt. Die Retter hätten die Leichen übereinanderliegend gefunden.

Die Türkei fördert rund 73 Millionen Tonnen Kohle im Jahr, von denen ein Großteil in die Stromproduktion geht. Der ständig steigende Energiebedarf wird zu etwa einem Drittel mit Kohlekraftwerken gedeckt. „Andere Länder haben den Bergbau sicherer gemacht, aber die Türkei nicht“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Autor Mustafa Sönmez. Im Zuge der Privatisierungen seien auch die Gewerkschaften geschwächt worden, sodass die Arbeitnehmervertreter nicht in der Lage seien, strengere Sicherheitsvorkehrungen durchzusetzen.

Anders als Erdogan zeigt Staatspräsident Abdullah Gül am Donnerstag bei seinem Besuch in Soma Verständnis für die Wut und Verzweiflung der Betroffenen. Die Sicherheitsbestimmungen müssten überarbeitet werden, fordert er. Schließlich gehörten katastrophale Grubenunglücke „in entwickelten Staaten“ inzwischen der Vergangenheit an, sagt Gül. Eine klare Spitze gegen Erdogans flapsigen Spruch „So etwas passiert“.

Wenige Monate vor der Präsidentenwahl im August – bei der Erdogan antreten und Gül beerben will – demonstriert der Amtsinhaber, wie man sich als Staatsoberhaupt zu verhalten hat: als Versöhner, nicht als Spalter. Das Fernduell über die frischen Gräber von Soma hinweg gibt den Spekulationen über die künftige Besetzung des Präsidentenamtes neue Nahrung. Gül macht keinen Hehl daraus, dass er gerne noch einmal für eine fünfjährige Amtszeit kandidieren würde. Eine Entscheidung zwischen Gül und Erdogan als Kandidat der Regierungspartei AKP soll in den kommenden Wochen fallen.

Der Umgang mit dem Unglück ist ein Rückschlag für Erdogans Ambitionen. Doch Rückschlüsse auf etwaige Verluste an der Wahlurne lassen sich daraus nicht unbedingt ziehen, sagt Emre Deliveli, Wirtschaftskolumnist des Blattes Hürriyet Daily News, unserer Zeitung. „Die Demonstranten, die jetzt auf den Straßen sind, hätten Erdogan ohnehin nicht gewählt“, sagt er. Deliveli hält es für unwahrscheinlich, dass sich Erdogan-treue Wähler in Massen vom Regierungschef abwenden werden.

Für die Menschen in Soma ist diese Wahl ohnehin noch weit weg. „Wir haben gestern 120 Gräber ausgehoben. Heute waren es noch mal mehr als 100“, sagt Özcan, ein Bauer, der sich als Freiwilliger gemeldet hat. Jeder Trauerprozession schreitet ein Mann voran, der eine gelbe Karte mit dem Namen des Opfers hochhält. Bergleute, die ihr Leben gelassen haben – für diesen verdammten Job. (mit dpa und anf)

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