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Tatort
13.11.2016

„Hallo, ich bin die Leiche“: Wie man im Tatort einen Toten spielt

Darstellerin Jasmin Georgi hat sich für unsere Zeitung noch einmal auf das herbstlich-kalte Pflaster gelegt. Genauso wie damals, als sie die Leiche in einem „Tatort“ spielte.
Foto: Ulrich Wagner

Ein „Tatort“ ohne Mordopfer, das gibt es heute nicht mehr. Eine Geschichte über die gespielten Leichen und den allerersten „Toten“ 1970.

Die Leiche ist an den Ort zurückgekehrt, an dem man sie fand. Münchens Nobel-Vorort Grünwald, Villa links, Villa rechts, in der Mitte ein Mehrfamilienhaus aus Waschbeton. Die Leiche lag in der Einfahrt, Kopf zum Garagentor hin, auf dem Doppel-T-Verbundpflaster, Knochensteine werden die Pflastersteine genannt.

Die Leiche legt sich auf den herbstlich-kalten Boden. War ihr rechter Arm auf dem Bauch? Hatte sie ihn von sich gestreckt? „Es ist kalt“, sagt sie, „wie damals. Da war es superkalt. Es hat ein bisschen geregnet, und das im August.“ Sie starrt in den Himmel. Wie am Drehtag. Die Leiche lacht, steht auf. „So war das also ungefähr“, sagt Jasmin Georgi, die 35-jährige „Tatort“-Leichen-Darstellerin. „Irgendwann kriegt man ein Zucken.“ Irgendwann hätten auch ihre Augen getränt. „Und plötzlich hatte ich dieses Kratzen im Hals und sagte mir: Sei cool, sei cool.“ Sie habe die Szene nicht ruinieren wollen.

Eine Stunde bewegungslos für den "Tatort"

In der Szene des BR-„Tatorts“ „Die Liebe, ein seltsames Spiel“ bewegt Rechtsmediziner Dr. Matthias Steinbrecher, gespielt von Robert Joseph Bartl, ihren Finger. Udo Wachtveitl als Kommissar Franz Leitmayr blickt, die Stirn in Falten, zu ihr herab. Georgi muss möglichst bewegungslos bleiben, vielleicht eine Stunde lang. Sie weiß nicht, wie nah sie im Sucher der Kamera erscheint oder was nächstes Jahr zu sehen sein wird, wenn der „Tatort“ im Ersten läuft. Jemand vom Film-Team legt ihr in Pausen eine Wärmflasche auf den Bauch. Sie atmet flach, komplett die Luft anzuhalten gehe ja nicht, und fixiert einen Punkt über sich. Dort ist ein Erker.

Am Sonntag zeigt die ARD den 1000. „Tatort“, der wie der erste heißt: „Taxi nach Leipzig“. Die Krimi-Reihe gehört zum Inventar der Republik. Die Kommissare, die Assistenten, manche Mörder haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Die Guten. Die Bösen. Die Leichen? Es ist nicht einmal „offiziell“ bekannt, wie viele „Tatort“-Leichen es nun genau gibt. Sie werden in den für die jeweiligen Folgen zuständigen Landesrundfunkanstalten der ARD üblicherweise nicht gezählt. Zu makaber. „Meiner Schätzung nach erzählen wir im Schnitt nicht mehr als ein bis zwei Morde pro ,Tatort‘“, sagt SWR-Fernsehfilm-Chefin Martina Zöllner. Die Macher der Fan-Webseite tatort-fundus.de kommen auf insgesamt 2280 Leichen, einschließlich der Jubiläumsfolge.

21 "Tatort"-Folgen kamen ohne Leichen aus

Zwar sind spätestens seit den Hamburger Folgen mit Til Schweiger als Kommissar Nick Tschiller ab 2013 die Leichen-Zahlen gestiegen. Für die Verantwortlichen ist der „Tatort“ aber nach wie vor „Familienfernsehen“. Dass immer gemordet wird, war zumindest anfangs kein Muss. 21 Folgen kamen, so tatort-fundus.de, ohne Leiche aus. Es ging um Spionage oder Entführungen. Warum sich das änderte, kann die ARD nicht erklären.

Jasmin Georgis „Tatort“-Figur wird erstickt. Georgis Augen haben etwas Leuchtendes, als sie erzählt, wie sie in Grünwald eintraf und sich beim Film-Team vorstellte: „Hallo! Ich bin Jasmin, ich bin die Leiche.“ Auf einem der Wohnwagen für die Schauspieler entdeckt sie ihren Rollennamen: Verena Schneider. Sie ist glücklich. An jenem August-Tag und zwei Tage später beim Dreh in der Pathologie des Klinikums Schwabing. Dort muss sie sich halbnackt auf einen Obduktionstisch legen. Augen zu, Luft anhalten.

Mord und Totschlag als Unterhaltung

Den „Tatort“-Ermittlern wurden schon allerlei Affären, Schrulligkeiten, sogar ein Gehirntumor in die Drehbücher geschrieben, die Täter wurden zu vielschichtigen Figuren. „Die Leiche aber wird gefunden und stellt eine kleinere oder größere Komplikation dar“, sagt Joe Bausch, 63. Daran habe sich in Jahrzehnten nichts wesentlich geändert. Erschossene, Erschlagene, Erstochene, Erstickte, Ertränkte, Erfrorene. Bauschs Feuerzeug klickt. Er steckt sich eine „American Spirit“ an und sagt in den Zigarettenrauch hinein: „Mord und Totschlag, das ist Unterhaltung.“ Es gebe eine große Angstlust in der Bevölkerung.

Bausch bezieht sich auf die Krimi-Begeisterung der Deutschen, er ist im Fernsehen der Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth im Kölner „Tatort“ – und im „wirklichen Leben“ seit 1987 Arzt im Gefängnis von Werl bei Dortmund. Um vom Gefängniseingang bis zu seinem Büro im „Gesundheitszentrum“ zu kommen, muss er 14 Türen öffnen. Jedes Mal klirrt es hell, wenn einer der handlangen Schlüssel seines Schlüsselbundes ins Schloss scheppert. Metall an Metall, der Gefängnis-Sound. Er klingt so anders als die „Tatort“-Vorspann-Melodie.

Alltags-Kriminalität für "Tatort" oft zu banal

Von seinem Büro aus blickt Bausch durch zwei vergitterte Fenster auf die Gebäude „seines Knasts“, wie er sagt. Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder sind seine Patienten. Der „Tatort“ sei relativ realistisch, sagt er. Die Realität jedoch sei banaler. „Menschen werden wegen 30 Euro umgebracht oder weil einer schlechte Laune hatte.“ „Tatort“-Stoff? Nicht unbedingt. Das schon: Die Leiche „eines etwa fünfjährigen Jungen“ wurde auf einem Autobahnrastplatz nördlich von Leipzig gefunden, „keinerlei äußere Verletzungen“. Das Kind habe aus der DDR stammende Kleidung getragen – und Schuhe aus der Bundesrepublik. Es ist die Leiche aus dem ersten „Tatort“, der am 29. November 1970 ausgestrahlt wurde.

Petra Mahlau war diese Jungenleiche. Ihr Bruder, dem sie zum Verwechseln ähnelte, hatte in dem Film bereits eine kleine Sprechrolle. Daher spielte die damals Neunjährige mit den braunen Haaren ein männliches Opfer mit blonden Locken. Sie ist in einer Großeinstellung zu sehen, für drei, vier Sekunden, auf der Rückbank eines Mercedes.

Mahlau ist heute 55 und arbeitet als Diplom-Psychologin in einer städtischen Beratungsstelle für Kindertagesstätten nahe Hamburg. Sie erinnert sich nicht mehr an jede Einzelheit. Dass die Perücke juckte, weiß sie allerdings noch. Als sei es gestern gewesen. „Ich lag unter einer Wolldecke“, erzählt sie am Telefon, „und mein Vater hing praktisch über dem Vordersitz, neben ihm der Regisseur. Da merkte ich, dass mich die Decke kitzelte.“ Petra Mahlaus Vater ist der Kameramann Nils-Peter Mahlau.

Sie wird gelegentlich darauf angesprochen und wundert sich dann. Fast ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit ihre Szene im Garten eines Hamburger Hauses gedreht wurde. „Tu so, als ob du schläfst“, riet man ihr. Sie ließ ihre Augen einen Spalt breit offen, um einen Punkt am Dachhimmel des Autos fixieren zu können. Erst Jahre danach, als ihr „Tatort“ wiederholt wurde, sah sie ihn. Als Kind durfte sie es nicht. Und erst vor sieben Jahren erfuhr sie von einem Journalisten, dass sie die erste „Tatort“-Leiche gewesen ist.

Keine Gage für die erste "Tatort"-Leiche

Das klingt merkwürdig, liegt aber daran, dass „Taxi nach Leipzig“ nicht unter dem Etikett „Tatort“ produziert wurde. ARD-Verantwortliche wollten dem ZDF, das seit 1969 mit „Der Kommissar“ eine beliebte Krimiserie im Programm hatte, etwas entgegensetzen. Schnell. „Jeder kramte irgendetwas raus, was er schon in der Schublade hatte“, hat „Tatort“-Erfinder Gunther Witte mal gesagt. „Plötzlich war ,Taxi nach Leipzig‘ der erste ,Tatort‘, obwohl er gar nicht als solcher gedreht worden war.“

In Petra Mahlaus Familie wurde nicht weiter darüber gesprochen. Ihr Bruder erhielt 50 Mark Gage, sie nichts. Was sie kränkte: Mitschüler glaubten ihr nicht, dass sie im „Tatort“ mitgespielt hatte. Sie erkannten sie nicht. Wegen der Perücke. Petra Mahlau wollte nie Schauspielerin werden.

Jasmin Georgi aus dem oberfränkischen Selb will es, nun unbedingt, und der „Tatort“ ist für sie ein Schritt in Richtung ihres Traums. Sie arbeitet erst in einer Bank, nimmt dann Tanzstunden, Schauspielunterricht in New York und München. Bei ihrer Abschlussprüfung 2008 spielt sie eine Szene aus „Elektra“, jener Tragödie des griechischen Dichters Sophokles. Elektra trauert um ihren Bruder Orestes, meint, er sei gestorben. Georgis Bruder Christian schaut zu, sagt: „Das war so gut, du kriegst bestimmt mal den Oscar.“ Drei Monate später ist er tot. Krebs. Sie lässt von der Schauspielerei ab.

Seit vier Jahren unterrichtet sie Jazzdance in einer Münchner Tanzschule, ist „Assistentin der Geschäftsleitung“. An den Wochenenden jedoch führt sie durch die Bavaria Filmstadt, vorbei an den Kulissen von „Das Boot“, vorbei am Glücksdrachen Fuchur aus „Die unendliche Geschichte“. Eines Tages erfährt Jasmin Georgi, dass US-Regisseur Oliver Stone in München ist und Komparsen für seinen Film über den Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden sucht. Am 17. Januar 2015 füllt sie ein Online-Formular einer Casting-Agentur aus, einfach so. Am 24. März darf sie in Stones Film in zwei Szenen eine Agentin mimen. Eine Mini-Mini-Rolle. Sie kennt die Daten auswendig. Über die Agentur bekommt sie auch das Angebot als „Tatort“-Leiche, einen Monat vor Drehbeginn.

Einmal Leiche spielen ist für viele faszinierend

Als sie schließlich auf dem Obduktionstisch liegt, halbnackt und fröstelnd, denkt sie an ihren Bruder. „Christian, gib mir die Kraft, dass ich stoisch daliegen kann.“ Es funktioniert, am Ende des Drehs applaudiert ihr das Film-Team.

Joe Bausch, der Knast-Arzt und „Tatort“-Rechtsmediziner, nimmt einen Zug an seiner Zigarette, denkt nach. Meistens begegne er der „Tatort“-Leiche ja in der Maske. „Ich bin die Leiche“, sage die Leiche häufig. „Das sehe ich“, antwortet er dann. Häufig wolle sich die Leiche mit ihm fotografieren lassen, „Tatort“-Leiche zu sein, das fasziniere viele. Ach, und manchmal frage ihn die Maskenbildnerin etwas wie: „Joe, du bist doch vom Fach, sieht das vernünftig aus?“ „Ne, das Blut ist geronnen, das musst du dunkler machen“, entgegnet er. Alltag für Bausch, der seit der 1997 gedrehten Folge „Manila“ zum Kölner „Tatort“-Ensemble gehört.

Nicht alltäglich für Bausch ist es, wenn sich eine „Leichen“-Darstellerin Erfrierungen zuzieht. Das passierte tatsächlich bei einem Dreh. Bausch erzählt, dass sie am Rhein liegen musste, Gesicht und Hände auf vereisten Steinen. Eine andere Darstellerin, fällt ihm jetzt ein, habe sich geweigert, für die Wiederholung einer Szene in den Leichenkühlschrank geschoben zu werden. Bausch lacht. Das Krankenhaus, in dem gedreht wurde, hatte versichert, der Kühlschrank sei leer. Irgendwann also habe ihn die Leiche gefragt: „Sag mal, das über mir, was ist denn das?“

„Da war die Realität auf einmal sehr nah“, sagt Joe Bausch und blickt durch die vergitterten Fenster seines Büros. Ein paar Gefangene haben eben „Freistunde“. Eine Szene wie aus einem „Tatort“.

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