Heute ist weltweiter Piña-Colada-Tag: Wer hat den Cocktail erfunden?
Rum und Ruhm: Der Cocktailklassiker Piña Colada ist ein weltbekanntes Urlaubssymbol, ein karibisches Nationalgetränk und ein ewiges Streitthema.
Schäumende Gischt überspült die Planken des Schiffdecks, Wellen peitschen gegen den Bug. Der Wind reißt an den Segeln, wirbelt das Schiffchen Anne über das Karibische Meer vor Guayama, einem Küstenstädtchen Puerto Ricos. Die Kammern des mittelgroßen Schiffs sind zum Bersten mit Gewürzen, Rumfässern und Seidenstoffen gefüllt - Beute, die Annes Kapitän, der karibische Pirat Roberto Cofresí aus Cabo Rojo verschiedenen Handelsseglern abgeknöpft hat. In dieser Szenerie, die stark an die Kulisse einer beliebten Hollywood-Reihe erinnert, soll der Legende nach im frühen 19. Jahrhundert ein moderner Kult-Cocktail entstanden sein: die Piña Colada.
Piña Colada: Von der Schiffsverpflegung zum Schirmchendrink?
An Strand, Pool oder auf der Sommerterrasse kennen wir das süß-exotische Getränk als stimmigen Mix aus sahniger Kokosmilch, frischem Ananassaft und einem Schuss weißen Rum. Mit einem Strohhalm und einer Cocktail-Kirsche bildet der Drink das sprichwörtliche Sahnehäubchen auf der perfekten Urlaubsidylle - zu Zeiten des Seeräubers Cofresí muss das anders ausgesehen haben.
So umstritten die Entstehungslegende auch sein mag, ist sie doch stimmig: Rum gehörte zur Basisausstattung jeder halbwegs passablen Piratenflotte, der starke Zuckerrohrbrand hielt die harten Kerle auf rauer See bei Laune und ließ sie die Mängel vergessen, die mit langen Ausfahrten einhergingen. Dass sie den hochprozentigen Schnaps gelegentlich mit Kokoswasser verdünnten, ist nur allzu wahrscheinlich. Denn während normales Wasser nach wenigen Tagen zu Faulen begann, blieb die Flüssigkeit im inneren der Nüsse länger frisch, weshalb sie sich gut als Proviant für die Seefahrt eigneten. Und auch die Ananas muss damals schon eine Rolle gespielt haben, wurde sie doch seit dem 15. Jahrhundert überall in der Karibik angebaut.
Auch andere Puerto Ricaner beanspruchen die Entdeckung der Piña Colada für sich
Von diesem abenteuerlichen Seemansgarn will man im Caribe Hilton, dem nobelsten Hotel der puertoricanischen Inselhauptstadt San Juan, nichts hören. Denn der beliebte Paradiescocktail soll im Jahre 1954 in der Hotelbar im Erdgeschoss erfunden worden sein. In seinen umfassenden Recherchen hat sich der US-amerikanische Cocktailhistoriker und Buchautor Jared Brown Anfang der 2000er auf die Spur des umstrittenen Getränks gemacht und mit widersprüchlichen Informationen zufrieden geben müssen. Denn die wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die an besagtem Abend im Jahr 1954 am Tresen gesessen haben und eine der mutmaßlich ersten echten Piña Coladas durch den Halm schlürfen durften, konnten sich allesamt weder an die exakten Umstände der Erfindung, die verwendeten Originalzutaten, noch an den Geschmack der vermeintlichen Ur-Colada erinnern.
Und auch die Version des Barkeepers Ron Ramon Portas Mingot ist zu bezweifeln: Er will 1963 in seiner Bar La Barrachina zufällig auf das Rezept gestoßen sein - eine Steintafel an der Außenwand erinnert noch heute an diesen Moment. Doch schon in Reiseführern aus den frühen 1920er-Jahren findet die Piña Colada in gleicher Rezeptur Erwähnung - ein Argument, mit dem sich Mingot gelegentlich konfrontiert sehen dürfte.
Der Gouverneur findet schließlich die Lösung
Rafael Hernández Colón, der damalige Gouverneur Puerto Ricos, versuchte 1978 einen Schlussstrich unter die anhaltenden Diskussionen zu ziehen. Kurzerhand erklärte er die Piña Colada, was wörtlich so viel wie "gesiebte Ananas" bedeutet, zum Nationalgetränk der Karibikinsel. Fortan war sie also das Eigentum aller Bürger. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits seit über 20 Jahren weltweit bekannt und weitgehend beliebt.
Puristen und Rum-Kenner störten sich hingegen seit jeher an der wilden Mischung. Der Autor und Gourmet Wayne Curtis gehört zu den Wortführern derer, die den Cocktail seit Jahren mit großer Beharrlichkeit schmähen. So bezeichnete er Kokosnuss und Ananas als aromatische "Abwehrspieler", die durch ihre kräftigen Geschmäcker jeden noch so edlen Rum überlagern und zunichte machen würden. In seinem Buch "And a Bottle of Rum" schreibt er: "Es wundert mich nicht, dass die Piña Colada ausgerechnet in Puerto Rico erfunden wurde, wo viele Rumsorten eher versteckt als angepriesen werden sollten." Noch heute kann man sich in vornehmen Bars auf der ganzen Welt als unwissender Novize outen, wenn man sich eine Piña Colada bringen lässt. Und das, obwohl die Berufsinnung der Barkeeper den 10. Juli einst als weltweiten Ehrentag des Drinks ausrief.
Der Siegeszug der Piña Colada ist nicht aufzuhalten
Heutzutage gibt es kaum ein Produkt, das nicht auch mit Piña-Colada-Geschmack zu kaufen wäre: Pfeifentabak, Shampoo, Räucherstäbchen und sogar aromatisierte Mundstücke für Trompeten und Klarinetten. Die beachtliche Palette versinnbildlicht den Siegeszug einer Mixtur, die einige Fans noch immer - mag es auch aus purer Karibik-Romantik heraus sein - mit dem Seeräuber Roberto Cofresí in Verbindung bringen.
Von seiner mutmaßlichen Erfindung hatte er übrigens nichts: Im März 1825 wurde er im Rahmen eines öffentlichen Spektakels vor ein Erschießungskommando gestellt. Neben seiner Geburtsurkunde, Ohrringen und anderen Memorabilien liegen in verschiedenen Museen in der Südsee auch einige Tonkrüge aus, die sich an Bord der Anne befunden haben sollen, als das Schiff von der Spanischen Armada über das Meer gejagt wurde. Und wer weiß, vielleicht wurde in einem dieser Krüge ja doch die erste Piña Colada der Geschichte gemischt?
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